Das Wort zur Weihnacht

Aus dem Prinzip Hoffnung das Prinzip Hoffnungslosigkeit zu machen, ist die einzige Möglichkeit, in dieser zunehmend wahnsinnigen Welt nicht selbst den Verstand zu verlieren, von dem man nicht einmal sicher weiß, ob man ihn hat.
Präsident Snow fragt in „Hungerspiele” seinen Nachrichten-Propagandisten Seneca, warum immer einer der Tribute überleben müsse. Die sofort nachgelieferte Antwort des Chefdiktators ist: Hoffnung.
»Hoffnung«, so sagt er, »ist stärker als Furcht.« So lange man diese unter Kontrolle halten könne, natürlich.

Der Präsidator übersieht dabei etwas Entscheidendes. Es gibt etwas, das noch stärker ist als Hoffnung und dieser ebenso überlegen wie die Hoffnung der Furcht. Verzweiflung. Die aus Hoffnungslosigkeit geborene Verzweiflung.
Das ist auch der Grund, warum am Ende des Films nicht zugelassen werden kann, daß beide Tribute aus Distrikt 12, in den Medien von Capitol als das tragische Liebespaar vermarktet, in gemeinsamen Suizid die Hungerspiele beenden. Denn dies hätte ohne Zweifel Hoffnungslosigkeit zur Folge und die wiederum läßt sich nicht kontrollieren. Einen sprichwörtlichen „Funken Hoffnung” kann das totalitäre System immer für sich und seine Kontrolle ausnutzen. Einen Funken Hoffnungslosigkeit gibt es nicht. Hoffnungslosigkeit ist ein Vulkanausbruch.

Der Kapitalismus nutzt immer den Funken Hoffnung aus. Irgendein ausgebeuteter Trottel kann immer davon überzeugt werden, daß er morgen selbst zu denen da oben gehören wird. In der Präsidentenloge. Oder zumindest zu denen da unten, im Zuschauerraum, im exklusiv handverlesenen Jubelperser-Publikum, während oben auf der Bühne die Tribute für die Hungerspiele Revue passieren. Es ist deshalb so einfach, die Hoffnung auszunutzen, weil Menschen mit Wahrscheinlichkeiten sehr schlecht umgehen können. Oder mit Systemtheorie.
Klar gibt es überall Überflutungen oder Dürren oder Kriege oder Hunger. Aber doch nicht bei mir. Klar gibt es Leute, die bei 44°C auf der Straße überleben müssen. Aber doch nicht ich. Menschen sterben. Ja, aber ich doch nicht. Da wird doch irgendwer bestimmt was erfinden.

Das ist der Grund – oder zumindest ein Grund – warum es tatsächlich Leute gibt, die sich nach ihrem Tod den Kopf abschneiden lassen, damit der in flüssigem Stickstoff eingefroren noch ein Jahrhundert aufbewahrt werden kann.
Wie bescheuert kann man eigentlich sein und darf trotzdem offensichtlich zu viel Geld haben? Ich meine, hat mal jemand Lauch eingefroren und das Zeug dann in der Küche wieder aufgetaut? Eben.
Aber angenommen, in 100 Jahren findet tatsächlich jemand eine Möglichkeit, gefriergetrocknete Gehirne wieder in lebende Menschen zu verwandeln. Warum stellen sich diese Typen niemals die naheliegende Frage?
Sie lautet: Warum sollte ein verdammtes Genie im Jahre 2123 ausgerechnet deinen Kopf wieder lebendig machen wollen?
Immerhin hat der ehemalige Eigentümer seine Dummheit klar zur Schau gestellt, sonst hätte er seine Rübe nicht tiefkühlen lassen. Und wie hoch wird dann eigentlich die verdammte Stromrechnung sein?
Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Auftau-Hirn aus dem frühen 21. Jahrhundert einen Bergbau-Robot steuern wird, der Sklavenarbeit im Asteroidengürtel leisten muß, ist sehr viel höher als die Wahrscheinlichkeit der eigentlichen Wiederbelebung. Aber das hält Leute mit gern ererbtem Vermögen nicht davon ab, Futurama für eine Dokumentation zu halten.

Leute, die an so eine Welt glauben, hielten soeben wieder eine Klimakonferenz ab. Die Ölindustrie hat diesmal auf das scharenweise Entsenden von Lobbyisten verzichtet. Die waren ohnehin alle schon da, denn die Konferenz fand in Dubai statt. Die frei gewordenen Plätze wurden dann von der Fleischindustrie gebucht, die massiv aufgetischt hat, um alle Welt davon zu überzeugen, daß unsere industrielle Fleischproduktion ein Weg in eine ökologisch nachhaltige Zukunft ist.
Der König von England ist nach Dubai geflogen, denn er hielt dort die Eröffnungsrede, die betont, wie unfassbar wichtig es ist, den Planeten zu retten und wie knapp die Zeit dafür. Verdammt! Warum hat uns das vorher niemand gesagt? Wenn doch der König von England bloß jemanden kennen würde, der da was unternehmen könnte!
Einen Tag vorher eingetroffen war der ebenfalls schwerreiche Milliardär Rishni Sunak, der Premierminister Brexitanniens. Was er da wollte, weiß ich nicht, ist aber auch irrelevant. Die britische Regierung weiß schon seit Jahren direkt nach dem täglichen Brunch im Puff nicht mehr, was sie eigentlich beim Aufstehen wollte. Vermutlich wollte er weitere Öl-Konzessionen an die Dubais verkaufen. Oder die Saudis.
Sowohl der König als auch der Premier sind im Privatjet angereist. Also, jeder in seinem eigenen, ist klar. Die anderen 80.000 Lobbykraten sind in der Business Premium Class in den Wüstenstaat geflogen, nehme ich an. Danach dann Lobbyisten-Plausch in angenehm klimatisierten Wandelhallen, errichtet auf den Gebeinen von ein paar tausend fernöstlicher Sklavenarbeiter. Aber das Panda-Steak ist bio.

Ein urgenialer Vorschlag ist auch die Verdreifachung der Nuklear-Kapazität in der Energieerzeugung weltweit bis 2050.
Warum habe ich nur das Gefühl, dass dabei sehr viele Bauruinen entstehen werden, die pro Stück 20 Milliarden Euro kosten, weiter strahlenden Müll produzieren, aus jeder Menge leckerem Beton bestehen und die allesamt auf Uran angewiesen sind, das es schon aktuell am Weltmarkt nicht mehr gibt?
Ich weiß es auch nicht, warum dieses Gefühl der Verarschung in mir aufkommt, aber so ist es eben. Eventuell liegt es daran, daß Nuklearenergie aktuell etwa 10 Prozent des weltweiten Energiemixes ausmacht und eine Verdreifachung somit noch immer nur 30 Prozent globaler Energie erbrächte. Bei nicht weiter steigendem Bedarf, versteht sich. Davon abgesehen müsste man uralte Reaktoren natürlich austauschen, statt sie immer ewig weiter zu verlängern.
Irgendwie kann ich mich auch des Verdachts nicht erwehren, daß mit der Begründung »Wir bauen doch AKWe« bestimmte Personenkreise vernünftige Energieprojekte wie Windparks und Solarfarmen dann nicht bauen werden. Geht dann ja auch nicht mehr, weil jemand anders die Subventionskassen leersaugt. Diese Dinge wären schneller zu errichten, sehr viel kostengünstiger und könnten sogar in Europa vor Ort gebaut werden. Und dezentral verwaltet. Wie es bei regenerativen Energien auch mal gedacht war.
Bevor dann drei Bundesregierungen in Folge die deutsche Solarwirtschaft ruinierten, die Windkraft sabotierten und die fossilen Energiekonzerne mit üppigen Subventionen in den Markt haben grätschen lassen, damit diese mit der windigen Begründung »Das kostet Milliarden und das können nur wir!« diese Sache mit dem dezentral auch kaputtmachen konnten. Ach ja, „Entschädigungen” für den völlig unerwarteten und viel zu frühen Kohleausstieg gab es auch noch.
Darum gibt es Windparks in der Nordsee, die ohne Stromanschluß ans Land geplant werden, die der Betreiber aber trotzdem abrechnen darf, als würden sie Strom produzieren, denn rein theoretisch könnten sie das ja. Falls jemand nach Gründen für gestiegene Strompreise sucht, würde ich mal ein paar Leute in Berliner Büros fragen.
Aber natürlich können wir AKWe heute kleiner machen. Dann produzieren wir die Teile in der Fabrik vor und bauen das Ding dann statt dem Spielplatz um die Ecke auf, mitten im Wohngebiet. Wer braucht Sicherheitsabstände? So’n Gebäude wirft ja keinen Schatten auf den gutbürgerlichen Balkon, das ist keine Teufelstechnik wie diese Windräder.

