Spaziergang durch Absurdistan

“Never complain of that of which
it is at all times in your power to rid yourself.”
Adam Smith, Theory of moral sentiments

Auf den Nanometer genau fabrizierte Computerchips steuern die Produktion von weiteren ihrer Art. Moleküldünne Lagen, sogar atomdünne Lagen aus hochveredelten seltenen Elementen, Schicht für Schicht zusammengebaut mit weit übermenschlicher Präzision.
Diese Computer, mit einer Kapazität, die groß genug ist, alles auf diesem Planeten zu überwachen, zu steuern, zu lenken, werden von menschlichen Gehirnen darangesetzt, einen Weg zu finden, wie man bei der Produktion irgendwelcher Schrauben noch irgendwo an der dritten Stelle hinterm Komma Geld einsparen kann.
Sie berechnen das Abschmelzen der Arktis für Menschen, die das für eine ökonomische Chance halten, da es die Transportwege verkürzen könnte. Auf diesen Transportwegen bringt man dann Obst aus Südamerika zur Verpackung nach Malaysia, damit es in kleinen Plastikbechern in amerikanischen Supermärkten aufgestellt werden kann. CO2-frei transportiert und vegan, vermutlich.
Andere erfinden neue virtuelle Finanz„produkte”, berechnen den Erschöpfungsgrad von Mitarbeitern in der Pflege.
Oder im Callcenter. Sie erfinden neue Methoden, irgendwen mit einem noch besseren Kredit zu schröpfen.
Die Maschinensklaven sind gefangen in der Dummheit ihrer menschlichen Meister.

Eine Statue für unsere Zivilisation?
Kein Problem. Wir nehmen den Schlamm als Baumaterial, der vor den Küsten das Leben im Ozean zuschüttet. Ein Gemisch aus Ackerboden, Pestiziden und Herbiziden. Ehemals fruchtbarer Ackerboden, als Gift ins Meer gespült.
Dazu eine Krone aus toten Korallen. Vielleicht ein Umhang aus kaputten Fischernetzen, komplett mit darin verhakten Delphinen?
Schon jetzt berechnen Computer, wie man die Verwüstung noch weiter vorantreiben könnte. Manganknollen vom Ozeanboden. Und womöglich gibt es dort unten noch irgendwo Erdöl. In 6.000 Metern Tiefe, in 7.000, wen interessiert das. Alles ist möglich, solange wir es uns nur wünschen. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bleibt aber weiterhin ein Hirngespinst. Ein Unkenruf. Eine Kassandra-Aussage. Denn die Welt kann nicht untergehen, weil wir es nicht wollen. Es ist ökonomisch unzulässig.

Wir können problemlos leben in einer Welt, die 2°C wärmer ist. Auch drei Grad wären akzeptabel oder vier. Zumindest glauben das Ökonomen. Sie glauben es schon geraume Zeit und sie verändern die Gradzahl auch immer wieder nach oben.
Denn wen interessiert es, wenn Landwirtschaft nicht mehr stattfinden kann?
Schließlich macht die nur 3 Prozent des BSP aus in einem überentwickelten Land wie den USA oder in Großregionen wie der EU. Was aber so wenig beiträgt zum ökonomischen Gewinn, das kann auch nicht wichtig sein. Was wie Wahnsinn klingt, ist gängige ökonomische Lehre. Es hat Methode. Die Auswirkungen des Klimawandels, oder besser, der Klimazerstörung, wie ich und andere das nennen, werden dann in so absurden Aussagen versteckt wie: »Die globale Landwirtschaft wird nur um 3% schrumpfen bis 2050.«
Oder 2070. Oder wann auch immer. Jedenfalls interessieren sich viele dieser angeblichen Experten nur für Bruchteile von Irgendwas und behaupten dann immer, das sei alles überhaupt kein Problem und die Öko-Fuzzis sollten sich mal nicht so anstellen.

Aber wenn Börsenkurse mal um 2 Prozente nach unten „stürzen” und sowohl der Dow als auch der DAX, das alte Börsentier, danach noch immer um 300 Prozent zu hoch bewertet sind – dann ist Katastrophenalarm und irgendwelche Leute müssen sofort gerettet werden.
Gleichzeitig verkünden dieselben Politiker, von denen irgendwelche wählenden Menschen tatsächlich erwarten, daß sie was gegen die Problematik unternehmen sollen, das Finanzsystem sei total stabil. Einen Tag später leiht sich dann eine Großbank 50 Milliarden und drei Tage später wird sie für 1 CHF (umgerechnet etwa 17 Euro) an einen Konkurrenten verkauft. Der dadurch auch nicht kleiner wird, aber seine bis dahin angehäuften Giftmülldeponien in den Bilanzkellern natürlich prima in den Geschäftsteil auslagern kann.

