Die Banalität des Blöden

Hätte ich im Januar vorhergesagt, daß die Besten der Besten der Besten in Deutschlands Regierungsclique eine Taskforce leiten würden, die nur elf Monate nach der Zulassung des ersten Schnelltests für SARS-CoV-2 mal zusehen soll, ob man davon auch welche einkaufen kann, niemand hätte mir das geglaubt.
Hätte ich in meinem gern als Stilmittel genutzten Sarkasmus gesagt, daß dieses dynamische Duo aus Jens Spahn und Andi Scheuer bestehen würde, hätte mir das ebenfalls niemand geglaubt und es vor allem auch als völlig absurde Zukunftsentwicklung bezeichnet.
Warum nicht Nitro und Glycerin? Satan und Cthulhu? Pest und Cholera? All diese Möglichkeiten hätten sehr viel weniger Schadenspotential beinhaltet.

Das ist ein Problem der Zukunft, das ich vor langer Zeit, zu Beginn dieses Blogs einmal erwähnte. Manchmal nimmt sie chaotische Formen an, die letztlich nicht mehr vorhersagbar sind. Vorhersehbar auch nicht. Das große Muster bleibt davon unbeeinträchtigt, aber diese spezielle Zwischenphase ist in ihrer jeweiligen genauen Ausprägung etwas, das sich dem Zugriff der Psychohistorik entzieht.
So wie in Isaac Asimovs Foundation-Romanzyklus einige Jahrhunderte nach dem Beginn des Großen Plans ein Zufallsfaktor auftritt, der von mathematischen Funktionen nicht erfaßt werden konnte, kann dieses Ereignis auch in der Realität auftreten.
Üblicherweise ist es ein Ereignis, ein Dingsbums. Sehr viel seltener ist es eine einzelne Person. Im Roman nimmt die Störung der Zukunftsgleichungen exakt diese Form an. Eine Einzelperson, ein Mutant mit speziellen psionischen Fähigkeiten, tritt hier als irregulärer Faktor auf, der droht, den Tausendjahresplan mit seinem Wirken völlig scheitern zu lassen.

In den allermeisten Fällen wird das gesamte Gebilde aus Gleichungen, Wahrscheinlichkeiten und nichtlinearen Funktionen, die wir gemeinhin als „Zukunft“ bezeichnen, durch solche Dinge oder Personen nicht dauerhaft gestört.
Störung bedeutet hier, der gesamten Geschichte einen deutlich anderen als den vorher projizierten Verlauf zu geben. Anders bedeutet, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten, denn diese Kategorien entspringen menschlicher Wertung.
Derartige Einflußnahme durch Einzelne ist natürlich trotzdem möglich. Der Mann, der George Washington nicht erschoß, hat mit Sicherheit den Verlauf des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges verändert. Das ändert nichts daran, daß man rein historisch nicht bewundernd vor dem Sieg der Amerikaner stehen sollte, sondern sich die Frage stellen muß, wie die überhaupt gewinnen konnten. Es gibt es noch mindestens ein Dutzend weiterer Stellen im Gewebe der Geschichte, an denen diese peinliche Revolte hätte scheitern können. Oder müssen. Alleine schon, daß es überhaupt dazu kam, war lediglich der Unfähigkeit einer größeren Gruppe geschuldet, nämlich der Regierung des Britischen Empire.
Insgesamt aber ist eine Unabhängigkeit Amerikas vom englischen Mutterland in der Geschichte nicht verwunderlich. Sie wäre so oder so eingetreten. Womöglich ein Jahrhundert später, dann wäre der Bürgerkrieg zum Krieg gegen die Briten geworden. Oder es hätte keinen der beiden Kriege gegeben. Aber die USA existierten heute trotzdem. Wobei sich aus den eben genannten Annahmen natürlich weitere – und durchaus interessante – Konsequenzen ergäben.
Der Fluß der Geschichte in die Zukunft ist kein einzelner, beständiger Strom. Er sieht mehr aus wie das Amazonasgebiet. Unzählige Dinge sind miteinander verbunden und bilden ein System gegenseitiger Abhängigkeiten und Beeinflussungen.
Der Hauptstrom dieses Systems mag manchmal über seine Ufer treten und dabei ein paar Häuser am Ufer mitreißen. Gelegentlich verwandelt sich ein Nebenfluß in ein Rinnsal. Aber er wird nur sehr, sehr selten sein Bett wechseln und völlig woanders lang fließen oder sich in den Untergrund verschieben. Dazu bedarf es großer Erschütterungen und Verschiebungen. Der Einzelne, das unsere Gesellschaft so wichtige Individuum, ist also für den Gesamtverlauf der Zukunft eher unwichtig, weswegen eine persönliche Zukunft sich in der Kristallkugel der Psychohistorik auch nicht scharf darstellen läßt. Continue reading →