Dieses Konzept nennt sich “Small Modular Reactor”. Was? Ach so, Nein.
Das war der Name in den 1950ern, als diese neuartige Technik aufkam, die heute von den Nuklear-Fantasten propagiert wird. Damals™, als Autokonzerne ernsthaft behaupteten, sie würden nächstes Jahr endlich dieses atomar angetriebene Auto auf den Markt bringen, daß einen Doc Brown 30 Jahre später so richtig neidisch gemacht hätte. Nur ist daraus aus unerfindlichen Gründen nie etwas geworden. Außerdem wäre dann der Film nie gedreht worden.
Aber das war in diesem Gestern, das unser enormer Fortschritt natürlich längst hinter sich gelassen hat beim Fortschreiten. Heute haben wir hier – Trommelwirbel! – “Advanced Small Modular Reactors”.
Die sind natürlich viel besser und gehorchen anderen Naturgesetzen, sie sind ja schließlich “advanced”. Daher brauchen die Reaktorkerne weniger oder keine Kühlung, weil…wir sie mit Konzepten kühlen, die wir alle schon ausprobiert haben vor 50 oder 40 Jahren und die sich alle als unbezahlbar, technologisch irre riskant oder noch gefährlicher als Wasserkühlung erwiesen haben.

Es ist aktuell schwieriger, alle Genehmigungen für zwei Solarpaneele am eigenen Balkon zu bekommen, als ein neues AKWe zu versichern. Das hat nämlich gar keine Versicherung, weil keine Gesellschaft so blöde ist, dieses Risiko zu übernehmen. Im Gegensatz zum gemeinen SUV-Fahrer, der tatsächlich eine Haftpflichtversicherung für sein Fahrzeug benötigt, die er selbst bezahlen muß, bekommt ein nuklearer Neubau automatisch Bürgschaften vom Staat. Also ist zumindest eine Gesellschaft blöde genug, das Risiko zu übernehmen. Auf die Regierenden und die Polit-Kaste im Allgemeinen ist eben Verlaß. Wirklich gefragt hat man die Gesellschaft allerdings nie, soweit ich das weiß.
Tatsächlich sind auch die “Advanced” Reactors so konkurrenzfähig, daß sie keiner mehr bauen möchte, einfach weil Wind und Solar günstiger sind. Dabei haben wir das Treibstoffproblem noch gar nicht angeschnitten.
Irgendwie würde ich als Einhorn-Diktator Deutschlands lieber 20 Milliarden in die Hand nehmen und damit die Forschung an Speichersystemen finanzieren wollen. Das erscheint mir vernünftiger.

Die 20 Milliarden sind auch kein Problem. Die finden wir sogar jährlich, wenn es sein muß. 43 Milliarden gehen als direkte oder indirekte Subventionen an die Fossil-Konzerne. Die jährliche Steuerhinterziehung auf Konzernebene wird in Deutschland auf etwa 100 Milliarden geschätzt. Da kommt so ein abgehalfterter Wurstfabrikant mit angeschlossenem Fußballverein aus Deutschlands Süden nicht annähernd ran. Echt fette Steuerhinterziehung muß man sich eben leisten können. Alleine mit diesen beiden Punkten hätten wir die virtuellen Fehlbeträge im aktuellen Etat simpel gedeckt und noch Geld übrig, sogar nach meinen jährlichen Beträgen für die Speichersysteme.

Hat eigentlich noch jemand so gelacht wie ich, als ausgerechnet die CDU, diese Partei der schwarzen Kassen und der jüdischen Vermächtnisse, die größte Nachfolgeorganisation der NSDAP und der SED auf deutschem Boden, die aktuelle Regierung verklagt hat wegen illegaler Umwidmung von Haushaltsposten?
Gut, wenn sich wer mit illegalen Haushalten auskennt, sind es sicherlich die Unionsparteien. Gelacht habe ich trotzdem.
Derselbe Friedrich Merz, der damit erfolgreich den gesamten Bundeshaushalt torpediert hat, war sich dann nicht zu schade, beim grünen Wirtschaftsminister um Geld zu betteln – aus dem Fonds, den es jetzt nicht mehr geben darf und den es mit einer CDU-Regierung gar nicht erst gegeben hätte.

Natürlich kam von den gelben Lichtern in der Berliner Ampel auch sofort ein super Vorschlag, wie man die nicht existenten 60 Milliarden denn wieder einsparen könne: der Sozialstaat ist zu teuer. Kann ja nicht sein, daß ALG-II-Bezieher 12% Erhöhung ihrer Bezüge kriegen.
Ein kurzer Griff in die Geschichte: als Herr Hartz 2002 sein Konzept zur Schredderung des Sozialstaats dem neoliberalistischem U-Boot G. Schröder vorlegte, kamen etwa 500€ pro Monat als persönlicher Satz raus.
Das war den Arschlöchern Clement, Müntefering und Schröder aber zu teuer, woraufhin Peter Hartz Anweisung erhielt, sich an der damaligen Sozialhilfe zu orientieren und nicht am durchschnittlichen Arbeitslosengeld I, wie er das getan hatte.
Die „Erhöhung” von Hartz 4.5 zum Januar 2024 bedeutet also, daß dieser Sozialsatz 20 Jahre nach seiner Einführung etwa die Höhe erreicht, die schon 2004 angemessen gewesen wäre. Eventuell sollte man das als Wähler bei der nächsten Diätenerhöhung im Bundestag mal kurz überdenken.
Irgendwie ist mir auch das Plädoyer der FDP/CxU/spd entgangen, das da lautet: »Erhöht die Löhne und Gehälter im Land.«
Denn damit hätten Menschen mit Arbeit klar mehr Geld als solche ohne. Hatten sie übrigens immer, ganz nebenbei. Jeder Politiker, der in Zukunft nochmal was von „Schlaraffenland” erzählt, würde in meiner Einhorn-Diktatur einfach sein Mandat verlieren und die nächsten zehn Jahre ins Schlaraffenland Bürgergeld verbannt. Stellt euch mal Christian Lindner im Sozialkaufhaus der Caritas beim Staubwischen vor. Bei einer nützlichen Tätigkeit!
Aktuell gehen die Propagandisten der CxU gerne mit einer Umfrage hausieren, die besagen soll, daß viele Angestellte kündigen wollen, um lieber Bürgergeld zu beziehen. Das ist natürlich erstunken und erlogen und lediglich dem erbärmlichen Menschenbild unserer parlamentarischen Großverdiener geschuldet.
Um hier mal Wolfgang Kubicki zu zitieren: Es geht euch einen Scheißdreck an, was ich noch nebenbei verdiene!
Sagen Sie das mal dem Finanzamt als Privatmensch. Oder googlen Sie mal den Satz. Sie werden jede Menge Tips bekommen, wie Sie nebenbei Geld verdienen können. Jobs zum Stundensatz von Kubicki sind aber nicht dabei.

