Standortbestimmung

»It pays to keep an open mind, but not so open your brains fall out.«

Carl Sagan

Ich liege auf einer Wiese. Um mich herum sind einige Dutzend andere Menschen, nicht weit entfernt.
Die Kinder der beherrschenden Art unseres Planeten sind ebenfalls nicht weit entfernt, man kann es deutlich hören. Die Zahl menschlicher Lebensformen auf der Erde hat die acht Milliarden inzwischen überschritten. Wenn wir noch einige Jahre so weitermachen, wird es bald dreimal so viele Menschen auf der Erde geben wie zum Zeitpunkt meiner Geburt.

Allerdings ist diese Zahl eigentlich nicht besonders beeindruckend, wie mein Gehirn einen Moment später hinter meinen geschlossenen Augen feststellt. Immerhin wimmeln hier ziemlich viele Insekten zwischen den Blumen hin und her, die Ameisen gibt’s da natürlich auch noch und was ist eigentlich mit dem ganzen Gewimmel im Boden, das ich ohne Mikroskop ohnehin nicht erkennen kann ?
Na schön, die sind alle natürlich viel kleiner als so ein menschlicher Körper, das verschafft ihnen irgendwie einen Vorteil, den ganzen kleinen Biestern. Aber dieses Leben ist da, ohne Zweifel.

Noch Ende der 60er Jahre wurde der Antrag einer Biologin auf Forschungsgelder in den USA mit den Worten abgelehnt:
„Ihre Forschung ist Scheiße. Reichen Sie nie wieder einen Antrag ein.”
Das war über drei Jahrhunderte, nachdem ein cleverer Holländer namens Antoni van Leeuwenhoek das erste Lichtmikroskop entwickelt hatte. In den Jahren danach durchleuchtete der gelernte Tuchhändler damit wortwörtlich die Welt, entdeckte die Mikroorganismen, die Spermatozoen, die Blutkörperchen – parallel mit anderen Forschern  – und teilte diese Erkenntnisse in diversen hundert Briefen mit anderen Menschen seiner Zeit und der Royal Society in London.
Er wurde somit zum Urvater des Faches, das Lynn Margulis damals studierte, denn sie war die Mikrobiologin mit dem abgelehnten Antrag. Und Bakteriologin.

Der revolutionäre Vorschlag, dass diese kleinen Tierchen in einem Wassertropfen womöglich Einfluß auf Menschen ausüben könnten, sie etwa krank machen oder so was in der Art, kam bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts auf, in dem van Leeuwenhoek durch seine immer besser werdenden Mikroskope blickte, wurde dann aber bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts erst einmal wieder ignoriert bzw. nicht systematisch weiter verfolgt.
Lynn Margulis wiederum reichte als erste erfolgreiche Arbeit ‘On the origin of Mitosing cells’ ein, im Jahr 1967. Der Artikel wurde von mehr als einem Dutzend Fachjournale rundheraus abgelehnt, bevor er erschien.
Die hier etablierte These, dass Zellorganellen wie Mitochondrien oder Chloroplasten früher einmal selbstständige Zellen gewesen sind, die im Laufe der Mikro-Evolution dann mit größeren Verbänden verschmolzen und so erst „moderne” Zellen haben entstehen lassen, war den Sesselfurzern in den akademischen Bewahranstalten der damaligen Zeit offenbar zu abwegig. Continue reading →

Spaziergang durch Absurdistan

“Never complain of that of which
it is at all times in your power to rid yourself.”
Adam Smith, Theory of moral sentiments

Auf den Nanometer genau fabrizierte Computerchips steuern die Produktion von weiteren ihrer Art. Moleküldünne Lagen, sogar atomdünne Lagen aus hochveredelten seltenen Elementen, Schicht für Schicht zusammengebaut mit weit übermenschlicher Präzision.
Diese Computer, mit einer Kapazität, die groß genug ist, alles auf diesem Planeten zu überwachen, zu steuern, zu lenken, werden von menschlichen Gehirnen darangesetzt, einen Weg zu finden, wie man bei der Produktion irgendwelcher Schrauben noch irgendwo an der dritten Stelle hinterm Komma Geld einsparen kann.
Sie berechnen das Abschmelzen der Arktis für Menschen, die das für eine ökonomische Chance halten, da es die Transportwege verkürzen könnte. Auf diesen Transportwegen bringt man dann Obst aus Südamerika zur Verpackung nach Malaysia, damit es in kleinen Plastikbechern in amerikanischen Supermärkten aufgestellt werden kann. CO2-frei transportiert und vegan, vermutlich.
Andere erfinden neue virtuelle Finanz„produkte”, berechnen den Erschöpfungsgrad von Mitarbeitern in der Pflege.
Oder im Callcenter. Sie erfinden neue Methoden, irgendwen mit einem noch besseren Kredit zu schröpfen.
Die Maschinensklaven sind gefangen in der Dummheit ihrer menschlichen Meister.

Eine Statue für unsere Zivilisation?
Kein Problem. Wir nehmen den Schlamm als Baumaterial, der vor den Küsten das Leben im Ozean zuschüttet. Ein Gemisch aus Ackerboden, Pestiziden und Herbiziden. Ehemals fruchtbarer Ackerboden, als Gift ins Meer gespült.
Dazu eine Krone aus toten Korallen. Vielleicht ein Umhang aus kaputten Fischernetzen, komplett mit darin verhakten Delphinen?
Schon jetzt berechnen Computer, wie man die Verwüstung noch weiter vorantreiben könnte. Manganknollen vom Ozeanboden. Und womöglich gibt es dort unten noch irgendwo Erdöl. In 6.000 Metern Tiefe, in 7.000, wen interessiert das. Alles ist möglich, solange wir es uns nur wünschen. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bleibt aber weiterhin ein Hirngespinst. Ein Unkenruf. Eine Kassandra-Aussage. Denn die Welt kann nicht untergehen, weil wir es nicht wollen. Es ist ökonomisch unzulässig.