Vernetzlich

„Er wußte nicht, daß das beharrliche Geräusch eine Reihe hinter ihm das Ende von allem bedeutete: Es würde keine Fortsetzung mehr geben, sehr bald würde es überhaupt keine Filme mehr geben. In der Reihe hinter Larry hustete ein Mann.“
Stephen King, The Stand

In Drogeriemärkten sind Hygieneprodukte ausverkauft, Nachschub ist laut Aussage des Personals nicht zu erwarten. Kein Wunder. Ein nicht unerheblicher Teil irgendwelcher feuchten Tücher wird vermutlich in China hergestellt. Marktradikale FDP-Wähler, deren Empathie und Liberalismus anderen sonst die freie Wahl überlassen möchte, ob sie von Hartz IV jetzt essen oder heizen wollen, oder die Wahl, welche Alters- und Gesundheitsvorsorge sie sich genau nicht leisten können, stehen weinend vor diesen leeren Regalen und beschweren sich über die Kräfte des Marktes, die immer alles optimal verteilen.
Es sei denn, man kommt erst abends um 20:00 in die Drogerie, weil man vorher noch ein paar Leben in Drittweltländern mit Aktienschiebereien nachhaltig versauen mußte.
Auch über den völlig frei nach Angebot und Nachfrage gestalteten Preis einer Flasche Sterilium – ein gängiges Desinfektionsmittel in Praxen und Krankenhäusern – erheben sich bittere Beschwerden.
Als wären 99 Euro nicht etwa ein Schnäppchen für Leute, die sonst beim Essen gehen alleine für die erste Flasche Wein das Doppelte berappen. Kluge Menschen lachen solche Volldeppen aus. Kluge Menschen kaufen destillierten Alkohol in Flaschen. Stroh-Rum hat auch 80 Volt, das langt zum Desinfizieren von behüllten Viren allemal. Prost, Gemeinde. Im Zweifel ist er im Gegensatz zu Sterilium sogar trinkbar. Continue reading →

AKK-47

Noch eine Woche nach der Wahl in Europa ist der Kopfschmerz in der politischen Landschaft des Kontinents geradezu mit den Händen greifbar. Wobei der deutsche Hangover noch am übelsten ist. Dabei ist unsere Kanzlerin nicht mal abgewählt worden am Tag danach.
All das ist nur die Schuld eines blauhaarigen Typen auf Youtube, den ich, so muß ich gestehen, bis zu diesem Moment gar nicht kannte. Vermutlich macht er die falschen Let’s Plays für mich.
Jedenfalls hat der Mann, der sich Rezo nennt, dafür gesorgt, daß die CxU das mieseste Wahlergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat auf deutschem Boden. Ich kann die hysterischen Pressefuzzis in Deutschland aber beruhigen: das wird nach der nächsten großen Wahl nicht mehr der Fall sein. Dann wird es nur noch das zweitschlechteste Ergebnis sein.