Korrekt in Sachen Umfrage ist, daß die zitierte Aussage vor allem den Niedriglohnsektor betrifft.
Der Mindestlohn soll aber zum Januar nur um 41 Cent pro Stunde steigen, so hat es die allmächtige Kommission unter Zustimmung der Opposition beschlossen. Als es daraufhin Kritik gab, murmelte Oppositionsführer Merz, man müsse die Entscheidung einer unabhängigen Kommission einfach mal akzeptieren. Es sei denn natürlich, diese beschäftigt sich mit dem seit 20 Jahren künstlich runtergerechneten Existenzminimum, also Bürgergeld/Olaf I.
Hätte man den Mindestlohn mit Verweis auf die nicht unerhebliche Inflationsrate auch einfach um zwölf Prozent erhöht, somit also auf €13,44/h, wäre diese Geisterdebatte nicht schon wieder vom Zaun gebrochen worden.
Witzigerweise kommt meine Berechnung recht nah an die Forderung des CDA heran. Das ist der – man mag es kaum glauben – Teil der CDU, der seine letzten Hirnzellen noch nicht im politischen Bierzelt versoffen hat.
Und hatte ich schon erwähnt, daß irgendwie keines der Arschlöcher im Parlament, die ständig auf die Nichts-Habenden einprügeln, jemals dafür plädiert hat, die Löhne und Gehälter deutlich anzuheben, um das angebliche „Lohnabstandsgebot” wieder einzuhalten? Dann habe ich das jetzt.
Auch der Herr Arbeitgeberpräsident im verlinkten Artikel kritisiert ausdrücklich die Erhöhung des Bürgergelds, nicht etwa die erbärmliche Mindestlohn-Anpassung. In England steigt der Mindestlohn übrigens zum 01.01.24 um 10 Prozent. In England. Diesem Inselstaat vor den Kontinentalküsten, der bis neulich noch von einem Meerschweinchen auf Crack regiert worden ist.
Es sei darauf hingewiesen, daß das Lohnabstandsgebot auch nur eine Phrase ist, die sich menschenhassende Konservative vor Jahren aus dem Allerwertesten gezogen haben, damit sie weiter Arbeitslose rhetorisch diskriminieren können.
Ansonsten könnte man auch mal über den Lohnabstand zwischen Firmenvorständen und Angestellten diskutieren. Ich fahre morgen wieder Bahn und soweit ich weiß, kriegen weder mein Schaffner noch mein Lokführer 400K extra allein im Dezember, weil sie so super Arbeit geleistet haben. Der Bahnvorstand schon. Gerne auch pro Nase.
Seltsamerweise habe ich aber auch hier nicht in Erinnerung, daß dieser Aspekt von der CxU, der „FDP” oder der ehemaligen spd mal erwähnt worden wäre in den letzten 25 oder 30 Jahren.
Wer hat in diesen Jahren eigentlich den Kanzler gestellt? Eventuell sollte man das als Wähler vor der nächsten Wahl zum Bundestag mal kurz überdenken.

Bild: Oppositionsführer F. Merz bei besinnlicher Weihnachtsmeditation
Hier ist der grundsympathische Mann vertieft in das Kochbuch zum Weihnachtsessen in seiner Sauerländer Wahlkreis-Kneipe.

Der heute in Wirtschaft und Politik vorherrschende Rückzug auf zutiefst dogmatische Positionen, einer zunehmenden kognitiven Dissonanz zwischen der echten Realität und den eigenen gefühlten Wahnvorstellungen über die Struktur dieser Realität geschuldet, ist keine Zukunftsgestaltung.
Es ist Irrsinn. Es ist religiöser Fanatismus mit Inquisition. Leute, die beim Wort Staatsschulden sofort aufschreien und schmerzgepeinigt vor den Medien etwas davon erzählen, daß man an die Zukunft der Kinder denken müsse, haben keinerlei Probleme damit, eben diese Kinder als Terroristen zu diffamieren und in den Knast zu sperren, weil die sich womöglich auf einer Straße festgeklebt haben.
Wenn irgendwelche SUV-Dosenschubser etwas von ihrem Grundrecht auf ungehindertes Autofahren faseln, warum ist der Verkehrsminister dann eigentlich kein Terror-Anführer? Denn das Konzept, Deutschland von Nord nach Süd und Ost nach West in eine einzige, 800-spurige Autobahn zu verwandeln, scheint ja nun seit 50 Jahren diese ungehinderte Beweglichkeit eher zu behindern als zu befördern.
Überhaupt sehe ich immer dümmere Autofahrer in offiziell immer intelligenten Autos umherkutschieren, die immer fetter werden. Sowohl die Fahrer als auch die Autos. Aber am Ende ist dann die Parkbox zu klein und nicht etwa die Karre zu fett.
Würde eine landesweite Supermarktkette eingangsnahe Parkplätze für Lastenfahrräder umwidmen, wäre Deutschland einer Revolution so nahe wie seit 200 Jahren nicht mehr. Rauchsäulen würden aufsteigen über dem Land, wenn sich empörte Pick-Up-Benutzer an den Ladenkassen in die Luft sprengten, um gegen diesen Eingriff in ihre eingebildete persönliche Freiheit, sich wie das letzte Arschloch zu verhalten, zu protestieren. Falls sie den weiten Weg bis dahin schaffen natürlich, wenn sie zwanzig Meter weiter weg parken müssen.

Gestehen wir es uns ein: wir werden von Irren regiert, die von Bekloppten gewählt werden. Demokratie als Konzept ist zwar eine nette Idee, hat aber gegen den radikalen Marktkapitalismus und seine Propaganda keine Chance. Überhaupt ist es ein weiterer Mythos, daß Kapitalismus ein Partner der Demokratie ist. Die Wahrheit ist, daß Kapitalismus die Demokratie haßt. Sie ist ihm hinderlich. Kapitalismus ohne Regularien und der sogenannte Freie Markt™ sind wie ein Besoffener im eigenen Wohnzimmer, der in die Topfpflanze kackt, um sich dann lauthals drüber zu beschweren, daß es stinkt. Und wenn dann einer saubermacht, gibt einem der Penner noch Tips zur Pflanzenpflege.
Leute faseln in offiziellen Gremien ernsthaft etwas von „Ökodiktatur”, wenn es um ein Tempolimit geht, und niemand ruft den Arzt. Stattdessen gibt es Applaus von Leuten, die Naturgesetze ernsthaft für eine demokratische Veranstaltung halten.
Am Ende werden einige von ihnen womöglich Premierminister und erzählen was von 1,5°C-Zielen. Wenn sich die verdammte Realität nicht an dieses politisch verordnete Ziel hält, ist weder die Politik schuld noch die Wirtschaft, die der Politik vorgibt, was sie zu tun hat.
Nein, es muß Schuld der Realität sein. Irgendwer findet sich da schon, den man für sein eigenes Totalversagen verantwortlich machen kann, ob jetzt im Parlament oder an der Wahlurne. Hauptsache, man selbst ist es wieder einmal nicht gewesen.

In meiner Ökodiktatur würde ich nicht mich an einer Straße festkleben, sondern die SUV. Der durchschnittliche Berliner Autofahrer würde nicht einmal einen Unterschied bemerken, vermute ich.
Ich würde den globalen Flugverkehr nicht mit „grünem Kerosin” krampfhaft aufrechterhalten wollen, sondern ihn schlicht verbieten. Bis auf das eine Prozent, das für superwichtige Dinge tatsächlich notwendig ist.
Dasselbe gilt für blauen, grünen, orangenen oder von mir aus auch gestreiften Wasserstoff, der von der Chemie- und Stahlindustrie immer wieder als Wundertechnologie angepriesen wird. Da muß der Staat jetzt aber massiv investieren! Nein, muß er nicht. Das könnten einfach mal die Industrien tun, die mit dieser Geistertechnik schlicht weiter business as usual betreiben wollen. Schließlich wollen sie hinterher auch die Profite weiter einsacken, die sie auch bisher mit der Vergiftung des Planeten eingesackt haben. Freier Markt™ und so.

Falls sich Kalle aus Wanne-Eickel dann aufregt, weil er mit dem Boot nicht nach Malle kommt, würde ich politisch dasselbe machen wie alle anderen Parteien seit Jahrzehnten: ich scheiß’ auf Kalle und der wählt mich dafür gleich nochmal. Bei CxU und spd funktioniert das schließlich auch.
Soll der Penner halt Urlaub am Baldeney-See machen. Überhaupt: Urlaub?
Der Jahresurlaub für alle, die nicht mindestens 100.000€ pro Monat nach Hause schaufeln, wird komplett abgeschafft. Schließlich wird demnächst wieder alles teurer, wenn das Rote Meer für den so superwichtigen Welthandel gesperrt wird.
Irgendwer muß den Konsum schließlich aufrechterhalten, was will Kalle da mit Urlaub? Überstunden schieben soll er! Zum Mindestlohn am besten. Denn wenn der Konsum nicht stimmt, könnten diejenigen, die mindestens 100.000€ pro Monat nach Hause schaufeln, womöglich nur noch 97.326€ haben und wovon sollen die dann leben?
Falls irgendwer glaubt, das habe ich mir ausgedacht: exakt das ist das Parteiprogramm der CxU, der spd oder der “FDP” in Kurzform. Seit Jahrzehnten. Gerade jetzt sollte man darüber nachdenken, bei nächster Gelegenheit einen Grünen ins Kanzleramt zu wählen. Die deutsche Rüstungsindustrie muß auf Vordermann gebracht werden und keine Partei ist besser dafür geeignet als die ehemals Friedensbewegten.