Wir können problemlos leben in einer Welt, die 2°C wärmer ist. Auch drei Grad wären akzeptabel oder vier. Zumindest glauben das Ökonomen. Sie glauben es schon geraume Zeit und sie verändern die Gradzahl auch immer wieder nach oben.
Denn wen interessiert es, wenn Landwirtschaft nicht mehr stattfinden kann?
Schließlich macht die nur 3 Prozent des BSP aus in einem überentwickelten Land wie den USA oder in Großregionen wie der EU. Was aber so wenig beiträgt zum ökonomischen Gewinn, das kann auch nicht wichtig sein. Was wie Wahnsinn klingt, ist gängige ökonomische Lehre. Es hat Methode. Die Auswirkungen des Klimawandels, oder besser, der Klimazerstörung, wie ich und andere das nennen, werden dann in so absurden Aussagen versteckt wie: »Die globale Landwirtschaft wird nur um 3% schrumpfen bis 2050.«
Oder 2070. Oder wann auch immer. Jedenfalls interessieren sich viele dieser angeblichen Experten nur für Bruchteile von Irgendwas und behaupten dann immer, das sei alles überhaupt kein Problem und die Öko-Fuzzis sollten sich mal nicht so anstellen.

Aber wenn Börsenkurse mal um 2 Prozente nach unten „stürzen” und sowohl der Dow als auch der DAX, das alte Börsentier, danach noch immer um 300 Prozent zu hoch bewertet sind – dann ist Katastrophenalarm und irgendwelche Leute müssen sofort gerettet werden.
Gleichzeitig verkünden dieselben Politiker, von denen irgendwelche wählenden Menschen tatsächlich erwarten, daß sie was gegen die Problematik unternehmen sollen, das Finanzsystem sei total stabil. Einen Tag später leiht sich dann eine Großbank 50 Milliarden und drei Tage später wird sie für 1 CHF (umgerechnet etwa 17 Euro) an einen Konkurrenten verkauft. Der dadurch auch nicht kleiner wird, aber seine bis dahin angehäuften Giftmülldeponien in den Bilanzkellern natürlich prima in den Geschäftsteil auslagern kann.

Gerade erst hat die Ampelkoalition im Deutschen Bundestag beschlossen, wie es in Sachen Klimaschutz und ähnlich drängenden Themen weitergehen soll. Die Antwort vermag nur naive Gemüter zu überraschen: So wie bisher, also gar nicht.
»Maßnahmen zur CO2-Vermeidung« bedeutet für die hirnverbrannten Pfuscher in der Politik, Autobahnen noch schneller zu bauen und vor allem mehr von ihnen. Denn wenn endlich keine Staus mehr existieren, weil jeder sozialdarwinistische Hausfrauenpanzer seine eigene Spur hat, auf der eine Person gemütlich durch eine verwüstete Landschaft brettern kann, muß man die Scheißkarren nur noch mit e-Fuels betanken und alles wird gut.
E-Fuels, um das kurz klarzustellen, meine Damen und Herren, sind etwas für Leute, die in der Schule Physik nach der 2. Klasse abgewählt haben. Diese Typen, die dann nach 12 Jahren ohne Grundschulabschluss rauskommen, weil das Kratzen ihres Rasierers in der letzten Bank immer den Unterricht gestört hat. Später werden die dann Verkehrsminister oder FDP-Vorsitzende, dafür langt es immer. Continue reading →

Unreal Tournament 2022

»Can you imagine when this race is won
Turn our golden faces into the sun
Praising our leaders, we’re getting in tune
The music’s played by the, the mad man.«
Alphaville

Es ist früher Morgen. Etwa halb Acht. Auf den Uhren. Nach solarer Zeit, also Winterzeit, ist es halb Sieben.
Nennen wir es die Zeit, an der Menschen nicht rumgefummelt haben. Seit Jahren stelle ich jetzt meine Küchenuhr im Frühjahr und Herbst nicht mehr um. Alle anderen Zeitanzeigen sind leider elektronisch und drücken mir so automatisch die Vorstellung von einer Tageszeit auf, die irgendeine Bürokratenkommission mal festgelegt hat.
Das Universum ignoriert diese menschliche Anweisung, wie es zu ticken hat, mit heiterer Gelassenheit weiterhin und tickt einfach so weiter wie immer. Der Lauf des Planeten um die Sonne und die damit verbundenen astronomischen Fakten – wie beispielsweise die Position des Zentralsterns am irdischen Himmel – verändern sich durch diese abstruse Angewohnheit der Zeitumstellung nicht ein bißchen.
Es ist also de facto einfach halb Sieben. Der Himmel leuchtet im irdischen Blau, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 94% und es ist neblig. Im Juni. Während mein Rad mich leise scheppernd über den durch andauernde Trockenheit betonharten Feldweg trägt, zischen grüne Papageien im Tiefflug an mir vorbei und kreischen sich gegenseitig Warnrufe zu. Eigentlich sind die Tiefflieger Sittiche und Neozoen, sie gehören also nicht hierher.
Die Tiere sind irgendwo ausgebüchst und haben dann festgestellt, daß es sich im deutschen Regenwaldklima ganz brauchbar leben läßt. Wikipedia spricht von einer „nicht etablierten Population”, wie ich neulich mal nachgeschlagen habe. Aber Wikipedia wird auch täglich dümmer.

