System Shock I

Kassandra neulich so:
»Sollte Trump als Führer der USA wieder ein Exportverbot verhängen, um den Preis an der heimischen Pumpe niedrig zu halten, wird Europa mal merken, wie wenig Energie es eigentlich hat. Wobei es dazu keines Donald Trump bedarf. Irgendeiner der nächsten US-Präsidierenden wird das ohnehin tun.«

Realität so: Wieso einer der nächsten Präsidenten? Warum so lange warten?

Was haben die grünen LNG-Terminals an Deutschlands Küsten noch gleich für Preisschilder?
Der verlinkte Text ist übrigens auch bereits in seinem einleitenden Abschnitt ein großartiges Beispiel für den absoluten Realitätsverlust der Politik weltweit.
“Non-FTA-Countries” schließt die EU natürlich mit ein, denn – Ältere erinnern sich – wir haben keinen Freihandelsvertrag mit den USA. Schönes neues Europa, das solche Verbündete hat 😀

Kleine Ergänzung 20240129: Die Begründung der Biden-Administration für das Einfrieren des Gases ist tatsächlich “KLIMAAAAKATASTROPHHÄÄÄ!”.
Das ist natürlich, in kurzer Essenz kassandrischer Analyse, totaler Bullshit. Der Fracking-Boom ist vorbei. Die USA werden schlicht nicht in der Lage sein, das ganze Gas, das man sich auf politischer Ebene als Wichsphantasie zusammengeträumt hat, irgendwo zu ernten. Sie sind es nicht. Sie waren es nie. Das Zeug ist nicht da in der Menge. Hierzu sei angemerkt, daß LNG-Lieferverträge übliche Laufzeiten von 20-30 Jährchen aufweisen, da kein Investor Bock hat,  zweistellige Milliarden in ein Terminal zu investieren, das dann keine Auslastung hat.

Heißt also, die Biden-Administration kann das Gas auf Dauer gar nicht zurückhalten, denn das hätte sehr weitreichende globalpolitische Konsequenzen und ginge nur unter Berufung auf nationalen Notstand und solche Dinge.
Hält man sich aber an die Verträge, dann wird der Preis an der Pumpe, den ich im letzten Artikel erwähnte, in nächster Zeit für Jill und John Doe in den USA klar nach oben gehen. Wenn etwas begrenzt verfügbar ist, das stark nachgefragt wird, geht der Preis rauf. Manche Dinge der ökonomischen Theorie sind eben doch simpel korrekt. Steigende Preise sind aktuell aber klar ein No-Go, denn es ist fucking Wahljahr!

Letztlich war das Ziel der US-Fracking- und Gasindustrie der Anschluss an den Weltmarkt mit seinen durchweg höheren Preisen. Das ist auch der Grund, warum andere langfristige Lieferverträge mit Asien bestehen, denn zum damaligen Zeitpunkt konnte man den Stoff dort für den etwa dreifachen Preis loswerden. Das geht aber nur, wenn man das Gas verflüssigt und exportieren kann. Das hat man getan und die Kapazitäten dafür ausgebaut.
Jetzt hat die Industrie das Beste aus zwei Welten: sie kann natürlich die Mengen, die sie vollmundig versprochen hat, nicht liefern, hat aber dank ihrer Propaganda die Aufhebung des jahrzehntelangen Exportverbots bekommen. Jetzt werden größere Gasmengen als je zuvor verflüssigt, was wiederum zu Knappheiten auf dem heimischen Gasmarkt führt, der – wie bisher Europa – aus sehr viel billigerem Pipelinegas besteht. Profitmaximierung incoming, verehrte Damen und Herren. Der Markt™ regelt halt.
Offiziell soll sich die Kapazität für LNG-Exporte der USA, Kanadas und Mexikos bis 2027 verdoppeln. Falls diese Ausweitung weiter betrieben wird. Ich bezweifle das, denn ansonsten wird spätestens der übernächste Präsident strikte Preiskontrollen einführen müssen. Mit einem dauerhaften Stop der Ausweitung verbliebe mehr Gas im nordamerikanischem Markt, was die Preise dämpfen sollte. Bis dahin können die Exporteure sich weiter möglichst hohe Profite erfracken. Europa guckt dabei natürlich in die Röhre. Oder in den leeren Gastank. Oder auf die Rechnung, und zwar mit Schweißperlen auf der Stirn.
Eventuell sollten sich europäische Politiker auch einmal Gedanken darüber machen, was diese absehbare Entwicklung für die Fähigkeiten der USA bedeutet, ihre Militärmacht weiter global zu projizieren. Wobei ich stark bezweifle, daß sie das tun.


Update 20240201: Unüberraschende Nachricht des Tages: Klick

Spaziergang durch Absurdistan

“Never complain of that of which
it is at all times in your power to rid yourself.”
Adam Smith, Theory of moral sentiments

Auf den Nanometer genau fabrizierte Computerchips steuern die Produktion von weiteren ihrer Art. Moleküldünne Lagen, sogar atomdünne Lagen aus hochveredelten seltenen Elementen, Schicht für Schicht zusammengebaut mit weit übermenschlicher Präzision.
Diese Computer, mit einer Kapazität, die groß genug ist, alles auf diesem Planeten zu überwachen, zu steuern, zu lenken, werden von menschlichen Gehirnen darangesetzt, einen Weg zu finden, wie man bei der Produktion irgendwelcher Schrauben noch irgendwo an der dritten Stelle hinterm Komma Geld einsparen kann.
Sie berechnen das Abschmelzen der Arktis für Menschen, die das für eine ökonomische Chance halten, da es die Transportwege verkürzen könnte. Auf diesen Transportwegen bringt man dann Obst aus Südamerika zur Verpackung nach Malaysia, damit es in kleinen Plastikbechern in amerikanischen Supermärkten aufgestellt werden kann. CO2-frei transportiert und vegan, vermutlich.
Andere erfinden neue virtuelle Finanz„produkte”, berechnen den Erschöpfungsgrad von Mitarbeitern in der Pflege.
Oder im Callcenter. Sie erfinden neue Methoden, irgendwen mit einem noch besseren Kredit zu schröpfen.
Die Maschinensklaven sind gefangen in der Dummheit ihrer menschlichen Meister.