Falls Kalle sich dann weiter aufregt, kommt er einfach präventiv mal in Haft und außerdem hören wir sein Smartphone ab und seinen Computer auch. „Die ganze Härte des Rechtsstaats” und so. Das ist doch bei solchen Leuten immer sehr beliebt und sollte der Kassandra-Partei weitere Stimmen einbringen.
Der Witz ist, daß all diese Dinge ohnehin passieren werden. Ob die Politik das aktiv betreibt oder nicht. Denn wenn es darum geht, auf die Physik oder Politik zu setzen, weiß ich auf jeden Fall, wer dieses Spiel gewinnen wird.
Nächstes Jahr wird jedenfalls erstmal Präsident Snow wieder ins Weiße Haus gewählt, was eine frische Runde im “War on Reality” bedeuten dürfte. Auf die dummen Gesichter meiner europäischen Politik-Helden freue ich mich schon jetzt. In diesem Sinne erhebe ich geistig den Glühwein und wünsche allerseits fucking Fröhliche Weihnachten.


Das Beitragsbild zeigt Obdachlose in ihren Behelfs-Zelten in London. Es stammt aus dieser Quelle
Photograph: Andy Rain/EPA

Brimborium und Firlefanz

»Die Aufgabe des Präsidenten besteht nicht darin, Macht auszuüben, sondern die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken.«
Douglas Adams

Mit Charles III. wird heute ein Mann zum König gekrönt, der selbst Milliardär ist, aber in Reden seinen Untertanen empfiehlt, doch mal ein bißchen ‘charity work’ zu machen. Für die Gesellschaft und so.
Natürlich nur für den unteren Pöbel, der nicht mindestens 200.000 Pfund netto pro Jahr reinschaufelt, ist ja klar.
Die mit den 200K sind zu sehr damit beschäftigt, ihren wirklich reichen Oberbossen zuzuarbeiten und die selbst haben natürlich keine Ahnung, dass die wahre Realität für so manchen Teilnehmer derselben aus Suppenküchen besteht und nicht aus Goldkutschen.

Falls das jemand britisch-zynisch findet: es ist derselbe Arschloch-Geist auf Flaschen, der hinter Vorschlägen wie „Sozialdienst” steckt, gerne geäußert von den sozial Schwachen, also vorwiegend Mitgliedern der „christlichen” Parteifront in Deutschland. Gerade erst hat wieder einer von diesen Typen vorgeschlagen, dass Zwangsarbeit zum Erhalt des Wohlstands der Goldkutschen-Passagiere demokratisch eine prima Idee sei. Darüber wird man doch wohl noch debattieren dürfen.
Exakt dieselbe Methodik verwendet der freiheitsliebende Nazipöbel im Parlament, der Lehrpersonal und Theatherbühnen im Namen der Meinungsfreiheit vorschreiben will, was sie wie zu unterrichten und darzustellen haben. Immer schön Dinge zur Debatte stellen, die so gar nicht zur Debatte stehen. Damit der Unterricht politisch neutral bleibt, ist klar. Oder die Armutsrente sicher. Alles geschieht nur zu unserer Sicherheit. Darüber muß man doch wohl debattieren dürfen.

Keiner dieser Politiker gleich welchen Geschlechts, die derartigen Mist vorschlagen, käme jemals in die Verlegenheit, einen solchen Dienst auch ableisten zu wollen. Oder gar zu müssen, weil der Gesetzgeber den gesellschaftlichen Liebesdienst per Zwang realisiert hat. Diese Typen schicken ihre mißratenen Blagen auch nicht auf öffentliche Schulen, die jetzt seit 30 Jahren von einer Generation amoklaufender Sozialpädagogik-Studenten nach der anderen kaputt reformiert werden.
Herr Linnemann schwadroniert auch von Menschen, die Geld vom Staat wollen und deshalb eine Bringschuld hätten, während er selbst als überbezahlter Sesselfurzer im Politbüro hockt, statt echter Arbeit nachzugehen.
Dabei hat der Staat überhaupt kein Geld. Hatte er nie, darum hat schon Babylon Steuerunterlagen gehabt. Bei Unternehmen hingegen wird nicht von Bringschuld geredet, da werden Steuern gesenkt. Exakt diese Zuarbeiter der wirklich Reichen meine ich im ersten Absatz. Continue reading →

Zwanzigzweivierdreiundzwanzig

Deutschland, 31. Dezember 2022

Der Typ vor mir legt aus etwa 2,15m Höhe ein halbes Dutzend Corona-Schnelltests auf das Kassenband des Drogeriemarkts. Maske trägt er, im Gegensatz zu mir, keine.
Offensichtlich haben wir andere Prioritäten zur Vermeidung weiterer oder erstmaliger Infektionen. Ich habe einfach kein halbes Dutzend Leute im Haus am Silvesterabend. Aber irgendwie ist das alles sehr symbolisch für das ablaufende Jahr, wie ich finde.
Ich weiß z. B. gar nicht, warum ich überhaupt einkaufe. In meiner Bude kann ich vermutlich vier Wochen überleben, ohne daß ich vor die Tür müßte. Einschließlich Körperpflege. Jedenfalls, solange Strom und Wasser weiter zuverlässig funktionieren. Im ersteren Falle würde letzteres ausfallen, aber verhungern würde ich dann immer noch nicht. Wie? Was?
Ja natürlich fällt ihre Wasserversorgung ohne Strom aus, was dachten Sie denn?
Die geschätzt achthundert Milliarden Wasserpumpen in diesem Land laufen nicht mit magischen Hamstern, sondern Elektronen aus der Leitung. Falls Sie in einer Kommune leben sollten, deren Frischwassersystem mit simpler Gravitation angetrieben wird: Glückwunsch. Und nicht vergessen, den tapferen Kanalarbeitern gelegentlich mal einen Obulus rüberzureichen für die Drecksarbeit der Instandhaltung.

Also…wo war ich? Ach, Einkaufen. Eigentlich wollte ich nur eine Runde mit dem Rad drehen, weil es so unfassbar geiles Wetter ist. Kassandras Umfeld erwärmt sich am heutigen Tage auf bis zu 16°C und da Temperatur physikalisch ja nichts anderes ist als ein Maßstab für die Bewegungsfreudigkeit von Molekülen im Moshpit, lag der Gedanke an ein kurzes Ründchen Frischluft durchaus nahe.
Vor zwei Wochen war das unmöglich, da sogar hier, in dieser eher milden Gegend, alles erstens vereist und zweitens nicht geräumt war. Also, aus Radfahrersicht. Natürlich kann man auf der örtlichen Landstraße, die zur Autobahn führt, auch mit dem Rad fahren. Wenn man sehr depressiv ist und so recht keine Lust mehr hat, beispielsweise.
Ich persönlich hätte gerne auf der rechten Seite einfach einen ebenso breiten Radweg wie auf der anderen, denn alleine dieser Platzverlust würde dafür sorgen, daß die einheimischen Dosenschubser nicht mit 110 statt der erlaubten 70 km/h an mir vorbeibrettern. Wobei das im Falle eines Treffers natürlich völlig egal ist. Tot ist man dann auf dem Rad so oder so.
Jedenfalls ist dieser Radweg ein Kreisradweg. Denn die Stadt hintendran ist kreisfrei. Hier fühlt sich niemand zuständig. Und es ist keine Autostraße. Also wird hier nicht geräumt oder gestreut oder jemand erschossen, weil er das nicht gemacht hat. Im Gegensatz zu ihrem Bürgersteig, sollte sich der Postbote da mal ein Bein brechen.
Etwa 100% aller Kommunen Deutschlands würden für die Nichtbeachtung ihrer Verkehrssicherungspflicht eigentlich in den Knast wandern müssen oder zumindest mit hohen Bußgeldern rechnen, wären sie Privatpersonen in eben diesen Kommunen.
Aber da stellt man besser mal ein paar Schilder auf, die besagen:
»Fuck you, Bürger! Was für dich gilt, muß für uns noch lange nicht gelten! Brich dir den Hals auf eigene Verantwortung! – Unterschrift: Oberhäuptling der Gemeinde.«
Das ist wie diese Sache mit den Kameras, die uns alle vor irgendwas beschützen sollen. Außer vor den Typen, die ständig überall neue Kameras aufstellen wollen. Polizei oder Feuerwehr oder so müßte man ja bezahlen. Oder Räumdienste.