Mir sind die Viecher schon vor Jahren aufgefallen, da saßen sie schwätzend in einem Baum und waren grün und ich hielt sie für Flüchtlinge aus einem Zoogeschäft. Was vermutlich auch nicht ganz falsch ist. Jedenfalls kann ich aus eigener Beobachtung klar feststellen, daß es seitdem nicht weniger von denen gibt. Vor zwei Jahren, im ersten Pandemiewinter, sind sie mir sogar erstmals während dieser Jahreszeit aufgefallen. Die sind längst in der ganzen Gegend hier unterwegs.
Den neuen Avianern geht ihre Einstufung als nicht etabliert also auch stark am federumkränzten Allerwertesten vorbei, während eine Gruppe von geschätzt zwanzig Tieren im Baum ihr Morgengespräch führt. Wie viele andere Vogelarten sucht sich auch diese abends einen Schlafplatz für die Gruppe. Zwischendrin scheint immer wieder eines der Tiere zu lachen. Vermutlich haben sie gerade ihren Wikipedia-Eintrag gelesen.

Bedenkt man, daß Vögel die Nachfahren der Dinosaurier sind, paßt ihr Auftreten perfekt zu dem Dschungelklima, durch das ich gerade fahre. Ich radle zum Bahnhof, zu einer eingebildeten Uhrzeit, und fühle mich wie damals auf Borneo, wobei es dafür noch ein paar Grade wärmer sein müßte. Dabei werde ich von angeblich nicht existenten Papageien ausgelacht, die tatsächlich Sittiche sind. Das ganze Szenario fühlt sich zunehmend surreal an.

Allerdings fahren die Orangs auf Borneo keine SUV, dafür sind die zu schlau. Also bin ich wohl doch unter Menschen.
Ulf Poschardt, dieser Strickpullunder des Grauens, der sich in seinem Wahn noch immer für einen investigativen Journalisten hält, hat erst vor einigen Wochen einen angeblichen Artikel veröffentlicht, in dem er ernsthaft behauptete, Elektroautos bauen könne jeder, der Verbrennungsmotor hingegen sei ein Kulturgut.
So was schreibt ein Mann, dem ich nicht mal zutraue, die Kneifzange richtig rum zu halten, mit der er sich täglich seine Unterhose anzieht, bevor er dann mit seinem Porsche langsamer ins Büro fährt als ich mit dem Rad. Immerhin kriegt er es dabei gebacken, die Klimaanlage in seinem Kulturgut so weit runter zu drehen, daß er auch bei 30° Außentemperatur weiterhin in Hemd und Strickpullunder rumfahren muß. Falls es eine Millimetereinteilung für die Skala des Realitätsverlustes nach Kubicki geben sollte, wird sie in Poschardts gemessen. Continue reading →

Schach dem Zaren

„Nur Nixon konnte nach China gehen.” – vulkanisches Sprichwort

Schon 2014 sagte ich in Gesprächen gerne folgenden Satz: »Was Putin tut, ergibt nur dann Sinn, wenn er da nicht aufhört.«

Gemeint war die Annexion der Krim durch russische – Pardon, auf keinen Fall russische! – Truppenteile – Pardon, zufällig Uniform tragende, nicht zu identifizierende Zivilisten, natürlich.
Es war natürlich auch keinesfalls eine Annexion, schließlich haben die Bewohner der Ukraine über den Anschluß Öster… der Krim an Rußland abgestimmt. Also, hinterher. Etwas, das unsere atomar bewaffneten westlichen Nachbarn ein fait accompli nennen und wir vollendete Tatsachen.
Es ist immer schön, in einer freiheitlichen Atmosphäre in Wahllokalen abzustimmen, die von freundlichen Fachkräften mit automatischen Waffen bewacht werden, damit alles sicher abläuft. Der Treppenwitz an der Geschichte ist, daß die ukrainische Verfassung tatsächlich für das Autonome Gebiet Krim eine Möglichkeit vorsieht, aus dem Staatsverband auszuscheren. Per Abstimmung nämlich. Allerdings einer Abstimmung in der gesamten Ukraine.
Die Frage wäre also nicht gewesen: »Wolle mer se reinlasse?« sondern »Wolle mer se rauslasse?«

In der klaren Methodik des Schachspielers, ein Hobby, das Wladimir Putin nach Gerüchten durchaus auf hohem Niveau beherrscht, entschloß sich der damalige Präsident und heutige Diktator aller Russen, das Risiko einer fehlerhaften Abstimmung maximal zu minimieren.
Man läßt einfach nur die Leute abstimmen, von denen man ziemlich genau weiß, was sie sagen werden. Friedrich Merz kennt das, wenn er immer wieder fordert, daß doch bitte die Mitglieder der CDU darüber abstimmen sollten, welcher Friedrich Merz jetzt Parteivorsitzender wird. So sorgt man für maximal unüberraschende Ergebnisse, die einem gut gefallen. Putin nennt diese Methode in Rußland „gelenkte Demokratie”.
Die CxU in Deutschland nennt das Wahlen und klaren Wählerauftrag. Oder kommunistischen Umsturz, wenn sie die einmal verlieren sollte und wieder so’n SPD-Typ regieren muß.