Glaubt man allerdings einem Herrn Fleischhauer, diesem traurigen Kolumnisten bei der Erbsenpistole der Demokratie, dann ist das alles Unsinn. In gewohnt am Thema vorbeischreibender Selbstbeweihräucherung erklärte er unlängst seinem Publikum, daß so einer wie Herr Rezo keinerlei Belesenheit aufwiese und außerdem – das hat er wirklich geschrieben – würden Politiker deshalb bei Anne Will oder Maybrit Illner im Fernsehen hocken, weil die eben acht Millionen Menschen erreichen. Der „panische Annäherungsversuch“ sei die falsche Reaktion, nicht das Ignorieren. Tl,dr: der kleine Junge hat nix zu melden, ignoriert ihn einfach.

Besser kann man nicht veranschaulichen, daß man das mit diesem seltsamen „Internet“ noch immer nicht verstanden hat. Wobei ich mich ja frage, warum Fleischhauer dann eigentlich nicht ausschließlich für die Print-Ausgabe des Spiegel schreibt, sondern so eine Online-Kolumne.
Herr Fleischhauer, zum Mitmeißeln für Leute wie Sie: wenn jemand wie Gronkh, der fünf Millionen Abonnenten auf Youtube vorweisen kann, ein zwanzigminütiges Video bezüglich Dingen wie der „Urheberrechtsreform“ hochlädt, und von diesen nur ein Fünftel am selben Tag das Video anschaut, werden die Verbreitungszahlen ihrer antiken Talkshows innerhalb von zwei oder drei Tagen um ein Mehrfaches übertroffen. Von weiteren anderthalb Millionen Followern auf Twitter reden wir da mal gar nicht. Continue reading →

Blick über den Tellerrand

Der Verfassungs„schutz“ soll die AfD mal überwachen, findet eine Mehrheit der Deutschen. Der Verfassungsschutz!
Klar – wenn Himmler Hitler überwacht hätte, wäre das alles auch nie passiert. Bestimmt.
Ich meine – reden wir hier über denselben Verfassungs„schutz“? Den mit dieser NSU-Geschichte mit mehreren toten Zeugen und keiner Aufklärung in fünf Prozeßjahren? Gut, das war jetzt natürlich auch nicht Punkt der Anklage, insofern mache ich dem Richter keinen Vorwurf. Der hat in diesem ganzen Mist einen sehr guten Job gemacht.
Aber ist es derselbe Verfassungs„ schutz“, dessen hessischer Ableger einen internen Bericht über eventuelle Versäumnisse bezüglich Besitz von Waffen und Sprengstoffen bei Rechtsradikalen mit einer Sperrfrist von 120 Jahren belegt hat? Was im deutschen Archivwesen zumindest als stark ungewöhnlich zu bezeichnen ist. Dieser überaus vertrauenswürdigen Institution wollen wir also die Überwachung einer alternativlos rechten Partei anvertrauen?

Außerdem kann es doch bei Rechten derartige untersuchte Versäumnisse gar nicht gegeben haben. Denn das sind doch nur verwirrte Einzeltäter. Man stelle sich vor, das wären irgendwie ausländisch angehauchte Terroristen gewesen, die in Baumärkten einkaufen! Continue reading →

Pollice Verso

Nach einem extrem zerfahrenen Start hat das Team sich dann doch noch halbwegs gefunden. Trotz individueller Patzer, die zur zwischenzeitlich sicher erscheinenden Niederlage geführt hätten, kam so etwas wie beharrlicher Siegeswille auf, ein Drang, die selbst erzeugten Probleme in den Griff zu bekommen. Und dann machte ausgerechnet der Mann, der vorher für den Treffer des Gegners in der Arena gesorgt hat, den entscheidenden Punkt. Was für ein Abend. Keine Agatha Christie hätte den Mörder spannender entlarven können.