Heute aber ist das anders. Ich lege die Jacke ab und wickle sie mir ums Kreuz. T-Shirt und Schal am 31. Dezember erweisen sich als exakt richtige Kleidung, während die Sonne meine lustigen Mitbürger beleuchtet, die gerade wagenweise Sprengstoff und Alkoholika aus dem Supermarkt nebenan karren, Inflation be damned.
Aber ich mußte ja unbedingt noch was Einkaufen. Man kann generell klug sein, aber trotzdem manchmal vereinzelt eher blödsinnige Entscheidungen treffen. Ein Mechanismus, der, vom Individuum auf die Spezies hochgerechnet, beim Untergang unserer Zivilisation nicht außer acht gelassen werden sollte.
Auf dem Weg nach Hause treffe ich auf eine Bande zukünftiger russischer Kleinkrimineller. Im Wortsinne, denn der älteste Zündler ist vermutlich etwa acht Jahre alt und hantiert mit genug Sprengstoff, um ein Loch bis zum Erdkern zu erzeugen. Ich beschleunige etwas, falls die Banditen sich gleich selbst entleiben. Immerhin könnten sie dann keine Nachkommen zeugen, denke ich, zufrieden darüber, daß Intelligenz zwar kein Evolutionskriterium ist, aber manchmal doch hilfreich zu sein scheint.

Am letzten Tag dieses endlich vergehenden Jahres stirbt auch noch Bendedikt XVI., der erste Deutsche auf dem Papstthron seit 1.000 Jahren und auch der erste Papst seit ca. 1623, der freiwillig auf dieses Amt verzichtet hat. Typisch Bayer, immer eine extra Weißwurst auflegen.
Ich habe keine Ahnung, wohin tote Päpste oder tote Jahre so gehen, aber wenn es eine Hölle gibt, hoffe ich zumindest für dieses Jahr inständig, daß es dort landet und sich zur Strafe seinen eigenen Rückblick anschauen muß. In Endlosschleife. Moderiert von Dieter Nuhr und Benedikt.
Ich habe auch keine Ahnung, wie Ex-Päpste eigentlich begraben werden, die vorher zurücktreten. Aber da bin ich in guter Gesellschaft mit dem Hofstaat des Vatikan, die wissen das vermutlich auch nicht. Deshalb schlagen sie es vermutlich gerade nach. Vor meinem gesitigen Auge erscheint Tom Hanks in seiner Rolle als Robert Langdon und wälzt staubige Pergamente in der geheimen Bibliothek des Vatikan. Es wird sich schon ein Ritual finden. Continue reading →

Schach dem Zaren

„Nur Nixon konnte nach China gehen.” – vulkanisches Sprichwort

Schon 2014 sagte ich in Gesprächen gerne folgenden Satz: »Was Putin tut, ergibt nur dann Sinn, wenn er da nicht aufhört.«

Gemeint war die Annexion der Krim durch russische – Pardon, auf keinen Fall russische! – Truppenteile – Pardon, zufällig Uniform tragende, nicht zu identifizierende Zivilisten, natürlich.
Es war natürlich auch keinesfalls eine Annexion, schließlich haben die Bewohner der Ukraine über den Anschluß Öster… der Krim an Rußland abgestimmt. Also, hinterher. Etwas, das unsere atomar bewaffneten westlichen Nachbarn ein fait accompli nennen und wir vollendete Tatsachen.
Es ist immer schön, in einer freiheitlichen Atmosphäre in Wahllokalen abzustimmen, die von freundlichen Fachkräften mit automatischen Waffen bewacht werden, damit alles sicher abläuft. Der Treppenwitz an der Geschichte ist, daß die ukrainische Verfassung tatsächlich für das Autonome Gebiet Krim eine Möglichkeit vorsieht, aus dem Staatsverband auszuscheren. Per Abstimmung nämlich. Allerdings einer Abstimmung in der gesamten Ukraine.
Die Frage wäre also nicht gewesen: »Wolle mer se reinlasse?« sondern »Wolle mer se rauslasse?«

In der klaren Methodik des Schachspielers, ein Hobby, das Wladimir Putin nach Gerüchten durchaus auf hohem Niveau beherrscht, entschloß sich der damalige Präsident und heutige Diktator aller Russen, das Risiko einer fehlerhaften Abstimmung maximal zu minimieren.
Man läßt einfach nur die Leute abstimmen, von denen man ziemlich genau weiß, was sie sagen werden. Friedrich Merz kennt das, wenn er immer wieder fordert, daß doch bitte die Mitglieder der CDU darüber abstimmen sollten, welcher Friedrich Merz jetzt Parteivorsitzender wird. So sorgt man für maximal unüberraschende Ergebnisse, die einem gut gefallen. Putin nennt diese Methode in Rußland „gelenkte Demokratie”.
Die CxU in Deutschland nennt das Wahlen und klaren Wählerauftrag. Oder kommunistischen Umsturz, wenn sie die einmal verlieren sollte und wieder so’n SPD-Typ regieren muß.

Wladimir Putin beherrscht jetzt seit mehr als zwanzig Jahren das, was von der Sowjetunion noch übrig ist. Wobei auch dieses Gebilde niemals existiert hat. Es gab vielleicht durchaus einmal Sowjets, aber niemals eine Union. Einer Union tritt man üblicherweise auf freiwilliger Basis bei, möglicherweise aus politischen oder strategischen Erwägungen, aber irgendwo auch aus einem Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Union der Bundesstaaten der heutigen USA wären hierfür ein gewachsenes Beispiel. Die EU und ihre Staaten ein konstruiertes. Die Sowjetunion ist ein Beispiel für schlichten Zwang. Weder der Verlauf der finnisch-russischen Grenze noch der Beitritt der baltischen Republiken in den 1940er Jahren ergaben sich aus einem Akt demokratischer Freiwilligkeit. Continue reading →

Das alte Leben ist vorbei

„Da gibt es Jahrzehnte, in denen
nichts passiert.
Und dann gibt es Wochen, in denen geschehen Jahrzehnte.”
nicht von Lenin

Die ganzen Spinner hatten recht. Die Klimadaten des IPCC, erneut vorgelegt in diesem Monat in ihrem insgesamt sechsten Bericht, werden tatsächlich manipuliert. Dummerweise haben die Spinner mit ihrer Behauptung unrecht, daß hier wieder einmal nur „Klimahysterie” geschürt werden soll.
Hysterisch sind nur die ganzen antiwissenschaftlichen Grundschulverweigerer, die noch immer nicht an schlichte physikalische Fakten glauben wollen. Also Armin Laschet etwa, dieser Vorgartenzwerg mit Gottkomplex, der allen Ernstes Kanzler werden möchte im nächsten Monat.
Die IPCC-Berichte der letzten Jahrzehnte leiden unter exakt dem Manko, das ich ihnen schon längere Zeit unterstellte: Sie sind zu verharmlosend.
Zu sehr gemittelt. Zu versöhnlich formuliert. Auch aus den daran beteiligten Wissenschaften waren in den letzten Jahren ähnliche Kritikpunkte zu vernehmen. Im Rahmen einer „präsentablen Lösung” werde die Gesamtlage aufgehübscht dargestellt, so hieß es. In diesem Zusammenhang muß man sich die Frage stellen, inwiefern die zögerliche Berichterstattung hier zu den aktuellen Umständen beigetragen hat.

In den letzten Wochen ist die Westküste Nordamerikas bei 50°C gut durchgebraten worden. Steak American statt Englisch.
Das war, bevor die ganze Hütte wieder in Flammen aufging. In Kalifornien ist das “Dixie Fire” derzeit das drittgrößte zweitgrößte Feuer, das der Bundesstaat jemals gesehen hat. Es brennt schon einen Monat.
In der Türkei fackeln die Urlaubsgebiete ab, das ist für den Deutschen natürlich immer besonders schrecklich. Man stelle sich vor, der Deutsche kann bei gemütlichen 46°C nicht mehr in Griechenland Urlaub machen. Da brennt gerade die Insel Euböa weg, nachdem man Athen nur knapp hat retten können. Der griechische Premier ließ sich zu dem Satz hinreißen, daß es »offensichtlich ist, daß der Klimawandel an die Tür des Planeten klopft.«
Das ist natürlich Unsinn. Kann sich noch jemand an den Finanzwandel von 2008 erinnern? Eben.
Die Klimakrise, oder genauer, die Klimazerstörung, die als solche verkauft wird, klopft an keine Tür. Sie kann jederzeit reinkommen und im Flur den Hutständer bewundern, denn der Planet gehört ihr.