Eine Statue für unsere Zivilisation?
Kein Problem. Wir nehmen den Schlamm als Baumaterial, der vor den Küsten das Leben im Ozean zuschüttet. Ein Gemisch aus Ackerboden, Pestiziden und Herbiziden. Ehemals fruchtbarer Ackerboden, als Gift ins Meer gespült.
Dazu eine Krone aus toten Korallen. Vielleicht ein Umhang aus kaputten Fischernetzen, komplett mit darin verhakten Delphinen?
Schon jetzt berechnen Computer, wie man die Verwüstung noch weiter vorantreiben könnte. Manganknollen vom Ozeanboden. Und womöglich gibt es dort unten noch irgendwo Erdöl. In 6.000 Metern Tiefe, in 7.000, wen interessiert das. Alles ist möglich, solange wir es uns nur wünschen. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bleibt aber weiterhin ein Hirngespinst. Ein Unkenruf. Eine Kassandra-Aussage. Denn die Welt kann nicht untergehen, weil wir es nicht wollen. Es ist ökonomisch unzulässig.

Wir können problemlos leben in einer Welt, die 2°C wärmer ist. Auch drei Grad wären akzeptabel oder vier. Zumindest glauben das Ökonomen. Sie glauben es schon geraume Zeit und sie verändern die Gradzahl auch immer wieder nach oben.
Denn wen interessiert es, wenn Landwirtschaft nicht mehr stattfinden kann?
Schließlich macht die nur 3 Prozent des BSP aus in einem überentwickelten Land wie den USA oder in Großregionen wie der EU. Was aber so wenig beiträgt zum ökonomischen Gewinn, das kann auch nicht wichtig sein. Was wie Wahnsinn klingt, ist gängige ökonomische Lehre. Es hat Methode. Die Auswirkungen des Klimawandels, oder besser, der Klimazerstörung, wie ich und andere das nennen, werden dann in so absurden Aussagen versteckt wie: »Die globale Landwirtschaft wird nur um 3% schrumpfen bis 2050.«
Oder 2070. Oder wann auch immer. Jedenfalls interessieren sich viele dieser angeblichen Experten nur für Bruchteile von Irgendwas und behaupten dann immer, das sei alles überhaupt kein Problem und die Öko-Fuzzis sollten sich mal nicht so anstellen.

Aber wenn Börsenkurse mal um 2 Prozente nach unten „stürzen” und sowohl der Dow als auch der DAX, das alte Börsentier, danach noch immer um 300 Prozent zu hoch bewertet sind – dann ist Katastrophenalarm und irgendwelche Leute müssen sofort gerettet werden.
Gleichzeitig verkünden dieselben Politiker, von denen irgendwelche wählenden Menschen tatsächlich erwarten, daß sie was gegen die Problematik unternehmen sollen, das Finanzsystem sei total stabil. Einen Tag später leiht sich dann eine Großbank 50 Milliarden und drei Tage später wird sie für 1 CHF (umgerechnet etwa 17 Euro) an einen Konkurrenten verkauft. Der dadurch auch nicht kleiner wird, aber seine bis dahin angehäuften Giftmülldeponien in den Bilanzkellern natürlich prima in den Geschäftsteil auslagern kann.

Gerade erst hat die Ampelkoalition im Deutschen Bundestag beschlossen, wie es in Sachen Klimaschutz und ähnlich drängenden Themen weitergehen soll. Die Antwort vermag nur naive Gemüter zu überraschen: So wie bisher, also gar nicht.
»Maßnahmen zur CO2-Vermeidung« bedeutet für die hirnverbrannten Pfuscher in der Politik, Autobahnen noch schneller zu bauen und vor allem mehr von ihnen. Denn wenn endlich keine Staus mehr existieren, weil jeder sozialdarwinistische Hausfrauenpanzer seine eigene Spur hat, auf der eine Person gemütlich durch eine verwüstete Landschaft brettern kann, muß man die Scheißkarren nur noch mit e-Fuels betanken und alles wird gut.
E-Fuels, um das kurz klarzustellen, meine Damen und Herren, sind etwas für Leute, die in der Schule Physik nach der 2. Klasse abgewählt haben. Diese Typen, die dann nach 12 Jahren ohne Grundschulabschluss rauskommen, weil das Kratzen ihres Rasierers in der letzten Bank immer den Unterricht gestört hat. Später werden die dann Verkehrsminister oder FDP-Vorsitzende, dafür langt es immer. Continue reading →

Unreal Tournament 2022

»Can you imagine when this race is won
Turn our golden faces into the sun
Praising our leaders, we’re getting in tune
The music’s played by the, the mad man.«
Alphaville