Fußball-Deutschland ist erleichtert, beobachtet aber La Mannschaft weiterhin recht skeptisch. Auf der einen Seite ist das Spiel gegen Schweden gut, denn es bedeutet noch ein weiteres Spiel, bevor uns Brasilien mit einem 7:1 dann nach Hause schicken wird. Auf der anderen Seite ist das Spiel natürlich schlecht, weil wieder alle nur auf den Rasen gucken oder auf Rudys blutende Nase. In sämtlichen Hauptmedien sind die Online-Titelseiten heute bedeckt mit ausschließlich einem Thema: Fußball.
Ob der Ball rund genug war, der Rasen zu kurz, die Hosen zu eng, die Mannschaft so gut, der Müller zu schlecht, die Schweden zu angepißt – alles wird durchdiskutiert. Jeder noch so sinnlose Kleinscheiß wird in fotobestückten Artikeln verwurstet. Römische Cäsaren wären über Brot und Spiele zusammen mit Massenmedien so unfaßbar begeistert gewesen, es gäbe das Römische Reich heute noch. Wobei das in gewisser Weise tatsächlich der Fall ist.

In der Zwischenzeit haben sich die deutschen Parteien in seltener Einmütigkeit mal eben 25 Millionen Euro gegönnt. Aus der Staatskasse natürlich, denn woanders kriegen Parteien Gelder in der Höhe ja nicht zusammen. Wie immer wird das sportliche Großereignis im Hort des Bösen, regiert vom Dämonen Putin, dazu genutzt, möglichst viel Scheiß zu bauen, denn daheim keiner mitbekommt. Es gucken ja alle Fußball.
Da kann man schon mal verpassen, daß das Europaparlament sich gerade selbst als die unnötige Demokratiesimulation bestätigt hat, die es eben auch ist. Denn das Parlament hat das sogenannte Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene nicht etwa abgelehnt, sondern einfach durchgewunken.
Dem unwissenden Leser sei erläutert, daß es sich hierbei um eine Aktion unter vornehmlicher Führung des Axel-Springer-Verlags handelt. Die hat dann in Deutschland vor einer Weile eben dieses „Leistungsschutzrecht“ durchgesetzt. Es besagt, daß große Suchmaschinen wie Google den Verlagen Geld zahlen sollen, wenn die Suchseite von Google News beispielsweise kleine Textauszüge – Snippets genannt –  anzeigt, die zum Artikellink gehören. Denn der Artikel ist die Leistung, die da geschützt werden soll. Alleine hier kommt man in Verbindung mit „Springer-Presse“ schon aus dem Lachkrampf nur schwerlich heraus. Continue reading →

Nirgends neue Zeit

Nun ist es also passiert. Völlig überraschend und sicherlich auch unerwartet endet das Bühnendrama der Koalitionsverhandlungen ganz genau so wie das vorherige Übungsspiel namens Sondierung. Der Vorstand der SPD unterschreibt den Koalitionsvertrag und kaum ist das geschehen, tauchen überall fleißige Plakate im SPD-Design auf, die den Mitgliedern jetzt exakt das verkünden, was sie auch 2013 verkündeten: „Seht her, was wir alles erreicht haben!“

Eigentlich hätte ich irgendwo ein Video erwartet, in dem Martin Schulz, an seiner Seite Andrea „Bätschigirl“ Nahles, mit hoch über dem Kopf erhobenen Koalitionsvertrag, die Worte des Versprechens in besten Marmor gemeißelt, eine Treppe hinuntersteigt, um die Gabe der Mächtigen seinen Untergebenen zu kredenzen. Angeleuchtet natürlich von hinten, um beim Abstieg den Strahlenkranz des Heiligen um das kahl werdende Haupt des Bärtigen Vorsitzenden aufleuchten zu lassen. Klassische Filmeinstellung halt.

Doch bleiben wir nüchtern, gelassen und lässig. Nachdem wir also auf den ersten Schreck mal drei Schnäpse gekippt haben, um nicht gleich darüber abzukotzen, daß der Parteivorstand jetzt die kackdreiste Frechheit besitzt, für etwas Werbung zu machen, das er vor acht Wochen und erst recht vor zwölf als völlig ausgeschlossen ausgeschlossen hatte, schauen wir mal auf das kleine Plakat, das verkündet, was die ehemalige SPD denn so Gutes im neuen Vertragswerk unterbringen konnte. Immerhin hatte man ja verhandelt, bis es quietscht.