Wladimir Putin beherrscht jetzt seit mehr als zwanzig Jahren das, was von der Sowjetunion noch übrig ist. Wobei auch dieses Gebilde niemals existiert hat. Es gab vielleicht durchaus einmal Sowjets, aber niemals eine Union. Einer Union tritt man üblicherweise auf freiwilliger Basis bei, möglicherweise aus politischen oder strategischen Erwägungen, aber irgendwo auch aus einem Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Union der Bundesstaaten der heutigen USA wären hierfür ein gewachsenes Beispiel. Die EU und ihre Staaten ein konstruiertes. Die Sowjetunion ist ein Beispiel für schlichten Zwang. Weder der Verlauf der finnisch-russischen Grenze noch der Beitritt der baltischen Republiken in den 1940er Jahren ergaben sich aus einem Akt demokratischer Freiwilligkeit. Continue reading →

Wasserstand der Dinge

»Wie geht es den werten Kommentatoren in der vierten Coronawelle?«

Keinesfalls möchten Kassandra und ich diese Frage einer langjährigen Mitleserin unbeachtet lassen. Die Antwort gestaltet sich allerdings schwierig, denn exakt das ist die Frage, die wir uns schon seit der zweiten Welle stellen. Der dann völlig überraschend die dritte Welle folgte.
Jetzt stecken wir in der vierten Welle, die auch niemand vorhergesehen hat und außerdem konnte das keiner ahnen. Was hätte man denn machen sollen?
Also, wäre man eine Regierung oder so.

Etwa Leute einfach impfen? Neeeeeein. Das geht nicht. Wir wissen doch gar nicht, was da in der Impfung alles drin ist. Wobei – doch. Wissen wir. Denn wenn das nicht exakt beschrieben wird, gibt es für solche Sachen gar keine Zulassung. Aber wahrscheinlich wußte das die letzte Bundesregierung nicht.
Also diese geschäftsführende Regierung, die jetzt die andere kritisiert, die zwar gewählt, aber noch nicht im Geschäft ist, und die sagt, man sollte Geschäfte auf keinen Fall wieder zu machen. Immer eine prima Idee, auf die Leute zu hören, die vorher 16 Jahre regiert haben und abgewählt wurden, weil ihre Politik durch die Bank so überzeugende Ergebnisse geliefert hat.
Die letzte Kritik an der coronösen Politik der gar nicht so neuen, FDP-geführten Bundesregierung kam übrigens von Alexander Dobrindt.
Vermutlich wird Andreas Scheuer mir dann morgen erklären, warum Winterreifen einen Eingriff in die Menschenrechte ungeimpfter Autofahrer aus Sachsen darstellen oder so etwas.

Kassandra und ich sind jedenfalls darauf vorbereitet. Ansonsten gilt der Tip: Erwarten se einfach komplett nix, dann fällt die Enttäuschung hinterher nur halb so groß aus.
Traue niemanden, nur weil er einen akademischen Titel vor seinen Namen schnallt. Womöglich hat er den in Rumänien ersteigert. Oder er ist offiziell sogar Wissenschaftler, labert aber trotzdem nur kompletten Blödsinn, der sich in den letzten 20 Monaten mehr als einmal als vollkommen falsch und womöglich tödlich erwiesen hat. Also, für alle anderen, nicht für ihn. Denn die altklugen Dummschwätzer sind natürlich selber geimpft.
Von der Klientel, die Idioten-Sekten gegründet haben und mit dem Geld ihrer Spender ins Ausland geflohen sind, um jetzt von da weiter Spenden zu sammeln, um hier die böse Diktatur zu bekämpfen, reden wir hier mal gar nicht.
Traue außerdem keinem Demokraten, der nicht einmal Geschenke bringt, aber deine Rente an die Aktienboombörsen verzocken möchte, damit die auch morgen noch fleißig weiter Geld verzocken können. Also, nicht ihres. Das ist wie mit den geimpften Typen, die anderen von Impfungen abraten, weil das voll gefährlich ist.

Insgesamt zerfallen die letzten 20 Monate aus Kassandras Sicht in etwa drei Phasen.

Phase 1: Beobachtung

Phase 2: Verarbeitung der Informationen im eigenen neuralen System

Phase 3: Schlußfolgerungen

Wenn mich also sonst einer fragt, wie es so geht, antworte ich vollkommen gesellschaftskonform: »Danke. Gut.«

Kassandras Hinweise zur Weihnacht sind simpel:
1. Niemandem zuhören, dessen Sätze lauten: »Aber die Cousine von meinem Schwippschwager hat erzählt, daß der Mann ihrer Bekannten von seiner Heilpraktikerin gesagt gekriegt hat, daß…«
Das führt zu Ohrenwelke und Kleinhirnschmelze. Bei Euch, nicht bei denen. Die haben kein Kleinhirn.
2. Haltet euch von den Idioten fern. Ob jetzt auf der Straße, bei Markus Lanz oder in Artikeln, die unter Youtube-Videos zur Flacherde empfohlen werden.
3. Tragt weiter eine Maske. Und zwar richtig. Vom Vorliegen einer Impfung gehen wir mal aus.
4. Wascht euch die Hände, als hättet ihr Chilis geschnitten und wolltet jetzt masturbieren.