Es ist früher Morgen. Etwa halb Acht. Auf den Uhren. Nach solarer Zeit, also Winterzeit, ist es halb Sieben.
Nennen wir es die Zeit, an der Menschen nicht rumgefummelt haben. Seit Jahren stelle ich jetzt meine Küchenuhr im Frühjahr und Herbst nicht mehr um. Alle anderen Zeitanzeigen sind leider elektronisch und drücken mir so automatisch die Vorstellung von einer Tageszeit auf, die irgendeine Bürokratenkommission mal festgelegt hat.
Das Universum ignoriert diese menschliche Anweisung, wie es zu ticken hat, mit heiterer Gelassenheit weiterhin und tickt einfach so weiter wie immer. Der Lauf des Planeten um die Sonne und die damit verbundenen astronomischen Fakten – wie beispielsweise die Position des Zentralsterns am irdischen Himmel – verändern sich durch diese abstruse Angewohnheit der Zeitumstellung nicht ein bißchen.
Es ist also de facto einfach halb Sieben. Der Himmel leuchtet im irdischen Blau, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 94% und es ist neblig. Im Juni. Während mein Rad mich leise scheppernd über den durch andauernde Trockenheit betonharten Feldweg trägt, zischen grüne Papageien im Tiefflug an mir vorbei und kreischen sich gegenseitig Warnrufe zu. Eigentlich sind die Tiefflieger Sittiche und Neozoen, sie gehören also nicht hierher.
Die Tiere sind irgendwo ausgebüchst und haben dann festgestellt, daß es sich im deutschen Regenwaldklima ganz brauchbar leben läßt. Wikipedia spricht von einer „nicht etablierten Population”, wie ich neulich mal nachgeschlagen habe. Aber Wikipedia wird auch täglich dümmer.

Mir sind die Viecher schon vor Jahren aufgefallen, da saßen sie schwätzend in einem Baum und waren grün und ich hielt sie für Flüchtlinge aus einem Zoogeschäft. Was vermutlich auch nicht ganz falsch ist. Jedenfalls kann ich aus eigener Beobachtung klar feststellen, daß es seitdem nicht weniger von denen gibt. Vor zwei Jahren, im ersten Pandemiewinter, sind sie mir sogar erstmals während dieser Jahreszeit aufgefallen. Die sind längst in der ganzen Gegend hier unterwegs.
Den neuen Avianern geht ihre Einstufung als nicht etabliert also auch stark am federumkränzten Allerwertesten vorbei, während eine Gruppe von geschätzt zwanzig Tieren im Baum ihr Morgengespräch führt. Wie viele andere Vogelarten sucht sich auch diese abends einen Schlafplatz für die Gruppe. Zwischendrin scheint immer wieder eines der Tiere zu lachen. Vermutlich haben sie gerade ihren Wikipedia-Eintrag gelesen.

Bedenkt man, daß Vögel die Nachfahren der Dinosaurier sind, paßt ihr Auftreten perfekt zu dem Dschungelklima, durch das ich gerade fahre. Ich radle zum Bahnhof, zu einer eingebildeten Uhrzeit, und fühle mich wie damals auf Borneo, wobei es dafür noch ein paar Grade wärmer sein müßte. Dabei werde ich von angeblich nicht existenten Papageien ausgelacht, die tatsächlich Sittiche sind. Das ganze Szenario fühlt sich zunehmend surreal an.

Allerdings fahren die Orangs auf Borneo keine SUV, dafür sind die zu schlau. Also bin ich wohl doch unter Menschen.
Ulf Poschardt, dieser Strickpullunder des Grauens, der sich in seinem Wahn noch immer für einen investigativen Journalisten hält, hat erst vor einigen Wochen einen angeblichen Artikel veröffentlicht, in dem er ernsthaft behauptete, Elektroautos bauen könne jeder, der Verbrennungsmotor hingegen sei ein Kulturgut.
So was schreibt ein Mann, dem ich nicht mal zutraue, die Kneifzange richtig rum zu halten, mit der er sich täglich seine Unterhose anzieht, bevor er dann mit seinem Porsche langsamer ins Büro fährt als ich mit dem Rad. Immerhin kriegt er es dabei gebacken, die Klimaanlage in seinem Kulturgut so weit runter zu drehen, daß er auch bei 30° Außentemperatur weiterhin in Hemd und Strickpullunder rumfahren muß. Falls es eine Millimetereinteilung für die Skala des Realitätsverlustes nach Kubicki geben sollte, wird sie in Poschardts gemessen. Continue reading →

Peace for our time

Ultrakurze Meldung zum Stand der Dinge. Ich möchte hier einen politischen Kabarettisten für mich sprechen lassen:
(mobile Leser klicken bitte hier drauf)

Das etwa ist der gefühlsmäßige Stand der Dinge bei Kassandra aktuell.
Wie ich dereinst einmal schrieb, gibt es für meine Generation einige Möglichkeiten, die Zeitrechnung in ein Davor und Danach einzuteilen.
Vor Chernobyl und danach. Schon damals wurde das Gefühl einer sicheren Welt tendenziell erschüttert. Auch das hatte ich einmal irgendwo erwähnt.

Es gab ein »Im Kalten Krieg« und ein »Nach dem Kalten Krieg« und das machte – zumindest mir – Hoffnung. Es war eine Chance. Eine Veränderung, aus der Gutes hätte erwachsen können, wäre unser industriell-politischer Komplex daran interessiert. Statt dessen hat man Quartalsbilanzen geboostet, Löhne gesenkt, weiterhin den Ökozid vorangetrieben und ansonsten gerade in Europa jede Chance einer echten Föderation der Idee gemeinsamer Geldscheine geopfert. Das mußte halt genügen.
Warum sollte man womöglich selbstständig werden wollen, so als Kontinent? Mit eigener Außen- oder Verteidigungspolitik? War doch bequem, immer schön bis über die Schultern im Arsch von Uncle Sam zu stecken. Darum haben unsere Politiker, diese elenden Feiglinge, das auch immer weiter praktiziert.