Bild 1: Fake News a la SPD
Ein guter Teil der angeführten Punkte ist gelogen. Wiederum ein anderer nicht wirklich wahr. Und einige sehen aus wie Lösungen, sind aber eben keine.

Nette abgehakte Punkte, die allesamt irgendwie sozial und gewichtig daherkommen sollen. Das Ganze auf von der Linkspartei geklauten Farbhintergrund, um die ehemalige SPD optisch-politisch da zu verorten, wo sie schon lange nicht mehr gewesen ist oder niemals war.
Insgesamt eine nette Marketingleistung. Also von vorne bis hinten erstunken und erlogen. Continue reading →

Vier Wochen auf Jamaika

Heute ist es soweit. Ein großer Tag für das Land. Heute wird sich endlich entscheiden, ob man in der deutschen Politik bei den großen Fragen etwas Gemeinsames finden kann.
Das ist mal keine schlechte Leistung dafür, daß immerhin schon seit fast fünf Wochen über genau diese Themen geredet wird, jedenfalls offiziell. Erst gestern haben die an den Verhandlungen beteiligten Parteien verkündet, sie würden sich zu einer „Denkpause“ zurückziehen.
Jetzt bin ich durchaus ein Freund des gründlichen Nachdenkens über eine Sache. Alle meine Ex-Freundinnen wußten genau, daß ich unfaßbar spontan sein kann, wenn man mich ein paar Tage vorher über irgendwelche Pläne informiert hat, die eventuell die Gestaltung des Freizeitlebens betreffen.
Allerdings muß ich mir dann automatisch die Frage stellen, was die Beteiligten denn dann in der ganzen Zeit vorher gemacht haben, wenn sie jetzt erst mit dem Denken beginnen möchten.

Genau – die Rede ist von diesen überaus lustigen Verhandlungen zwischen vier Parteien, die da irgendwo in Berliner Kämmerlein stattfinden und deren Ziel eine Koalition sein soll, die uns noch einmal vier fröhliche Jahre mit Königin Angela I., genannt „die Alternativlose“, einbringen sollen. Euphemistisch wird dieses angestrebte Bündnis allgemein Jamaika genannt, wegen der beteiligten politischen Farben Schwarz, Gelb und Grün.
Tatsächlich ist das arme Land in der Karibik das einzige, das diese Flaggenfarben aufweist. Wie man aber beim Gedanken an deutsche Politik ausgerechnet auf kiffende Jamaikaner kommen kann, die mit Reaggae-Mucke durch die Gegend cruisen, ist mir ein Rätsel. Noch 2005 hatte der ehemals grüne Joschka Fischer diese Idee als so absurd zurückgewiesen, wie sie nur sein kann.
Heute, im Jahre des Herrn 2017, im nunmehr  dreizehnten Jahr der Herrschaft des Grauens aus der Uckermark, hat das Bizarrometer der deutschen Politik auch dieses Ende der Skala erreicht. Der ehemalige Grüne Fischer bezeichnet diese Lösung inzwischen als „notwendig“.
Aber die Armen können sich ja gegen ihre Instrumentalisierung zu politischen Zwecken nie wehren. Laut Erläuterung gewisser Online-Lexika bedeuten die Farben in der Flagge Jamaikas Hoffnung in die Zukunft und landwirtschaftlichen Reichtum – das wäre das Grün. Das Gelb – in einer Flagge ist so etwas üblicherweise die heraldische Vertretung für Gold – symbolisiert das Sonnenlicht und den natürlichen Reichtum des Landes. Schwarz hingegen steht für die Kraft und Kreativität des Volkes.
Das verschafft den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition endgültig etwas derartig Zynisches, daß es schon wieder massive satirische Qualitäten aufweist, soviel muß ich dann doch zugeben, nachdem ich mich von meinem hysterischen Kicheranfall erholt habe.