Die Frage, die den deutschen Terrouristen umtreibt: Bei welchem Reiseunternehmen sollte man sich über solche Umstände beklagen, wenn man wieder zu Hause ist?  Denn da ist es ja bekanntlich am Schönsten.
Zuhause kriegen dann 30 Millionen Deutsche sofort Schaum vor dem Mund, wenn jemand nüchtern darauf hinweist, daß es kein geschütztes Grundrecht gibt auf Wurst für den Weber-Grill, die 99 Cent pro Kilo kostet. Oder einen Flug nach Malle für 19fuffzich bis in alle Ewigkeit, Amen.
Auch das nicht alle anderen sich zwingend ebenso verhalten müssen, sorgt beim deutschen Homo Grillator dann oft für Unmut. Fast wünschte er sich dann vermutlich, er wäre in Griechenland geblieben. Da hätte man sich zum Grillen nur an den Waldrand stellen müssen.
Daß es nicht zwingend sinnvoll ist, tonnenweise Hormonfleisch in Turboställen zu züchten oder auf ehemaligem Regenwaldboden, scheint sich noch nicht überall rumgesprochen zu haben. Auch das Beregnen solcherlei Getiers mit den letzten Antibiotika, die noch etwas gegen MRSA bringen, ist streng wissenschaftlich betrachtet nichts weiter als ein Terroranschlag. Die Bombe explodiert nur eben langsam und die Politik hat sie selber gelegt.
Rinder und Schweine wie Maschinenteile zu produzieren, um sie dann just-in-time zu wässrigem Tönnies-Hack zu verarbeiten, ist vermutlich die etwa zweitdümmste Idee seit der Erfindung des Verbrennungsmotors.
Auch wenn das noch immer unbesteuerte Kerosin womöglich teurer werden soll, ist man gerne mit Empörung dabei. Dabei ist es doch zu Hause am Schönsten, warum also wollen alle ständig irgendwohin fliegen?
Neulich hörte ich jemanden neben mir allen Ernstes sagen: „Ich muß raus, ich war ein Jahr nicht im Urlaub.”
Wohin ist „raus”, wenn man die eigene Engstirnigkeit immer mitnimmt? Sich selbst kann man nicht entkommen und in der Bettenburg in Marbella guckt dich dasselbe blöde Schafsgesicht aus dem Spiegel an wie zu Hause auch. Fahrt doch einfach nach Rügen, ihr Idioten. Mit dem Zug.

Einwürfe der Sorte, das müsse alles so sein – und vor allem bleiben –  da sich sonst der arme Mindestlöhner kein Fleisch mehr leisten kann, kommen immer von den Parteien, die exakt dafür gesorgt haben, daß es Mindestlohn überhaupt gibt und auch dafür, daß er für nichts Vernünftiges reicht.
Es ist wahrlich herzergreifend, wie sich in den letzten Wochen exakt die ganzen Menschenverächter der FDP und der CxU schützend vor die angeblich „sozial Schwachen” stellten, die fünfzehn Monate dafür brauchten, eben diesen Menschen mal ein paar FFP2-Masken zu bezahlen, die man sich vom Hartz-IV-Satz vielleicht nicht wirklich leisten kann.
Ich rate jedem, einmal die Augen zu schließen, wenn Armin Laschet seine nächste sozial kaschierte Rede hält. Ganz besonders, falls sie schulpflichtige Kinder haben. Wenn sie genau hinhören, können sie dann die Luftfilter im Düsseldorfer Landtag summen hören. Continue reading →

Die Banalität des Blöden

Hätte ich im Januar vorhergesagt, daß die Besten der Besten der Besten in Deutschlands Regierungsclique eine Taskforce leiten würden, die nur elf Monate nach der Zulassung des ersten Schnelltests für SARS-CoV-2 mal zusehen soll, ob man davon auch welche einkaufen kann, niemand hätte mir das geglaubt.
Hätte ich in meinem gern als Stilmittel genutzten Sarkasmus gesagt, daß dieses dynamische Duo aus Jens Spahn und Andi Scheuer bestehen würde, hätte mir das ebenfalls niemand geglaubt und es vor allem auch als völlig absurde Zukunftsentwicklung bezeichnet.
Warum nicht Nitro und Glycerin? Satan und Cthulhu? Pest und Cholera? All diese Möglichkeiten hätten sehr viel weniger Schadenspotential beinhaltet.

Das ist ein Problem der Zukunft, das ich vor langer Zeit, zu Beginn dieses Blogs einmal erwähnte. Manchmal nimmt sie chaotische Formen an, die letztlich nicht mehr vorhersagbar sind. Vorhersehbar auch nicht. Das große Muster bleibt davon unbeeinträchtigt, aber diese spezielle Zwischenphase ist in ihrer jeweiligen genauen Ausprägung etwas, das sich dem Zugriff der Psychohistorik entzieht.
So wie in Isaac Asimovs Foundation-Romanzyklus einige Jahrhunderte nach dem Beginn des Großen Plans ein Zufallsfaktor auftritt, der von mathematischen Funktionen nicht erfaßt werden konnte, kann dieses Ereignis auch in der Realität auftreten.
Üblicherweise ist es ein Ereignis, ein Dingsbums. Sehr viel seltener ist es eine einzelne Person. Im Roman nimmt die Störung der Zukunftsgleichungen exakt diese Form an. Eine Einzelperson, ein Mutant mit speziellen psionischen Fähigkeiten, tritt hier als irregulärer Faktor auf, der droht, den Tausendjahresplan mit seinem Wirken völlig scheitern zu lassen.

In den allermeisten Fällen wird das gesamte Gebilde aus Gleichungen, Wahrscheinlichkeiten und nichtlinearen Funktionen, die wir gemeinhin als „Zukunft” bezeichnen, durch solche Dinge oder Personen nicht dauerhaft gestört.
Störung bedeutet hier, der gesamten Geschichte einen deutlich anderen als den vorher projizierten Verlauf zu geben. Anders bedeutet, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten, denn diese Kategorien entspringen menschlicher Wertung.
Derartige Einflußnahme durch Einzelne ist natürlich trotzdem möglich. Der Mann, der George Washington nicht erschoß, hat mit Sicherheit den Verlauf des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges verändert. Das ändert nichts daran, daß man rein historisch nicht bewundernd vor dem Sieg der Amerikaner stehen sollte, sondern sich die Frage stellen muß, wie die überhaupt gewinnen konnten. Es gibt es noch mindestens ein Dutzend weiterer Stellen im Gewebe der Geschichte, an denen diese peinliche Revolte hätte scheitern können. Oder müssen. Alleine schon, daß es überhaupt dazu kam, war lediglich der Unfähigkeit einer größeren Gruppe geschuldet, nämlich der Regierung des Britischen Empire.
Insgesamt aber ist eine Unabhängigkeit Amerikas vom englischen Mutterland in der Geschichte nicht verwunderlich. Sie wäre so oder so eingetreten. Womöglich ein Jahrhundert später, dann wäre der Bürgerkrieg zum Krieg gegen die Briten geworden. Oder es hätte keinen der beiden Kriege gegeben. Aber die USA existierten heute trotzdem. Wobei sich aus den eben genannten Annahmen natürlich weitere – und durchaus interessante – Konsequenzen ergäben.
Der Fluß der Geschichte in die Zukunft ist kein einzelner, beständiger Strom. Er sieht mehr aus wie das Amazonasgebiet. Unzählige Dinge sind miteinander verbunden und bilden ein System gegenseitiger Abhängigkeiten und Beeinflussungen.
Der Hauptstrom dieses Systems mag manchmal über seine Ufer treten und dabei ein paar Häuser am Ufer mitreißen. Gelegentlich verwandelt sich ein Nebenfluß in ein Rinnsal. Aber er wird nur sehr, sehr selten sein Bett wechseln und völlig woanders lang fließen oder sich in den Untergrund verschieben. Dazu bedarf es großer Erschütterungen und Verschiebungen. Der Einzelne, das unsere Gesellschaft so wichtige Individuum, ist also für den Gesamtverlauf der Zukunft eher unwichtig, weswegen eine persönliche Zukunft sich in der Kristallkugel der Psychohistorik auch nicht scharf darstellen läßt. Continue reading →

Prost!