Es gab ein »Vor 9/11« und »nach 9/11«. Wie ich das einordne, hatte ich ganz zu Beginn dieses Blog-Experiments mal erwähnt.

Jetzt gibt es ein »Europa im Frieden« und seit heute Nacht, nach 77 Jahren relativer Ruhe in diesem Teil der Welt, ein »Krieg in Europa«. Ich fühle mich dabei stark wie hier erwähnt. Das Zerbrechen der Welt, das ich einmal beschrieb, hat einen neuen Aspekt hinzugewonnen. Einer, von dem ich gehofft hatte, er wäre in der hyperbewaffneten Welt des 21. Jahrhunderts Vergangenheit. Ein Vorgehen, das so nicht mehr benutzt werden kann. Aber leider kommt »Hitler revisited« dann eben doch in die Kinos. Wer sich eine Bedrohung herbeiquatschen kann und genug Waffen hat, kann offensichtlich noch immer Angriffskriege führen. Natürlich ist diese Erkenntnis nicht ganz neu, es gab ja bereits Aufführungen dieses Theaterstücks. Da kann man mal in Bagdad nachfragen.
Aber heute ist nicht der Tag, an dem ich darlege, warum ich den USA genau so wenig traue wie Russland. Selbst das peinliche Rumgelüge der Amerikaner vor den UN war geradezu oskarreif gegen den faschistischen Schwachsinn, den sich Putin für seinen Einmarsch ins Nachbarland aus dem Arsch gezogen hat. Würde Hitler noch leben oder hätte Nachkommen, sie hätten Putin wegen Urheberrechtsverletzung längst verklagen können.

Aber da stehen wir nun. Ab heute ist wieder Krieg in Europa. Ich hatte angedeutet, daß Vlad womöglich einen Landkorridor sichern will, der die Krim an Russland anbindet. Ich sehe das als optimistische Prophezeiung. Die gesamte Ukraine liegt unter Beschuss. Putin will das ganze Land und spricht von Demilitarisierung und Entnazifizierung.
Was bedeutet, daß in Zukunft nur noch Nazis und Waffen zugelassen werden, die der Kreml genehmigt hat. Wenn unseren Politschergen nichts Stärkeres einfällt, als Putin jetzt seine persönliche Kreditkarte sperren zu lassen, wird er nicht mit der Ukraine zufrieden sein.
Was käme danach? Schweden? Finnland? Die baltischen Republiken?

Denn die sind ebensowenig zu verteidigen wie früher West-Berlin. Diese Halbstadt, in die früher alle Bundeswehr-Verpisser geflüchtet sind, weil sie unter Vier-Mächte-Status verwaltet wurde. Die NATO weiß das. Putin weiß das.
Wladimir Putin will Europa haben. Bis zum Atlantik. Auch das hat er bereits mehr als einmal angesagt.
Es ist egal, was ich schreibe, nichts davon wird die Entscheidungen weiter oben beeinflussen. Aber jede Entscheidung, die auf ein Stück Papier hinausläuft, das irgendwer im Anzug oder Kostüm auf der Gangway eines Fliegers in die Luft hält, wird eine sein, die wir in ganz Europa sehr bald bereuen werden. Womöglich weltweit.

Die Lange Dämmerung wird uns in interessante Zeiten entführen. Ob wir das wollen oder nicht. Das habe ich immer gesagt. Das ist auch weiterhin gültig. Nur die persönliche Dimension ist ab heute eine andere.


Update 20220224:
Kurzer Hinweis an alle, die mir jetzt hinter den Kulissen irgendwie mit »Aber die NATO hat ja Russland eingekreist!111!« kommen wollen. Schenkt’s euch einfach.
Das ist genau dasselbe Idiotengeschwätz, das vor 120 Jahren von einem deutschen Kaiser zu hören war.
Guckt gelegentlich mal auf eine Landkarte, die nicht von RT gezeichnet worden ist.
Wenn Putin die Ukraine erobert, ist seine neue Westgrenze nämlich das NATO-Land Polen. Da hat er es dem bösen Westen aber mal so richtig gezeigt in dem Moment.

Schach dem Zaren

„Nur Nixon konnte nach China gehen.” – vulkanisches Sprichwort

Schon 2014 sagte ich in Gesprächen gerne folgenden Satz: »Was Putin tut, ergibt nur dann Sinn, wenn er da nicht aufhört.«

Gemeint war die Annexion der Krim durch russische – Pardon, auf keinen Fall russische! – Truppenteile – Pardon, zufällig Uniform tragende, nicht zu identifizierende Zivilisten, natürlich.
Es war natürlich auch keinesfalls eine Annexion, schließlich haben die Bewohner der Ukraine über den Anschluß Öster… der Krim an Rußland abgestimmt. Also, hinterher. Etwas, das unsere atomar bewaffneten westlichen Nachbarn ein fait accompli nennen und wir vollendete Tatsachen.
Es ist immer schön, in einer freiheitlichen Atmosphäre in Wahllokalen abzustimmen, die von freundlichen Fachkräften mit automatischen Waffen bewacht werden, damit alles sicher abläuft. Der Treppenwitz an der Geschichte ist, daß die ukrainische Verfassung tatsächlich für das Autonome Gebiet Krim eine Möglichkeit vorsieht, aus dem Staatsverband auszuscheren. Per Abstimmung nämlich. Allerdings einer Abstimmung in der gesamten Ukraine.
Die Frage wäre also nicht gewesen: »Wolle mer se reinlasse?« sondern »Wolle mer se rauslasse?«