Die Zukunft wird jedenfalls nicht weniger spannend werden als das Jetzt. Klare Prognose von Kassandra.
Wir lesen uns. Nicht vergessen: ab 2022 ist jeder Dienstag Soylent Green-Tag!


Die hier verwendeten Zeichnungen entstammen zum einen dem Twitter-Account von @daskritzelt (Comic 1 und 3).
Zum anderen dem Account auf dem selben antisozialen Medium, der Sarah C. Andersen gehört (Comic 2).

Es ist bald Weihnachten.
Ekelhafter Kommerz von Ms Andersen: HIER
Ekelhafter Kommerz von daskritzelt: auf Supergeek & via Twitter

Dieses Blog ist an eventuellen Bestellungen mit exakt 0,0% beteiligt 😀

Prost!

»Ich nehme das mal als schlechtes Omen für 2021, wenn Kassandra keine Jahresvorhersage mehr ausgibt… 😀

*zitternd ab*«

»Vielleicht ist die Glaskugel ein wenig beschlagen?«

Nein. Nein, eigentlich nicht. Aber wenn ich DAS im Jahresvorausguck erzählt hätte, hätte ich mich ja nur mal wiederholt. Ist ja nicht so, daß ich das schon gesagt hätte. Aber ich habe es gesagt.

Da hätten wieder alle kommentiert: „Na, jetzt übertreibt er wieder…”
Das Schlimme ist, daß die Zukunft eigentlich immer unnebliger wird und trotzdem keiner hinsieht.  Dann gibt es da noch mich. Die 2020er sehen für Kassandra immer mehr aus wie eine Explosion im Zugunglück. Überall liegen Körperteile rum. Da hinten brennt die Chemiefabrik. Der geplatzte letzte Waggon da auf den Gleisen hatte kaputte Brennelemente geladen. Aber man kann nicht weggucken.

In diesem Sinne: Ein frohes Neues Jahr.

Spiel’s noch einmal, Joe

“Meet the new boss. Same as the old boss.”
The Who, Won’t get fooled again

In den letzten Zügen seiner Amtszeit, quasi mit dem 4er Eisen am Loch 17, hat Donald Trump noch etwas geschafft, das ihm vorher in vier Jahren kein einziges Mal gelungen ist: Er hat die Wahrheit gesagt. Oder besser, getwittert. Mit Reden hat es der noch-immer-Präsident der ehemaligen USA ja nicht so.
Der Wahlniederlage des Toupets des Grauens folgte ein etwa dreiwöchiger Wutanfall in der Süßwaren-Abteilung des Supermarktes, während dem Klein-Donald versuchte, noch möglichst viele Reste der amerikanischen Demokratiesimulation endgültig in Schutt und Asche zu legen.
Schließlich, so hatte er das ja schon im Frühjahr festgelegt, könne er diese Wahl gegen “Sleepy Joe”, der sich kaum aus seinem Keller raustraute, nur dann verlieren, wenn es massiven Wahlbetrug geben würde. Also mußte es den auch gegeben haben. Denn Donald J. Trump, der Mann, der das Siegen auf diesem Planeten quasi erfunden hat, hat die Wahl zum Präsidenten tatsächlich verloren.
Es war die größte, unglaublichste, fantastischste und besteste Wahlniederlage, die es überhaupt jemals auf der Welt gegeben hat.

Irgendwo mitten in seinem pöbelnden Wahnsinn twitterte der von der Ablehnung der Öffentlichkeit zutiefst gekränkte Narzißt dann den Satz: „Noch nie hat ein amtierender Präsident so viele Stimmen bekommen wie ich!”
Worauf dann wieder die abstruse Behauptung folgte, er habe die Wahl gewonnen. Ich hätte auch früher in Mathe nur Einser bekommen, wenn meine Lehrer nicht immer so viele Fehler angemahnt und dann auch noch gezählt hätten. Im Grunde bin ich also das größte mathematische Genie des Planeten und erwarte demzufolge den längst überfälligen Anruf der Nobel-Kommission. Außerdem brauche ich die mit dem Preis verbundene Kohle. Da bin ich auch wie Donald Trump, wobei ich keine Schulden habe, die sich auf mindestens 400 Millionen Dollar belaufen dürften. Aber gebt mir das Geld trotzdem, ich habe es schließlich verdient!

Aber mit diesem einen Satz hatte er recht. Tatsächlich hat noch nie ein amtierender Präsident so viele Stimmen bekommen. Seltsamerweise waren die natürlich alle ungefälscht. Ebenso wie die Stimmen für republikanische Senatoren, die seit Wochen und Monaten die Klappe hielten, wenn Trump wieder eine antidemokratische Absurdität nach der anderen raushaute. So jetzt auch nach der Wahl.
Faschistischen Tattergreisen wie Mitch McConnell im Senat oder einem Lindsey Graham sind alle Mittel recht, um den Apartheids-Staat USA weiter aufrechtzuerhalten, den sie für den Amerikanischen Traum halten.
Zum Zeitpunkt des Twitter-Anfalls hatte Donald 71 Millionen Stimmen. Sagte er jedenfalls. In der Realität waren es zu diesem Zeitpunkt 70,3 Millionen. Doch wen interessieren schon 700K Stimmen in einer Demokratie. Es sei denn natürlich, sie werden für einen anderen Kandidaten abgegeben, und sei es auch nur in der Einbildung eines anderen Tattergreises. Dann müssen sie natürlich auf Zuruf von Gerichten für ungültig erklärt werden, ansonsten ist die Demokratie in Gefahr.