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Die dritte deutsche Republik

Tja…wie soll ich diesen Bericht beginnen? Was soll ich sagen zum gestrigen Tag?
Die ehemalige SPD zieht sich geschlagen und hinkend in die Opposition zurück. Und zwar genau vier Jahre zu spät nach meiner Ansicht. Denn es gab nie eine bessere Gelegenheit, Politik zu machen, als 2013. Aus der Opposition heraus.
Man hätte Frau Merkel minderheitsregieren lassen können und in der Opposition parteiübergreifend eine Mehrheit gehabt.
Was für eine fulminante Gelegenheit, der rostenden Demokratie wieder ordentlich Politur zu geben, wäre das gewesen!
Angela Merkel hätte programmatisch arbeiten müssen. Bis gestern fehlten der Union im Bundestag ganze fünf Mandate an einer absoluten Mehrheit.
Wäre ich Kanzler und hätte 261 Mitglieder des Hohen Hauses vor mir, von denen ich fünf auf meine Seite ziehen muß, um einen Gesetzesentwurf, einen Haushaltsplan oder was auch immer durchzubringen – ich würde mir diese Nummer jederzeit zutrauen. Angela Merkel war vor vier Jahren dafür zu feige. Denn sie ist zwar gerne Bundeskanzlerin, aber interessiert sich nicht ein bißchen für Politik.
Jetzt fehlen einer vor der Wahl hoch gehandelten schwarz-gelben Koalition etwa vierzig Sitze. Diese Lücke halte ich für eine Minderheitsregierung für zu groß.

Die Opposition hätte, mit einer klar stärksten SPD in Front, eigene Projekte verwirklichen können. Beispielsweise den pauschalen Rentenzuschuß wieder einführen, den man Hartz-IV-Beziehern bis zur letzten Koalition aus schwarz-geld noch angerechnet hat.
Dann wurde der Satz wieder einmal um fünf Euro erhöht, dafür aber der pauschale Zuschuß gestrichen. Das war 2009, wenn ich mich recht erinnere. In Folge dessen ist die Altersarmut von Arbeitslosen inzwischen keine Bedrohung mehr, sondern längst Gewißheit.
Eine SPD als Führung der Opposition hätte ihr politisches Profil schärfen können, die Gemeinsamkeiten mit den Linken herausarbeiten, die Differenzen abschleifen und die Grünen hätten zwischen linken Linken und mitte-rechts gelagerten Sozis prima vermitteln können. Die waren ja selber mal links, bevor sie mit Schröders SPD koalierten.
Und ganz besonders hätte diese SPD auch einen glaubwürdigen Wahlkampf gegen die Union führen können. Jetzt. 2017.
Stattdessen hat man nach dem Motto „Opposition ist Mist“ wieder eine Große Koalition herbeigestümpert, deren Bilanz grauenvoller kaum sein könnte. Mir fällt auf Anhieb eigentlich kein Gebiet ein, auf dem dieser Haufen Machtgeier in den letzten vier Jahren nicht vollkommen versagt hätte. Continue reading →

Brandgeruch

Ich hatte ja hier schon mehr als einmal das Beispiel der ÖPP, der Öffentlich-Privaten-Partnerschaften als Paradebeispiel für die Tatsache angeführt, daß unser Wirtschaftssystem immer mehr darauf hinarbeitet, diejenigen zu stützen, die jede Menge besitzen, und dafür dann die bezahlen zu lassen, denen man das Geld am einfachsten wegnehmen kann.