In der klaren Methodik des Schachspielers, ein Hobby, das Wladimir Putin nach Gerüchten durchaus auf hohem Niveau beherrscht, entschloß sich der damalige Präsident und heutige Diktator aller Russen, das Risiko einer fehlerhaften Abstimmung maximal zu minimieren.
Man läßt einfach nur die Leute abstimmen, von denen man ziemlich genau weiß, was sie sagen werden. Friedrich Merz kennt das, wenn er immer wieder fordert, daß doch bitte die Mitglieder der CDU darüber abstimmen sollten, welcher Friedrich Merz jetzt Parteivorsitzender wird. So sorgt man für maximal unüberraschende Ergebnisse, die einem gut gefallen. Putin nennt diese Methode in Rußland „gelenkte Demokratie”.
Die CxU in Deutschland nennt das Wahlen und klaren Wählerauftrag. Oder kommunistischen Umsturz, wenn sie die einmal verlieren sollte und wieder so’n SPD-Typ regieren muß.

Wladimir Putin beherrscht jetzt seit mehr als zwanzig Jahren das, was von der Sowjetunion noch übrig ist. Wobei auch dieses Gebilde niemals existiert hat. Es gab vielleicht durchaus einmal Sowjets, aber niemals eine Union. Einer Union tritt man üblicherweise auf freiwilliger Basis bei, möglicherweise aus politischen oder strategischen Erwägungen, aber irgendwo auch aus einem Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Union der Bundesstaaten der heutigen USA wären hierfür ein gewachsenes Beispiel. Die EU und ihre Staaten ein konstruiertes. Die Sowjetunion ist ein Beispiel für schlichten Zwang. Weder der Verlauf der finnisch-russischen Grenze noch der Beitritt der baltischen Republiken in den 1940er Jahren ergaben sich aus einem Akt demokratischer Freiwilligkeit. Continue reading →

Immunreaktion

“DON’T THINK OF IT AS DYING”, said Death. “JUST THINK OF IT AS LEAVING EARLY TO AVOID THE RUSH.”
Terry Pratchett, Ein gutes Omen

Wundervolles Wetter. In blühenden Seehäfen wie Venedig werden Schiffe entladen. In Genua und Mailand blüht der Handel. Banken verleihen Geld an Händler und Kaufleute. Schiffe bringen die Waren dieser Händler über das Rote Meer nach Europa. Über die Seidenstraße. Gewürze. Seide. Edelmetalle.
Sie liefern den Tod gleich mit. Der Tod ist ein Meister aus Asien.
Die Pest des Jahres 1347 fegt das Land leer wie das Höllenfeuer, von dem die Kleriker auf ihren Kanzeln gerne sprechen, um die Gläubigen der Gnade Gottes zu versichern. Die sterben trotzdem. Der stäbchenförmige, gram-negative Gott, der bis etwa 1352 über Europa hinwegzieht, wird 1894 in Indien vom französischen Arzt Alexandre Émile Jean Yersin entdeckt, als er das dortige erneute Aufflackern der bis dahin furchtbarsten Seuche untersucht, die die Menschheit je heimgesucht hatte.
Der Erreger Yersinia pestis ist gefunden, einer der großen Triumphe moderner medizinischer Wissenschaften. Erst jetzt sterben empört die letzten Vertreter mittelalterlicher Schamanenüberzeugungen aus, die noch immer nicht recht glauben wollen, daß klitzekleine Dingsbumse, die zu Millionen in Wassertröpfchen leben, irgendwelche Auswirkungen auf menschliches Leben haben sollen.

Im Italien des 14. Jahrhunderts, dem damaligen Resteuropa an kultureller Finesse und Wirtschaftskraft bei Weitem überlegen, kommt der Handel völlig zum Erliegen. Wer nicht an der Pest erkrankt, wird von besseren Hexendoktoren mit Kuhdung eingerieben und stirbt daran, falls er nicht vorher verhungert. Flagellanten ziehen durch die Straßen, religiös verwirrte SM-Anhänger, die sich mit stachelbewehrten Peitschen ihr Fleisch blutig geißeln und barfüßig durch Pfützen laufen, die mindestens zur Hälfte aus Exkrementen bestehen. Denn weder Wasserversorgung noch Kanalisation sind in den blühenden Städten Italiens höher entwickelt als die Hygienestandards heutiger Billigfleischfabrikanten. Umhergewirbelte Tröpfchen aus Schweiß und Blut erweisen sich als hervorragende Methode, um die Seuche weiter zu verbreiten.
Selbst dem Papst wird diese schon immer umstrittene Praktik seiner Glaubensgenossen zuviel. Mit einer Bulle verbietet Clemens VI. im Oktober 1349 die Praxis der öffentlichen Selbstgeißelung als Häresie.
Bereits vorher, im Juli 1348, hatte er in einer anderen Bulle die Juden in Europa vom Verdacht der Brunnenvergiftung freigesprochen, der zu einigen Pogromen und Auslöschung jüdischer Gemeinden geführt hatte. Die Flagellanten waren besonders eifrige Verbreiter dieser Idee gewesen.
Clemens führte als Argumente an, daß auch die Juden an der Pest starben und diese zudem in Gegenden auftrat, in denen gar keine Juden lebten. Seine Anweisungen wurden nicht befolgt. Mit der Bulle Quamvis perfidiam vom September 1349 drohte daraufhin der Papst allen Judenverfolgern die  Exkommunikation an.
Clemens VI. geht auch in die Geschichte ein als der Papst, der den Sommer 1347 in Avignon zwischen zwei gut gefeuerten Kaminen verbringt. Seine Ärzte hatten ihm dazu geraten, denn sie sind der festen Überzeugung, daß Krankheiten durch μίασμα, durch schlechte Luft voller Verunreinigungen, übertragen werden. Die Feuer reinigen die Luft und halten somit Krankheiten fern. Der zur damaligen Zeit in Frankreich residierende Papst folgt dem Rat und überlebt. Vermutlich, weil die Hitze Ratten von ihm fernhält und seine Kleidung keine Läuse enthielt. Immerhin war der Kerl Papst.