»Ich nehme das mal als schlechtes Omen für 2021, wenn Kassandra keine Jahresvorhersage mehr ausgibt… 😀

*zitternd ab*«

»Vielleicht ist die Glaskugel ein wenig beschlagen?«

Nein. Nein, eigentlich nicht. Aber wenn ich DAS im Jahresvorausguck erzählt hätte, hätte ich mich ja nur mal wiederholt. Ist ja nicht so, daß ich das schon gesagt hätte. Aber ich habe es gesagt.

Da hätten wieder alle kommentiert: „Na, jetzt übertreibt er wieder…”
Das Schlimme ist, daß die Zukunft eigentlich immer unnebliger wird und trotzdem keiner hinsieht.  Dann gibt es da noch mich. Die 2020er sehen für Kassandra immer mehr aus wie eine Explosion im Zugunglück. Überall liegen Körperteile rum. Da hinten brennt die Chemiefabrik. Der geplatzte letzte Waggon da auf den Gleisen hatte kaputte Brennelemente geladen. Aber man kann nicht weggucken.

In diesem Sinne: Ein frohes Neues Jahr.

Mourning in America

“I don’t take responsibility at all!”
Donald Trump

4. November 2020

Nachmittag mitteleuropäischer Zeit. Die Wahlen in den USA sind vorbei. Seit den frühen Morgenstunden twittert sich Donald “Der Auferstandene” Trump in Großbuchstaben endgültig um Kopf und Kragen, aber es hilft wenig. Die Anzahl seiner Follower ist alleine in den letzten Stunden um 30 Millionen gefallen, Twitter kommt mit der Sperrung der abgewählt-präsidialen Tweets wegen völliger Realitätsverfehlung gar nicht mehr nach.
In der Wahlnacht verlor Biden Florida und schon in diesem Moment ließ sich Trump als Wahlsieger feiern. Dummerweise verlor Trump danach so ziemlich alles, was er vor vier Jahren einer Hillary Clinton mit eher marginalen Vorsprüngen abgenommen hatte. Ein Fakt, der gerne übersehen wurde in den letzten Jahren, besonders von den Demokraten.
Und es war von vornherein klar, daß Biden ohne Florida Präsident werden kann, Donald aber nicht. Biden gewann die Großen Seen, Pennsylvania ging ebenfalls an Grandpa Joe, und das mit einem höheren Vorsprung als Trump jemals in dem Bundesstaat gehabt hatte.
Offenbar hatte niemand dem Präsidenten verraten, wie knapp seine Zahlen bei der letzten Wahl eigentlich waren. Aber wen wundert es? In der Welt von Donald Trump waren auch bei seiner Inauguration mehr Menschen, als die USA Einwohner haben. Er hat dagegen geklagt, daß Ms Clinton insgesamt mehr Stimmen bekommen hat. Denn diesen Teil der Wahl hatte Hillary vor vier Jahren für sich entschieden. Nur wird eben nicht immer derjenige Präsident, der auch mehr Stimmen im “popular vote” erzielt.

Während Trump auf Twitter noch so tut, als sei er weiterhin Präsident der USA, werden aus ersten Gegenden Aufmärsche der Neonazi-Redneck-Idioten gemeldet, die Trump in seinem Wahlkampf zwar nie kannte, die er aber trotzdem immer wieder für prima Leute hielt und dazu aufforderte, ihre Freiheit zurückzuholen.
In Michigan riegelt die Nationalgarde alle Regierungsgebäude ab, es gibt erste Schießereien mit Corona-Gegnern und Trumpisten, die das dortige Capitol stürmen wollen. In Philadelphia gibt es ähnliche Szenen.
Europa ist in einer Art abwartender Schockstarre, wie eigentlich schon seit vier Jahren. Noch immer wollen die Regierungen Westeuropas nicht einsehen, daß die USA weder unsere Freunde noch Verbündeten sind, sondern einfach ein Haufen imperialistischer Irrer mit zu vielen Waffen und zu wenig Hirn.
Die polnische, tschechische und ungarische Regierung haben Trump bereits in der Nacht zum Wahlsieg gratuliert, den es aber gar nicht gibt. Chinas Auslandsstimme hat Biden gratuliert, was Trump mit einer Art Twitter-Blutsturz beantwortet hat.
Aus Rußland hört man bis dato nichts. Vermutlich hat Vlad Putin einfach noch nicht aufgehört zu lachen und konnte deshalb keinen Text für den Botschafter diktieren.

Trumps Anwälte haben gegen das Ergebnis aus Pennsylvania bereits Beschwerde beim Supreme Court eingelegt, die Wahlleute des Bundesstaates sollen „aufgrund von Unregelmäßigkeiten” bei der Auszählung für ungültig erklärt werden. Der demokratische Gouverneur des Landes hat bereits erklärt, daß er das keinesfalls tun werde, völlig unabhängig davon, wie der Supreme Court entscheiden wird, da er die Legitimität des Gerichts anzweifelt.
Aus Texas kommen immer mehr Meldungen, die auf massiven Wahlbetrug hindeuten. Und zwar durch die Republikaner. Der Bundesstaat hing lange in der Schwebe, was angesichts der Tatsache, daß Texas seit 44 Jahren republikanische Präsidenten wählt, um so erstaunlicher war. Dann wurde er rot und blieb es auch. Aktuell patroilliert dort die Nationalgarde durch die Straßen. Wegen der Proteste gegen die Wahl, die diesmal allerdings nicht von Anwälten, sondern vor allem mexikanischstämmigen Gruppen vorgetragen werden. Man könnte so sagen, sie sind nicht erbaut über die Meldungen, was mit ihren Stimmen passiert ist.

Auch die Demokraten haben den Supreme Court angerufen. Sie wollen Florida für ungültig erklären lassen bzw. eine Nachzählung angeordnet wissen. Denn dieser Bundestaat war erst lange blau gewesen. Dann aber kippten die Stimmen auf Trumps Seite. Ein “red shift” statt eines “blue shift”, den viele Wahlexperten vorhergesehen hatten.
Die Erklärung dafür ist simpel: da Donald Trump immer wieder erzählt hatte, bei den Briefwahlen gäbe es wahnsinnig viel Wahlbetrug, hatten ihm ziemlich viele Amerikaner den Mittelfinger gezeigt und einfach schon vor dem Wahltermin abgestimmt. Ausgerechnet Florida hat für den “early vote in person” recht großzügige Zeitfenster. Schon eine Woche vor der Wahl hatten in vielen umkämpften Staaten fast so viele US-Bürger ihre Stimme abgegeben, wie vier Jahre zuvor in der ganzen Wahl, einschließlich Wahltag selbst. Die meisten dieser Wähler waren Demokraten.
Die republikanischen Wähler hingegen, das war auch im Vorfeld klar, würden eher traditionell abstimmen, also am Wahltag. Ihre Stimmen würden zuerst registriert werden, der entsprechende Bundesstaat also rot auf der Wahlkarte erscheinen. Dann erst würden die Briefwahlstimmen hinzukommen und manchen Staat ins Blaue kippen lassen. Blue Shift.
Schon vor dem Wahltermin machten die Wähler dieser Hypothese den Garaus. Der einzige Bundesstaat, in dem es dazu kam, war Ohio. Lange Zeit rot, wenn auch mit nur knappem Vorsprung, wird auch dieses Bundesland an Joe Biden gehen, wie es aussieht. Aber auch so ist längst klar, daß Trump raus ist. Arizona ist weg. Sogar Iowa könnte blau bleiben, obwohl er hier langsam aufholt.