Wie auf Bestellung spricht sich jetzt herum, daß eines der großen Vorzeigeprojekte für dieses Geschäftsmodell, das auf nichts anderes als ein Ausbluten der öffentlichen Hand – also des Steuerzahlers – hinausläuft, vor dem Ende steht: Die A1.
Es ist nicht nur so, daß der private Betreiber eines Abschnitts dieser Autobahn von der Pleite bedroht ist. Nein, er verklagt deswegen jetzt die Bundesrepublik, in Gestalt des phantastischen Verkehrsministers Dobrindt (CSU).
Ich hatte ja kritisiert, daß eines der üblichen Vorgehen der Industrie darin besteht, dem öffentlichen Teil, sprich dem Staat, sämtliche Risiken in die Tasche zu schieben. So ähnlich läuft es auch hier. Denn dem Betreiber, ein Laden namens A1 mobil, sind die Einnahmen auf einem Teil der Strecke zu niedrig. Unmittelbar frage ich mich, wer denn das festlegt.
Wenn ich das Gehalt meiner Vorstände nicht jährlich um 50% erhöhen kann, sind die Einnahmen zu niedrig?
Was ist mit der „Erhöhung der Produktivität“, also Entlassung von Mitarbeitern, die an solchen Stellen von Unternehmen immer ins Spiel gebracht wird?
Wie viele Mitarbeiter hat so ein Betreiber einer privaten Autobahngesellschaft eigentlich? Ich meine, um die Überweisungen vom Staat zu checken genügt ja vermutlich eine Teilzeit-Bürokraft. Was ist also eigentlich genau das, was die jeweilige private Gesellschaft leistet, abgesehen vom Einstreichen der Profite?

Im vorliegenden Fall hat A1 mobil den Autobahnabschnitt zwischen Hamburg und Bremen nicht etwa gebaut, sondern saniert. 73 Kilometer Straße. Und Herr Dobrindt als zuständiger Minister war ganz besonders schlau. Denn im vorliegenden Fall scheint es so, als würde laut Vertrag der Betreiber tatsächlich das Risiko tragen, sollte beispielsweise das Verkehrsaufkommen zu niedrig sein.
Allein die Tatsache, daß eine derartige Selbstverständlichkeit – der Investor trägt das Risiko – in einen Vertrag geschrieben werden muß, sagt bereits alles über den Zustand des Kapitalismus und der Intelligenz von Politikern.
Aber dann wäre ja alles in Butter, könnte man meinen. Hat Dobrindt doch toll gemacht. Befördert den Mann!
Problematisch wird es allerdings, wenn man dann feststellt, daß „bei Ausfall eines Betreibers dessen Aufgaben an den Bund zurückfallen“.
Heißt übersetzt: Der private Unternehmer meldet Insolvenz an, der Staat bleibt auf den bis dahin angehäuften roten Zahlen sitzen und muß sie übernehmen. Nichts also mit Risiko eines Unternehmens.
Abgesehen davon, daß der CSU-Minister ÖPP weiterhin für das Instrument der Wahl hält, um seinen zukünftigen Posten in der Wirtschaft zu sichern  dem deutschen Autofahrer Geld aus der Tasche zu leiern Deutschlands Straßen ordnungsgemäß in Schuß zu halten, spricht also nicht viel dafür.

Es ist exakt dasselbe Verhalten, das auch die Unternehmen auszeichnen wird, in die gewisse Energiekonzerne ihre schmutzigen Geschäfte ausgelagert haben. Also Kohle und Atomstrom. Beim Atomstrom hat sich Deutschlands Strommafia neulich bereits mit einer lächerlichen Pauschalszahlung von 24 Milliarden Euro von jeglicher Verantwortung freigekauft.
Wobei ich mich frage, woher diese Milliarden eigentlich kommen, denn alle Energiekonzerne haben ihre Forderung nach Lösegeld für sich damit begründet, sie würden ja so miese Geschäfte machen in letzter Zeit. Sogar Verluste! Heulen und Wehklagen war überall zu vernehmen, von Vattenfall bis Eon.
Was interessant ist, denn über Jahrzehnte sollten dieselben Konzerne ja Geld zurücklegen. Dazu hatten die sich verpflichtet. Für hinterher, wenn man AKWe mal wieder abbauen muß. Was müssen die alle gelacht haben in den Vorstandssitzungen.
Doch dann stellte sich heraus, daß  eben kein Geld zurückgelegt wurde, sondern diese Zahlungen eben „aus dem operativen Geschäft“ heraus geleistet werden sollten. Was völlig logisch ist, wenn man davon ausgeht, daß man seiner Verpflichtung nicht vor dem St. Nimmerleinstag nachkommen muß.
Da aber dieses Geschäft – leider, leider – just in dem Moment so furchtbar schlecht läuft, kann man seine Verpflichtungen nur erfüllen, wenn man das ganze pauschalisiert. Die Steuererleichterungen, die das Ansparen der zugesagten Summen ermöglichen sollten, hat man allerdings gern und ohne Diskussion genommen. Continue reading →