An exakt dieser Vorstellung, bereits im 5. Jahrhundert vdZ von einem alten Griechen namens Hippokrates von Kos in die Welt gesetzt, halten noch Zeitgenossen von Yersin fest. Ja, es ist der Hippokrates. Deswegen hielt sich die Vorstellung des antiken Hellenen auch so hartnäckig über die Jahrhunderte. Immerhin hatte der Mann die Grundlagen moderner Medizin erfunden.
Außerdem paßten die Ideen des Hippokrates durchaus zur Beobachtung. Menschen, die im selben Raum mit Kranken waren, wurden krank. Andere nicht. Ergo mußte etwas in der Luft sein, das krank macht. Wenn jetzt im Bus ein Corona-Kranker niest, sind alle anderen sofort tot. Stimmt also. Es liegt was in der Luft.
Hippokrates empfahl auch das Verbrennen von Bekleidung und die Isolation von Kranken von der Öffentlichkeit. Die Pestärzte des 14. Jahrhunderts kennen wir heute noch für ihre Schnabelmasken, unter denen sie einen mit Essig getränkten Schwamm trugen oder irgendwelche duftenden Kräuter, um die eingeatmete Luft zu reinigen.
Dieses Äquivalent der heutigen FFP3-Filtermaske beruhte zwar auf falschen Vorstellungen der Realität, trotzdem verhinderten die Maßnahmen der Quarantäne, die Hippokrates formuliert hatte, in einigen Gegenden den Ausbruch der Pest oder den Tod weiterer Teile der Bevölkerung. Ebenso  führte die Trockenlegung von Sümpfen in Süditalien zum Verschwinden der Malaria. Mal’aria bedeutet nichts anderes als „schlechte Luft”.
In Wirklichkeit führte es natürlich zum Verschwinden der Brutgelegenheiten für Stechmücken, die den Malaria-Erreger Plasmodium mit sich herum- und an Menschen übertragen. Aber vor Erfindung des Lichtmikroskops durch einen Mann namens Antoni van Leeuwenhoek, der aufgrund dessen unschwer als Niederländer zu erkennen ist, konnte niemand in die Welt des Mikrokosmos wirklich hineinsehen. Van Leeuwenhoek war es auch, der 1674 die erste korrekte Beschreibung roter Blutkörperchen lieferte, weil seine mikroskopischen Linsen allem überlegen waren, was man davor oder 150 Jahre danach jemals hergestellt hat.
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Vernetzlich

„Er wußte nicht, daß das beharrliche Geräusch eine Reihe hinter ihm das Ende von allem bedeutete: Es würde keine Fortsetzung mehr geben, sehr bald würde es überhaupt keine Filme mehr geben. In der Reihe hinter Larry hustete ein Mann.”
Stephen King, The Stand

In Drogeriemärkten sind Hygieneprodukte ausverkauft, Nachschub ist laut Aussage des Personals nicht zu erwarten. Kein Wunder. Ein nicht unerheblicher Teil irgendwelcher feuchten Tücher wird vermutlich in China hergestellt. Marktradikale FDP-Wähler, deren Empathie und Liberalismus anderen sonst die freie Wahl überlassen möchte, ob sie von Hartz IV jetzt essen oder heizen wollen, oder die Wahl, welche Alters- und Gesundheitsvorsorge sie sich genau nicht leisten können, stehen weinend vor diesen leeren Regalen und beschweren sich über die Kräfte des Marktes, die immer alles optimal verteilen.
Es sei denn, man kommt erst abends um 20:00 in die Drogerie, weil man vorher noch ein paar Leben in Drittweltländern mit Aktienschiebereien nachhaltig versauen mußte.
Auch über den völlig frei nach Angebot und Nachfrage gestalteten Preis einer Flasche Sterilium – ein gängiges Desinfektionsmittel in Praxen und Krankenhäusern – erheben sich bittere Beschwerden.
Als wären 99 Euro nicht etwa ein Schnäppchen für Leute, die sonst beim Essen gehen alleine für die erste Flasche Wein das Doppelte berappen. Kluge Menschen lachen solche Volldeppen aus. Kluge Menschen kaufen destillierten Alkohol in Flaschen. Stroh-Rum hat auch 80 Volt, das langt zum Desinfizieren von behüllten Viren allemal. Prost, Gemeinde. Im Zweifel ist er im Gegensatz zu Sterilium sogar trinkbar. Continue reading →