Der alte weiße Mann im Weißen Haus wird also bald durch einen noch älteren weißen Mann im Weißen Haus abgelöst werden. Nach gründlicher Entseuchung durch einen Desinfektionstrupp, nehme ich an. Die Bude dürfte ganz schön coronifiziert sein. Ich würde auch die Teppiche und Vorhänge im Oval Office rausschaffen und verbrennen lassen. Vielleicht am besten alles, was je mit Trump in Berührung gekommen ist. Vielleicht sollte Joe Biden, der ja Katholik ist, nach seiner Inauguration einen Exorzismus durchführen lassen. Das wäre vermutlich am besten.
Der letzte katholische Präsident der USA war übrigens John F. Kennedy. Der letzte Präsident, der dieses Amt erreichte, ohne Florida zu gewinnen, war auch John F. Kennedy. Joe Biden sollte meiner Meinung nach Cabriofahrten durch Dallas in seiner Amtszeit grundlegend vermeiden. Continue reading →

Mourning in America

“I don’t take responsibility at all!”
Donald Trump

4. November 2020

Nachmittag mitteleuropäischer Zeit. Die Wahlen in den USA sind vorbei. Seit den frühen Morgenstunden twittert sich Donald “Der Auferstandene” Trump in Großbuchstaben endgültig um Kopf und Kragen, aber es hilft wenig. Die Anzahl seiner Follower ist alleine in den letzten Stunden um 30 Millionen gefallen, Twitter kommt mit der Sperrung der abgewählt-präsidialen Tweets wegen völliger Realitätsverfehlung gar nicht mehr nach.
In der Wahlnacht verlor Biden Florida und schon in diesem Moment ließ sich Trump als Wahlsieger feiern. Dummerweise verlor Trump danach so ziemlich alles, was er vor vier Jahren einer Hillary Clinton mit eher marginalen Vorsprüngen abgenommen hatte. Ein Fakt, der gerne übersehen wurde in den letzten Jahren, besonders von den Demokraten.
Und es war von vornherein klar, daß Biden ohne Florida Präsident werden kann, Donald aber nicht. Biden gewann die Großen Seen, Pennsylvania ging ebenfalls an Grandpa Joe, und das mit einem höheren Vorsprung als Trump jemals in dem Bundesstaat gehabt hatte.
Offenbar hatte niemand dem Präsidenten verraten, wie knapp seine Zahlen bei der letzten Wahl eigentlich waren. Aber wen wundert es? In der Welt von Donald Trump waren auch bei seiner Inauguration mehr Menschen, als die USA Einwohner haben. Er hat dagegen geklagt, daß Ms Clinton insgesamt mehr Stimmen bekommen hat. Denn diesen Teil der Wahl hatte Hillary vor vier Jahren für sich entschieden. Nur wird eben nicht immer derjenige Präsident, der auch mehr Stimmen im “popular vote” erzielt.

Während Trump auf Twitter noch so tut, als sei er weiterhin Präsident der USA, werden aus ersten Gegenden Aufmärsche der Neonazi-Redneck-Idioten gemeldet, die Trump in seinem Wahlkampf zwar nie kannte, die er aber trotzdem immer wieder für prima Leute hielt und dazu aufforderte, ihre Freiheit zurückzuholen.
In Michigan riegelt die Nationalgarde alle Regierungsgebäude ab, es gibt erste Schießereien mit Corona-Gegnern und Trumpisten, die das dortige Capitol stürmen wollen. In Philadelphia gibt es ähnliche Szenen.
Europa ist in einer Art abwartender Schockstarre, wie eigentlich schon seit vier Jahren. Noch immer wollen die Regierungen Westeuropas nicht einsehen, daß die USA weder unsere Freunde noch Verbündeten sind, sondern einfach ein Haufen imperialistischer Irrer mit zu vielen Waffen und zu wenig Hirn.
Die polnische, tschechische und ungarische Regierung haben Trump bereits in der Nacht zum Wahlsieg gratuliert, den es aber gar nicht gibt. Chinas Auslandsstimme hat Biden gratuliert, was Trump mit einer Art Twitter-Blutsturz beantwortet hat.
Aus Rußland hört man bis dato nichts. Vermutlich hat Vlad Putin einfach noch nicht aufgehört zu lachen und konnte deshalb keinen Text für den Botschafter diktieren.

Trumps Anwälte haben gegen das Ergebnis aus Pennsylvania bereits Beschwerde beim Supreme Court eingelegt, die Wahlleute des Bundesstaates sollen „aufgrund von Unregelmäßigkeiten” bei der Auszählung für ungültig erklärt werden. Der demokratische Gouverneur des Landes hat bereits erklärt, daß er das keinesfalls tun werde, völlig unabhängig davon, wie der Supreme Court entscheiden wird, da er die Legitimität des Gerichts anzweifelt.
Aus Texas kommen immer mehr Meldungen, die auf massiven Wahlbetrug hindeuten. Und zwar durch die Republikaner. Der Bundesstaat hing lange in der Schwebe, was angesichts der Tatsache, daß Texas seit 44 Jahren republikanische Präsidenten wählt, um so erstaunlicher war. Dann wurde er rot und blieb es auch. Aktuell patroilliert dort die Nationalgarde durch die Straßen. Wegen der Proteste gegen die Wahl, die diesmal allerdings nicht von Anwälten, sondern vor allem mexikanischstämmigen Gruppen vorgetragen werden. Man könnte so sagen, sie sind nicht erbaut über die Meldungen, was mit ihren Stimmen passiert ist.