Gerade erst hat die Ampelkoalition im Deutschen Bundestag beschlossen, wie es in Sachen Klimaschutz und ähnlich drängenden Themen weitergehen soll. Die Antwort vermag nur naive Gemüter zu überraschen: So wie bisher, also gar nicht.
»Maßnahmen zur CO2-Vermeidung« bedeutet für die hirnverbrannten Pfuscher in der Politik, Autobahnen noch schneller zu bauen und vor allem mehr von ihnen. Denn wenn endlich keine Staus mehr existieren, weil jeder sozialdarwinistische Hausfrauenpanzer seine eigene Spur hat, auf der eine Person gemütlich durch eine verwüstete Landschaft brettern kann, muß man die Scheißkarren nur noch mit e-Fuels betanken und alles wird gut.
E-Fuels, um das kurz klarzustellen, meine Damen und Herren, sind etwas für Leute, die in der Schule Physik nach der 2. Klasse abgewählt haben. Diese Typen, die dann nach 12 Jahren ohne Grundschulabschluss rauskommen, weil das Kratzen ihres Rasierers in der letzten Bank immer den Unterricht gestört hat. Später werden die dann Verkehrsminister oder FDP-Vorsitzende, dafür langt es immer. Continue reading →

Bruchlinien

Der Untergang des Abendlandes, den gewisse Pappnasen bei ihren Demonstrationen gegen einen denokratischen Staat immer wieder beschwören, ist natürlich völliger Blödsinn. Es ist übrigens gerade der demokratische Staat, der solche Demonstrationen erst ermöglicht. In anderen Ländern wären die Pegidioten© längst im Gefängnis gelandet. Oder in Arbeitslagern. Oder beides.

In der Türkei möglicherweise. Das Restland des Osmanischen Reiches, geführt von einem Staatspräsidenten, bei dem ich ganz erhebliche Zweifel an seiner geistigen Gesundheit habe, ist dabei, sich unter der Ägide eben dieses Mannes in eine autokratische Islamokratie zu verwandeln. Im Grunde ist ein Herr Erdogan damit auf keinem anderen Dampfer als der deutsche Standard-Konservative aus einer der C-Parteien. Die geben auch immer wieder was von Traditionen und Familienwerten und ähnlichem Zeug von sich und haben dabei Biedermeierkommoden und Häkeldeckchen vor Augen. Dazu drei Kinder, die mit dem Segen der – natürlich katholischen – Kirche in Missionarstellung heterosexuell gezeugt wurden und eine Ehefrau, die sich liebevoll um die Kleinen kümmert, während der Mann seiner Arbeit nachgeht und dabei die Sekretärin vögelt.
Ist halt nur irgendwie sehr ärgerlich, daß eben diese Zeit nicht mehr existiert. Besonders amüsant wird es, wenn man sich klar macht, daß diese Zeit auch nie existiert hat, außer in den Köpfen mancher Menschen. Nichts unterscheidet einen Andreas Scheuer von der CSU von einem islamistischen Glaubenskrieger aus der syrischen Wüste, jedenfalls nicht grundlegend. Der Islamist ist vermutlich gebildeter, immerhin kann der Arabisch lesen und schreiben, da hätte ich bei Herrn Scheuer erhebliche Zweifel.

In der Türkei wird dieses Problem mehr als offensichtlich, denn Erdogan möchte das Land in eine Version seiner selbst verwandeln, von der er glaubt, sie habe einmal existiert. Eine Türkei, in der natürlich Muslime Amerika entdeckt haben und wer was anderes behauptet,  hat ein psychologisches Problem und haßt den Islam.
Aber das ist eben nicht wahr, es sei denn, dieses „irgendwann” ist etwa um 1650, als die Hohe Pforte noch einen nicht unerheblichen Teil der Welt regiert hat. Und selbst da hätte ich meine Zweifel, ob die Ähnlichkeit mit Herrn Erdogans wirren Gedanken besonders groß ist.
Die Türkei wurde von ihrem Gründer, dem Herrn Mustafa Kemal, Künstlername Atatürk, nicht ohne Grund als ein säkularer Staat gegründet. Also ein Staat, in dem Kirche und Staat eben getrennt sind.
Aus Erdogans Benehmen und Ansichten wird völlig klar, daß er eindeutig einen theokratischen Staat haben möchte. Was aber viele Türken nicht haben wollen. Wiederum andere fänden das gut. Aber nicht deshalb, weil diese Türken so wahnsinnig scharf auf den Islam wären oder seine Gebote. Nein, diese Menschen wählen die AKP, weil jemand wie Erdogan seine persönliche Wahnvorstellung als konservativ, als traditionell darzustellen vermag. Ebenso wie die deutschen C-Parteien verbreitet Herr Erdogan das Wohlfühl-Gefühl der guten alten Zeit™ um sich herum.
Man kann jederzeit einen ähnlichen Effekt erzielen, wenn man eine politische Rede vor 10.000 Menschen hält und dann den Begriff „Freiheit” benutzt. Idealerweise in nicht allzu großem Abstand gefolgt von „Gerechtigkeit”.
Der Jubel der Menge ist einem sicher und vor allem wird kein einziger der Versammelten bei diesen Worten exakt das denken, was einer seiner Nachbarn denkt. Nie. Freiheit und Gerechtigkeit sind, ebenso wie das immer wieder beschworene Traditionelle der recht konservativen Rechtskonservativen, eine individuelle Vorstellung, sie sind diffus. Idealisierte Vorstellungen in den Köpfen von Menschen. Continue reading →