Nebel über dem Kanal

Nach 47 Jahren der Sklaverei hat die britische Nation es endlich hinbekommen. In einem demokratischen Rundumschlag, einer Revolution des Volkswillens, hat sie das Joch der Unterdrückung abgeschüttelt. Ab sofort ist Großbritannien tatsächlich wieder groß. Es kann souverän über seine Grenzen bestimmen und was an diesen passiert. Oder wer diese passiert. Es kann seine eigenen Regeln aufstellen bezüglich Arbeitnehmerrechten. Oder Sozialstaat. Oder Außenpolitik.
Der Brexit ist endlich done. Gefühlt mehrere Millionen befreiter Briten sammelten sich vorgestern auf dem Parliament Square und zählten den Countdown eines politischen Entscheids herunter, als sei es Silvester. Viele dieser Befreiten hatten eine britische Flagge um den Hals hängen. Ein wahrhaft symbolisches Bild. Denn die meisten dieser Leute waren Engländer, keine Briten.
Noch bevor der Countdown abgelaufen war, konnte man als einer der Nicht-Befürworter des britischen EU-Ausstiegs schon sehen, wohin die von Boris Johnson angekündigte „Heilung nach dem Brexit” in der Gesellschaft der Insulaner führen wird. Es gab Plakate mit Aufschriften wie “Lock up the traitors!”
Wer also nicht für uns war, ist gegen uns. Wer in einem Referendum nicht an derselben Stelle das Kreuz macht wie ich, ist ein Verräter. Was immer da irgendwer verraten haben soll. Eine Gesellschaft, in der derartig hirnkranke Individuuen frei herumlaufen und sogar den Premierminister stellen, ist weit jenseits irgendeiner Heilung. Eine derartige Gesellschaft liegt im Sterben.

Das bisherige Crescendo dieser „Oper des politischen Idiotismus” waren die Parlamentswahlen, bei denen Boris Johnson so richtig abgeräumt hat. Nach dreieinhalb Jahren völliger Unfähigkeit, sich darüber zu einigen, was man eigentlich wollen soll, hatten die Wähler diesmal die Schnauze voll. Wir Deutschen kennen das. Gerhard Schröder wurde 1998 nicht etwa Kanzler, weil er so unfaßbar überzeugend gewesen wäre, wie er das immer geglaubt hat. Er wurde Kanzler, weil Deutschland nach 16 Jahren Kohl auch einen Ficus zum Kanzler gewählt hätte, solange der halt nicht Mitglied der CDU gewesen wäre. Mit einem Katzenbaby hätte man die absolute Mehrheit geholt.
Schröder, diese Zimmerpalme des exzessiven Neoliberalismus, wurde schlicht mangels Alternativen erster FDP-Kanzler der Berliner Republik, dann Gasableser für Putin. Heute nörgelt er gelegentlich aus dem Off an der Politiksimulation seiner Partei herum, so wie ehemalige SPD-Granden das bei ihrer ehemaligen Partei gerne tun. Das jemand wie Schröder niemals in eine Partei hätte eintreten dürfen, die das Wort „Sozialdemokratie” im Namen trägt, war schon damals ein klar erkennbares Zeichen des bevorstehenden Untergangs. Continue reading →

Zwanzigzwanzig

Wieder einmal ist es soweit. Die primitiven Eingeborenen des dritten Planeten einer gelben Zwergsonne in einem völlig aus der Mode gekommenen Spiralarm dieser Galaxis haben mit großem Getöse das Neue Jahr begrüßt.
Was bedeutet, der Planet durchläuft einen willkürlich festgelegten Punkt seiner Umlaufbahn und deswegen trinken alle riesige Mengen vergorener Getränke und fuchteln mit Raketenartillerie herum in einem geistigen Zustand, der oft schon nicht einmal mehr die Koordination der eigenen Gliedmaßen flüssig erlaubt.
Wobei, ganz willkürlich ist der Punkt auf der Umlaufbahn nicht gewählt. In wenigen Tagen wird dieser Planet den sonnennächsten Punkt seines Orbits passieren. Der ist zwar tatsächlich elliptisch, wie ein Eingeborener namens Kepler dereinst feststellte. Aber er ist so wenig elliptisch, daß man genau hinsehen muß, um das in diesem Falle zu bemerken. Die höchste Entfernung – Aphel genannt – und die niedrigste – Perihel genannt – differieren nur um einige Millionen Kilometer. Zumindest wissen die Eingeborenen also Bescheid über die astronomischen Gegebenheiten ihres Sonnensystems. Sie wissen auch, daß Alkohol eine farblose, unter hiesigen Normbedingungen leicht verfliegende Flüssigkeit ist, die auf Lebensformen auf Kohlenstoffbasis giftig wirkt. Das hindert sie allerdings nicht daran, dieses Zeug in sich reinzuschütten.