Aber es ist vorbei. Donald Trump ist ein Ein-Amtszeiten-Präsident. Auch sein Nachfolger, Old Man Joe, wird nur eine Amtszeit bekommen. Jedenfalls dann, wenn es noch ein paar restliche Hirnzellen in der US-Politik gibt. Damit haben die USA das erste Mal seit mindestens dem 19. Jahrhundert zwei Männer ins Präsidentenamt gewählt, die nur eine Amtszeit im Weißen Haus sitzen werden. Weiter habe ich nicht zurückgeblättert.
Kennedy vor Johnson zählt nicht, der wurde erschossen. Wo waren die Präsidentenmörder eigentlich die letzten vier Jahre, als man mal einen gebraucht hätte?
Ford und Carter zählen auch nicht. Denn Gerald Ford war weder gewählter Präsident, noch war er bei der Wiederwahl Nixons der Vizekandidat. Der trat später zurück, und Ford war der Ersatzmann. Das dann gleich doppelt, denn etwas später mußte Richie seinen Präsidentensessel räumen, wegen dieser Watergate-Abhöraffäre. Continue reading →

Eine Kultur der Gewalt

– II –
Der Hiroshima-Moment

“Any intelligent fool can make things bigger, more complex, and more violent. It takes a touch of genius – and a lot of courage – to move in the opposite direction.”
E. F. Schumacher

Um 11:02 Ortszeit am heutigen Tag vor 75 Jahren leuchtet ein Blitz über einer japanischen Stadt namens Nagasaki auf. Die gigantische Explosion tötet unmittelbar etwa 22.000 Menschen. Zehntausende sterben in weiteren Wochen und Jahren danach. An ihren Verletzungen. An einer Krankheit, die bis dahin niemand gesehen hatte.
Nur drei Tage zuvor, um 08:15 Ortszeit, hatte bereits eine weitere japanische Stadt dasselbe Schicksal erlitten. In Hiroshima sterben 80.000 Menschen sofort. Die aufsteigende Pilzwolke, von einem Besatzungsmitglied des B-29-Bombers “Enola Gay” aus dem abdrehenden Flugzeug gefilmt, sollte zum Symbol eines neuen Zeitalters der Vernichtung werden.

Es waren nicht die höchsten Opferzahlen nach einem Bombenangriff. Bereits am 10. März 1945 hatten US-Bomber mit Brandbomben eine Fläche im Stadtgebiet von Tokyo belegt, in dem etwa 1,2 Millionen Menschen lebten. Nachdem die sogenannten Pfadfinder das Angriffsziel mit Napalmabwürfen markiert hatten, wurden über 1.500 Tonnen Brandbomben über der Hauptstadt abgeladen, die zur damaligen Zeit noch in der traditionellen Bauweise vorwiegend aus Holz und Papier bestand. Die Bilanz des Angriffs bezifferte sich nach japanischen Angaben auf etwa 84.000 Tote, über 40.000 Verwundete und mehr als eine Million Menschen ohne Obdach. Über eine Viertelmillion Gebäude wurden zerstört. Spätere Schätzungen gehen von bis zu 185.000 Toten aus. Doch die Bomber, die diese Hölle säten, brauchten über drei Stunden, bis sie alle von ihrer Pazifikinsel gestartet waren. Es waren hunderte.
An dem Tag, an dem Hiroshima getötet wurde, dürfte nur sehr wenigen Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit das Gleißen der Sonne auf der Hülle des einsamen Bombers aufgefallen sein, der seinen Weg über die Innenstadt nahm. Tatsächlich war die “Enola Gay” mit ihren Begleitern der Luftüberwachung Japans sehr wohl aufgefallen.
Da man aber erkannte, daß es sich nur um einen Verband aus drei Maschinen handelte, starteten keine Abfangjäger. Die US Air Force flog zu diesem Zeitpunkt längst routinemäßig Aufklärungseinsätze und die kaiserliche Luftwaffe hatte nicht mehr die Ressourcen, um solche Missionen anzugreifen. Daher wurde kein Alarm ausgelöst, die Bevölkerung wurde nicht gewarnt.

Ein einziges Flugzeug. Eine Bombe. Eine vernichtete Stadt. Eine Todeszone auf Jahre hinaus. Die Kultur der Gewalt hatte einen weiteren Höhepunkt ihres Schaffens erreicht. Niemals zuvor war der Beweis einer wissenschaftlichen Hypothese derartig direkt in Zerstörung umgewandelt worden. Ein geradezu leuchtendes Beispiel einer über Jahrhunderte verfeinerten Effizienz des Tötens. Continue reading →

Eine Kultur der Gewalt

– I –
Spieglein, Spieglein

„Wenn du in die Fleischtheke starrst, starrt die Fleischtheke auch in dich. Da machste nix dran.”
F. W. Nietzsche, Metzgermeister

Ich stehe vor dem Fleisch und vergleiche Preise. Nach einigen Minuten komme ich zum selben Schluß, der sich mir schon mehrfach aufgedrängt hat. Es gibt genau zwei Kategorien von Fleisch. Die eine kann ich mir leisten. Die andere nicht. Was nicht bedeutet, daß ich vierzehn Mücken für ein Kilo Schinken unbedingt als billig empfinde. In der ersten Kategorie sehe ich mindestens drei Markennamen, die zur Großschlachterei Tönnies gehören.
Dem Mann, dessen Ausbeutungsmethoden gerade erst unrühmlich durch die Presse gereicht werden und in den politischen Lagern überall hektischen Aktionismus auslösen. Als hätte Tönnies nicht schon geschlachtet, als NRW noch von der ehemaligen SPD regiert wurde, im Verbund mit den Grünen.
Gerade erst hat Armin Laschet, die CDU-Sockenpuppe, die das Bundesland derzeit regiert, großspurig verkündet, daß ab sofort sämtliche ordnungsbehördlichen Regeln für den Großschlächter und seine Betriebe gelten sollen. Unmittelbar fragt sich der noch nicht ganz bewußtlose Leser, was denn bisher für Regelungen galten und was Laschet unter der vorher erwähnten „Kooperation” versteht. Vermutlich ein Versprecher.

Natürlich könnte ich auf eine der anderen Sorten ausweichen. Keine von ihnen fällt unter „ganz billig”. Dummerweise weiß ich, daß dahinter im Zweifel nicht jemand wie Corona-Tönnies steckt, sondern ein Betrieb wie Westfleisch. Auch hier werden Billigsklaven aus Osteuropa in gammeligen Jugendherbergszimmern zusammengepfercht und morgens in die Fabriken gekarrt. Es gibt keinen Unterschied zwischen Sklaven auf Baumwollfeldern vor 200 Jahren und diesen Menschen. Sie sind halt nur nicht schwarz, ihr Arbeitsplatz ist kälter und sie werden bezahlt, wenn auch eher alibimäßig.
Daher der hektische Aktionismus der Politik. Denn Ausbeuter wie Tönnies haben das System aus „Werksverträgen” und billigster Drecksarbeit nicht erschaffen, das gerade lautstark von allen als unmoralisch beweint wird. Sie haben es von der Politik auf dem Silbertablett serviert bekommen und nutzen es aus. Erstaunlicherweise hat Gerhard Schröder, die Stimme Moskaus, zu diesem Komplex noch keine Kritik in irgendeine Kamera geschwafelt. Vielleicht haben die Medien endlich aufgehört, den Mann zu fragen.

Vor 200 Jahren trieb die Tuchindustrie in England die sich maschinisierende industrielle Revolution voran. Dieses englische Tuch basierte auf den gebeugten Rücken von Sklaven, die von weißen Aufsehern ausgepeitscht wurden. Das Verbot von Sklaverei durch das Britische Empire änderte daran nichts. Dieses Verbot kam auch nicht aus ethischen Gründen zustande. Es wurde erlassen, weil die neuen Maschinen mit den alten Sklaven konkurrieren mußten. Während indische Baumwolle die amerikanische ablöste, erschufen die Herren der Maschinen eine neue Klasse von Sklaven: den Industriearbeiter. 16 Stunden täglich, gerne auch mit einem Alter im einstelligen Bereich, mußten Maschinen gewartet, repariert und geschmiert, mußten Fäden zusammengeknotet werden. Menschen, die vorher auf dem Land im Rhythmus von Jahreszeiten und Tagesstunden mit und ohne Licht gelebt hatten, wurden dem gnadenlosen Diktat der Maschinenzivilisation unterworfen. Die Stechuhr, der Zeitplan, der Sekundentakt, das Heulen von Fabriksirenen. Ein Film wie „Metropolis” von Fritz Lang, 1927 erschienen, war im Grunde gar keine Science Fiction. Er war ein Blick in die Geschichte. Mehr eine Dokumentation statt einer Fiktion. Continue reading →