Das wahre Morgen

– IV –

Die Trägheit der Masse

»Politics is the entertainment branch of industry.«
Frank Zappa

Die Liste der beliebtesten deutschen Kindernamen wird aktuell von Mia, Emma, Sofia, Ben, Paul und Jonas angeführt. Früher, zu anderen Zeiten, waren es Friedrich, Helga, Hans, Horst und Günter. Aber tatsächlich ist das alles gelogen. Die liebsten Kindernamen der Deutschen sind Volkswagen, Audi, Mercedes, Porsche und BMW.
Das und nichts anderes ist die Wahrheit.

Seitdem ein Herr namens Gottlieb Daimler 1885 den Verbrennungsmotor erfand, ist dieses Ereignis aus der deutschen Geschichte nicht mehr wegzudenken.
Drei Jahre später raffte eine wagemutige Frau ihre Reifröcke zusammen, lud sich selbst nebst ihren zwei Söhnen auf die pferdelose Kutsche, die ihr Mann zusammengezimmert hatte, und ließ diese von Pforzheim nach Mannheim galoppieren. Oder traben, viel mehr war da noch nicht zu erwarten.
Unterwegs mußte sie einmal eine verstopfte Benzinleitung reparieren und ein anderes mal die kaputte Zündung. Hutnadel und Strumpfband halfen da weiter. So steht es geschrieben und ich will es nicht in Zweifel ziehen, obwohl ich mir beileibe nicht vorstellen kann, was ein Strumpfband mit einer Zündung zu tun hat. Auf dem Weg mußte die Dame nachtanken und dazu kaufte sie „Ligroin” in einer Apotheke. So hieß damals das Benzin, denn Ligroin ist Leichtbenzin.
Die Firma ihres Mannes Carl, gegründet mit der vorzeitig ausgezahlten Mitgift von Berta Benz, wäre ohne diese 104 Kilometer lange Fahrt wohl kein Erfolg geworden. Die erste erfolgreiche Fernfahrt räumte dem „Patent-Motorwagen Nr. 3” wie das damalige Flaggschiff des späteren Weltkonzerns Daimler-Benz hieß, den Weg frei. Was Autos angeht, könnte man also durchaus zu recht sagen, daß an allem mal wieder die Frauen schuld sind.

Nach und nach wurden aus zusammengedengelten Tuckermonstern echte Autos, als Entwickler auf die Idee kamen, daß eben eine Kutsche ohne Pferde nicht aussehen muß wie eine mit Pferden.
Ganz allmählich konnte man Benzin auch woanders kaufen als in Apotheken oder im Drogeriefachhandel. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt das 20. Jahrhundert bereits angebrochen. Der Verbrennungsmotor ermöglichte es dem Menschen, sich erstmals gesteuert in die Lüfte zu erheben und war im Ersten Weltkrieg bereits zu einem leistungsfähigen Gerät herangereift. Hatte die modernste Version des Benz-Motorwagens Nr. 3 aus dem letzten Produktionsjahr 1896 bei zwei Litern Hubraum noch drei Pferdestärken, flog der als „Roter Baron“ berühmt gewordene Freiherr Manfred von Richthofen im Jahre 1917 mit einem Fokker-Dreidecker Dr. 1 durch die Gegend, der schon satte 110 Pferdestärken aufwies, allerdings auch 15 Liter Hubraum hatte. Das würde sich heute nicht mal mehr der Porschefahrer trauen. Continue reading →