Während also draußen die letzten Schnapsleichen zusammengefegt werden und Jagdhorden die panikartig entlaufenen Hunde der letzten Nacht einfangen, geht es dem Kalenderjahr wie dem Schreiber des Blog in seiner Bambushütte am Rande der Zivilisation. Es wandelt sich in etwas Rundes mit einer Null. Zweitausendzwanzig, gerade eben in sehr vielen meiner SF-Romane noch als ferne Zukunft gehandelt, steht plötzlich in der Datumszeile von Dokumenten und läßt alles stark surreal aussehen. Hätte der Autor dem Alkohol zugesprochen, er würde vermuten, in eine Filmkulisse geraten zu sein. Tee ist allerdings nicht bekannt für das Auslösen von Realitätsverzerrungen, sofern man von Zubereitungen mit Stechapfel und ähnlich lustigen Gewächsen einmal absieht.
Also ist jetzt wohl tatsächlich 2020.
Das wiederum bedeutet, daß hier auch gerade ein komplett neues Jahrzehnt anbricht. Endlich muß man sich keinen mehr abbrechen und solchen Blödsinn von sich geben wie „Nuller-Jahre” oder „Zehner-Jahre”. Im letzten Jahrhundert begannen hier die „Roaring Twenties”, die „Goldenen Zwanziger”. Genauso wird es in diesem Jahrhundert auch sein. Allein das deutsche Börsentier DAX ist um etwa 25 Prozent dicker geworden, was für einen eher flachen Waldbewohner gar nicht so schlecht ist. Hätte der Autor zu Beginn des letzten Jahres mal eben 100 Mille übriggehabt, die man eventuell auch nie wieder benötigt, er wäre um 25 Mille reicher geworden. Das ist mehr, als so mancher Arbeitnehmer netto übers Jahr mit seiner Knechterei zusammenkratzen kann und dafür hätte man nichts tun müssen, außer sich gemütlich auf dem Sofa die Eier zu schaukeln.

Das ist einer der Punkte, den die Golden Twenties des letzten Jahrhunderts mit denen dieses Jahrhunderts gemein haben werden: diejenigen, die eh schon viel Geld haben, werden relativ problemlos noch mehr dazubekommen. Gold kauft sich schließlich nicht von alleine. Was wird sonst noch passieren innerhalb des nächsten Zyklus? Nun, same procedure as every year, wenn Kassandra recht behält.
Immer mehr Menschen werden feststellen, daß die Zukunft, die sie sich mit Teller waschen zu erlangen hofften, nicht etwa ein Millionärsdasein beinhaltet, sondern einfach mehr Teller und einen Tellerwäscher mit einem Arsch voll Schulden. Diese Vorhersage gilt sowohl individuell als auch kollektiv, also für das gesamte wurbelige Gebilde aus Primaten mit Raketen, das allgemein so „Zivilisation” genannt wird.
Während die Folgen der voranschreitenden Klimazerstörung in den Zwanzigern zunehmend unübersehbar werden, wird die Anzahl diejenigen, die sich die Finger in die Ohren stecken und LaLaLa singen, während sie behaupten, an solchen abergläubischen Hokuspokus nicht zu glauben, weiterhin zunehmen. Außerdem werden sie beim Singen immer lauter werden. Und schriller. Gerade eben kann man das wieder erkennen an den Reaktionen auf ein Lied, in dem Omma eine Umweltsau ist. Viele der gemeingefährlichen Idioten, die deshalb Mitarbeiter des ZDF mit Morddrohungen überziehen, werden sich im kommenden Jahrzehnt immer häufiger in ihren eingebildeten Menschenrechten und angeblicher Kultur gefährdet sehen und entsprechend reagieren. In diesem Falle handelt es sich um Primaten, die der eingangs gelieferten Beschreibung auch ohne Alkohol entsprechen und die zwar keine Raketenartillerie besitzen, dafür aber Internetzugang und Twitteraccounts.
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Von getauchten Zwiebeln und gesundem Menschenverstand

Seit nunmehr fünf Minuten versuche ich verzweifelt, Zwiebeln zu kaufen.Genau. Zwiebeln. Allium cepa. Das schnöde, knollige Lauchgewächs, das in so vielen meiner Gerichte dabei ist. Vor einer Woche kosteten die losen Zwiebeln noch 2,09 Euronen per Kilogramm. Das waren schon 60 Cent mehr als in der Woche davor. Aber es waren die einzigen, die aus Deutschland kamen.
Dieses Netz, weiter oben rechts: Neuseeland. Neu-See-Land!
Jedes 1-Kilo-Netz dieser Zwiebeln wiegt grob umgerechnet etwa 1.498 Tonnen, wenn ich im Kopf die menschliche Dummheit überschlage und sie in ökologische Punkte umrechne. Diese Woche kosten die losen Zwiebeln schon 2,49 €. Dafür kommen sie jetzt auch aus Neuseeland. Scheinbar ist da im Hintergrund ein harter Bieterwettbewerb im Gange, von dem deutsche Medien nicht berichten.

Dafür berichten die darüber, daß so ein Typ jetzt auf 10.928 Meter abgetaucht ist, in der Challenger-Tiefe des Marianengrabens. Immerhin 12 Meter über dem bisherigen Rekord. Oder besser, darunter.
Darüber wird allerdings weniger berichtet als über das, was er unter anderem gefunden hat. Die drei neuen biologischen Arten sind weniger interessant als die verdammte Plastiktüte. In elf Kilometern Tiefe schwimmen Plastiktüten.
Da es dort unten kalt ist, keinerlei Licht oder UV-Strahlung hingelangt, einer offenen Plastiktüte der infernalische Druck von etwa 1,23 Tonnen pro Quadratzentimeter egal ist und es auch kaum Kandidaten für biologische Zersetzungsprozesse gibt – drei neue Arten hin oder her – vermute ich, diese Tüte stammt von einer Supermarktkette der 60er Jahre, als gar nicht genug auf der Welt aus Plastik hergestellt werden konnte, einschließlich Unterwäsche, Haaren und Titten. Dann ist der Laden wahrscheinlich pleite gegangen, weil er seinen Kunden nur Produkte aus dem eigenen Land verkauft hat und nicht aus Nepal oder Neuseeland. Continue reading →