Auch die Demokraten haben den Supreme Court angerufen. Sie wollen Florida für ungültig erklären lassen bzw. eine Nachzählung angeordnet wissen. Denn dieser Bundestaat war erst lange blau gewesen. Dann aber kippten die Stimmen auf Trumps Seite. Ein “red shift” statt eines “blue shift”, den viele Wahlexperten vorhergesehen hatten.
Die Erklärung dafür ist simpel: da Donald Trump immer wieder erzählt hatte, bei den Briefwahlen gäbe es wahnsinnig viel Wahlbetrug, hatten ihm ziemlich viele Amerikaner den Mittelfinger gezeigt und einfach schon vor dem Wahltermin abgestimmt. Ausgerechnet Florida hat für den “early vote in person” recht großzügige Zeitfenster. Schon eine Woche vor der Wahl hatten in vielen umkämpften Staaten fast so viele US-Bürger ihre Stimme abgegeben, wie vier Jahre zuvor in der ganzen Wahl, einschließlich Wahltag selbst. Die meisten dieser Wähler waren Demokraten.
Die republikanischen Wähler hingegen, das war auch im Vorfeld klar, würden eher traditionell abstimmen, also am Wahltag. Ihre Stimmen würden zuerst registriert werden, der entsprechende Bundesstaat also rot auf der Wahlkarte erscheinen. Dann erst würden die Briefwahlstimmen hinzukommen und manchen Staat ins Blaue kippen lassen. Blue Shift.
Schon vor dem Wahltermin machten die Wähler dieser Hypothese den Garaus. Der einzige Bundesstaat, in dem es dazu kam, war Ohio. Lange Zeit rot, wenn auch mit nur knappem Vorsprung, wird auch dieses Bundesland an Joe Biden gehen, wie es aussieht. Aber auch so ist längst klar, daß Trump raus ist. Arizona ist weg. Sogar Iowa könnte blau bleiben, obwohl er hier langsam aufholt.

Aber es ist vorbei. Donald Trump ist ein Ein-Amtszeiten-Präsident. Auch sein Nachfolger, Old Man Joe, wird nur eine Amtszeit bekommen. Jedenfalls dann, wenn es noch ein paar restliche Hirnzellen in der US-Politik gibt. Damit haben die USA das erste Mal seit mindestens dem 19. Jahrhundert zwei Männer ins Präsidentenamt gewählt, die nur eine Amtszeit im Weißen Haus sitzen werden. Weiter habe ich nicht zurückgeblättert.
Kennedy vor Johnson zählt nicht, der wurde erschossen. Wo waren die Präsidentenmörder eigentlich die letzten vier Jahre, als man mal einen gebraucht hätte?
Ford und Carter zählen auch nicht. Denn Gerald Ford war weder gewählter Präsident, noch war er bei der Wiederwahl Nixons der Vizekandidat. Der trat später zurück, und Ford war der Ersatzmann. Das dann gleich doppelt, denn etwas später mußte Richie seinen Präsidentensessel räumen, wegen dieser Watergate-Abhöraffäre. Continue reading →

Eine Kultur der Gewalt

– II –
Der Hiroshima-Moment

“Any intelligent fool can make things bigger, more complex, and more violent. It takes a touch of genius – and a lot of courage – to move in the opposite direction.”
E. F. Schumacher

Um 11:02 Ortszeit am heutigen Tag vor 75 Jahren leuchtet ein Blitz über einer japanischen Stadt namens Nagasaki auf. Die gigantische Explosion tötet unmittelbar etwa 22.000 Menschen. Zehntausende sterben in weiteren Wochen und Jahren danach. An ihren Verletzungen. An einer Krankheit, die bis dahin niemand gesehen hatte.
Nur drei Tage zuvor, um 08:15 Ortszeit, hatte bereits eine weitere japanische Stadt dasselbe Schicksal erlitten. In Hiroshima sterben 80.000 Menschen sofort. Die aufsteigende Pilzwolke, von einem Besatzungsmitglied des B-29-Bombers “Enola Gay” aus dem abdrehenden Flugzeug gefilmt, sollte zum Symbol eines neuen Zeitalters der Vernichtung werden.

Es waren nicht die höchsten Opferzahlen nach einem Bombenangriff. Bereits am 10. März 1945 hatten US-Bomber mit Brandbomben eine Fläche im Stadtgebiet von Tokyo belegt, in dem etwa 1,2 Millionen Menschen lebten. Nachdem die sogenannten Pfadfinder das Angriffsziel mit Napalmabwürfen markiert hatten, wurden über 1.500 Tonnen Brandbomben über der Hauptstadt abgeladen, die zur damaligen Zeit noch in der traditionellen Bauweise vorwiegend aus Holz und Papier bestand. Die Bilanz des Angriffs bezifferte sich nach japanischen Angaben auf etwa 84.000 Tote, über 40.000 Verwundete und mehr als eine Million Menschen ohne Obdach. Über eine Viertelmillion Gebäude wurden zerstört. Spätere Schätzungen gehen von bis zu 185.000 Toten aus. Doch die Bomber, die diese Hölle säten, brauchten über drei Stunden, bis sie alle von ihrer Pazifikinsel gestartet waren. Es waren hunderte.
An dem Tag, an dem Hiroshima getötet wurde, dürfte nur sehr wenigen Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit das Gleißen der Sonne auf der Hülle des einsamen Bombers aufgefallen sein, der seinen Weg über die Innenstadt nahm. Tatsächlich war die “Enola Gay” mit ihren Begleitern der Luftüberwachung Japans sehr wohl aufgefallen.
Da man aber erkannte, daß es sich nur um einen Verband aus drei Maschinen handelte, starteten keine Abfangjäger. Die US Air Force flog zu diesem Zeitpunkt längst routinemäßig Aufklärungseinsätze und die kaiserliche Luftwaffe hatte nicht mehr die Ressourcen, um solche Missionen anzugreifen. Daher wurde kein Alarm ausgelöst, die Bevölkerung wurde nicht gewarnt.

Ein einziges Flugzeug. Eine Bombe. Eine vernichtete Stadt. Eine Todeszone auf Jahre hinaus. Die Kultur der Gewalt hatte einen weiteren Höhepunkt ihres Schaffens erreicht. Niemals zuvor war der Beweis einer wissenschaftlichen Hypothese derartig direkt in Zerstörung umgewandelt worden. Ein geradezu leuchtendes Beispiel einer über Jahrhunderte verfeinerten Effizienz des Tötens. Continue reading →

Eine Kultur der Gewalt

– I –
Spieglein, Spieglein

„Wenn du in die Fleischtheke starrst, starrt die Fleischtheke auch in dich. Da machste nix dran.”
F. W. Nietzsche, Metzgermeister

Ich stehe vor dem Fleisch und vergleiche Preise. Nach einigen Minuten komme ich zum selben Schluß, der sich mir schon mehrfach aufgedrängt hat. Es gibt genau zwei Kategorien von Fleisch. Die eine kann ich mir leisten. Die andere nicht. Was nicht bedeutet, daß ich vierzehn Mücken für ein Kilo Schinken unbedingt als billig empfinde. In der ersten Kategorie sehe ich mindestens drei Markennamen, die zur Großschlachterei Tönnies gehören.
Dem Mann, dessen Ausbeutungsmethoden gerade erst unrühmlich durch die Presse gereicht werden und in den politischen Lagern überall hektischen Aktionismus auslösen. Als hätte Tönnies nicht schon geschlachtet, als NRW noch von der ehemaligen SPD regiert wurde, im Verbund mit den Grünen.
Gerade erst hat Armin Laschet, die CDU-Sockenpuppe, die das Bundesland derzeit regiert, großspurig verkündet, daß ab sofort sämtliche ordnungsbehördlichen Regeln für den Großschlächter und seine Betriebe gelten sollen. Unmittelbar fragt sich der noch nicht ganz bewußtlose Leser, was denn bisher für Regelungen galten und was Laschet unter der vorher erwähnten „Kooperation” versteht. Vermutlich ein Versprecher.

Natürlich könnte ich auf eine der anderen Sorten ausweichen. Keine von ihnen fällt unter „ganz billig”. Dummerweise weiß ich, daß dahinter im Zweifel nicht jemand wie Corona-Tönnies steckt, sondern ein Betrieb wie Westfleisch. Auch hier werden Billigsklaven aus Osteuropa in gammeligen Jugendherbergszimmern zusammengepfercht und morgens in die Fabriken gekarrt. Es gibt keinen Unterschied zwischen Sklaven auf Baumwollfeldern vor 200 Jahren und diesen Menschen. Sie sind halt nur nicht schwarz, ihr Arbeitsplatz ist kälter und sie werden bezahlt, wenn auch eher alibimäßig.
Daher der hektische Aktionismus der Politik. Denn Ausbeuter wie Tönnies haben das System aus „Werksverträgen” und billigster Drecksarbeit nicht erschaffen, das gerade lautstark von allen als unmoralisch beweint wird. Sie haben es von der Politik auf dem Silbertablett serviert bekommen und nutzen es aus. Erstaunlicherweise hat Gerhard Schröder, die Stimme Moskaus, zu diesem Komplex noch keine Kritik in irgendeine Kamera geschwafelt. Vielleicht haben die Medien endlich aufgehört, den Mann zu fragen.

Vor 200 Jahren trieb die Tuchindustrie in England die sich maschinisierende industrielle Revolution voran. Dieses englische Tuch basierte auf den gebeugten Rücken von Sklaven, die von weißen Aufsehern ausgepeitscht wurden. Das Verbot von Sklaverei durch das Britische Empire änderte daran nichts. Dieses Verbot kam auch nicht aus ethischen Gründen zustande. Es wurde erlassen, weil die neuen Maschinen mit den alten Sklaven konkurrieren mußten. Während indische Baumwolle die amerikanische ablöste, erschufen die Herren der Maschinen eine neue Klasse von Sklaven: den Industriearbeiter. 16 Stunden täglich, gerne auch mit einem Alter im einstelligen Bereich, mußten Maschinen gewartet, repariert und geschmiert, mußten Fäden zusammengeknotet werden. Menschen, die vorher auf dem Land im Rhythmus von Jahreszeiten und Tagesstunden mit und ohne Licht gelebt hatten, wurden dem gnadenlosen Diktat der Maschinenzivilisation unterworfen. Die Stechuhr, der Zeitplan, der Sekundentakt, das Heulen von Fabriksirenen. Ein Film wie „Metropolis” von Fritz Lang, 1927 erschienen, war im Grunde gar keine Science Fiction. Er war ein Blick in die Geschichte. Mehr eine Dokumentation statt einer Fiktion. Continue reading →