Mourning in America

“I don’t take responsibility at all!”
Donald Trump

4. November 2020

Nachmittag mitteleuropäischer Zeit. Die Wahlen in den USA sind vorbei. Seit den frühen Morgenstunden twittert sich Donald “Der Auferstandene” Trump in Großbuchstaben endgültig um Kopf und Kragen, aber es hilft wenig. Die Anzahl seiner Follower ist alleine in den letzten Stunden um 30 Millionen gefallen, Twitter kommt mit der Sperrung der abgewählt-präsidialen Tweets wegen völliger Realitätsverfehlung gar nicht mehr nach.
In der Wahlnacht verlor Biden Florida und schon in diesem Moment ließ sich Trump als Wahlsieger feiern. Dummerweise verlor Trump danach so ziemlich alles, was er vor vier Jahren einer Hillary Clinton mit eher marginalen Vorsprüngen abgenommen hatte. Ein Fakt, der gerne übersehen wurde in den letzten Jahren, besonders von den Demokraten.
Und es war von vornherein klar, daß Biden ohne Florida Präsident werden kann, Donald aber nicht. Biden gewann die Großen Seen, Pennsylvania ging ebenfalls an Grandpa Joe, und das mit einem höheren Vorsprung als Trump jemals in dem Bundesstaat gehabt hatte.
Offenbar hatte niemand dem Präsidenten verraten, wie knapp seine Zahlen bei der letzten Wahl eigentlich waren. Aber wen wundert es? In der Welt von Donald Trump waren auch bei seiner Inauguration mehr Menschen, als die USA Einwohner haben. Er hat dagegen geklagt, daß Ms Clinton insgesamt mehr Stimmen bekommen hat. Denn diesen Teil der Wahl hatte Hillary vor vier Jahren für sich entschieden. Nur wird eben nicht immer derjenige Präsident, der auch mehr Stimmen im “popular vote” erzielt.

Während Trump auf Twitter noch so tut, als sei er weiterhin Präsident der USA, werden aus ersten Gegenden Aufmärsche der Neonazi-Redneck-Idioten gemeldet, die Trump in seinem Wahlkampf zwar nie kannte, die er aber trotzdem immer wieder für prima Leute hielt und dazu aufforderte, ihre Freiheit zurückzuholen.
In Michigan riegelt die Nationalgarde alle Regierungsgebäude ab, es gibt erste Schießereien mit Corona-Gegnern und Trumpisten, die das dortige Capitol stürmen wollen. In Philadelphia gibt es ähnliche Szenen.
Europa ist in einer Art abwartender Schockstarre, wie eigentlich schon seit vier Jahren. Noch immer wollen die Regierungen Westeuropas nicht einsehen, daß die USA weder unsere Freunde noch Verbündeten sind, sondern einfach ein Haufen imperialistischer Irrer mit zu vielen Waffen und zu wenig Hirn.
Die polnische, tschechische und ungarische Regierung haben Trump bereits in der Nacht zum Wahlsieg gratuliert, den es aber gar nicht gibt. Chinas Auslandsstimme hat Biden gratuliert, was Trump mit einer Art Twitter-Blutsturz beantwortet hat.
Aus Rußland hört man bis dato nichts. Vermutlich hat Vlad Putin einfach noch nicht aufgehört zu lachen und konnte deshalb keinen Text für den Botschafter diktieren.

Trumps Anwälte haben gegen das Ergebnis aus Pennsylvania bereits Beschwerde beim Supreme Court eingelegt, die Wahlleute des Bundesstaates sollen „aufgrund von Unregelmäßigkeiten” bei der Auszählung für ungültig erklärt werden. Der demokratische Gouverneur des Landes hat bereits erklärt, daß er das keinesfalls tun werde, völlig unabhängig davon, wie der Supreme Court entscheiden wird, da er die Legitimität des Gerichts anzweifelt.
Aus Texas kommen immer mehr Meldungen, die auf massiven Wahlbetrug hindeuten. Und zwar durch die Republikaner. Der Bundesstaat hing lange in der Schwebe, was angesichts der Tatsache, daß Texas seit 44 Jahren republikanische Präsidenten wählt, um so erstaunlicher war. Dann wurde er rot und blieb es auch. Aktuell patroilliert dort die Nationalgarde durch die Straßen. Wegen der Proteste gegen die Wahl, die diesmal allerdings nicht von Anwälten, sondern vor allem mexikanischstämmigen Gruppen vorgetragen werden. Man könnte so sagen, sie sind nicht erbaut über die Meldungen, was mit ihren Stimmen passiert ist.

Auch die Demokraten haben den Supreme Court angerufen. Sie wollen Florida für ungültig erklären lassen bzw. eine Nachzählung angeordnet wissen. Denn dieser Bundestaat war erst lange blau gewesen. Dann aber kippten die Stimmen auf Trumps Seite. Ein “red shift” statt eines “blue shift”, den viele Wahlexperten vorhergesehen hatten.
Die Erklärung dafür ist simpel: da Donald Trump immer wieder erzählt hatte, bei den Briefwahlen gäbe es wahnsinnig viel Wahlbetrug, hatten ihm ziemlich viele Amerikaner den Mittelfinger gezeigt und einfach schon vor dem Wahltermin abgestimmt. Ausgerechnet Florida hat für den “early vote in person” recht großzügige Zeitfenster. Schon eine Woche vor der Wahl hatten in vielen umkämpften Staaten fast so viele US-Bürger ihre Stimme abgegeben, wie vier Jahre zuvor in der ganzen Wahl, einschließlich Wahltag selbst. Die meisten dieser Wähler waren Demokraten.
Die republikanischen Wähler hingegen, das war auch im Vorfeld klar, würden eher traditionell abstimmen, also am Wahltag. Ihre Stimmen würden zuerst registriert werden, der entsprechende Bundesstaat also rot auf der Wahlkarte erscheinen. Dann erst würden die Briefwahlstimmen hinzukommen und manchen Staat ins Blaue kippen lassen. Blue Shift.
Schon vor dem Wahltermin machten die Wähler dieser Hypothese den Garaus. Der einzige Bundesstaat, in dem es dazu kam, war Ohio. Lange Zeit rot, wenn auch mit nur knappem Vorsprung, wird auch dieses Bundesland an Joe Biden gehen, wie es aussieht. Aber auch so ist längst klar, daß Trump raus ist. Arizona ist weg. Sogar Iowa könnte blau bleiben, obwohl er hier langsam aufholt.

Aber es ist vorbei. Donald Trump ist ein Ein-Amtszeiten-Präsident. Auch sein Nachfolger, Old Man Joe, wird nur eine Amtszeit bekommen. Jedenfalls dann, wenn es noch ein paar restliche Hirnzellen in der US-Politik gibt. Damit haben die USA das erste Mal seit mindestens dem 19. Jahrhundert zwei Männer ins Präsidentenamt gewählt, die nur eine Amtszeit im Weißen Haus sitzen werden. Weiter habe ich nicht zurückgeblättert.
Kennedy vor Johnson zählt nicht, der wurde erschossen. Wo waren die Präsidentenmörder eigentlich die letzten vier Jahre, als man mal einen gebraucht hätte?
Ford und Carter zählen auch nicht. Denn Gerald Ford war weder gewählter Präsident, noch war er bei der Wiederwahl Nixons der Vizekandidat. Der trat später zurück, und Ford war der Ersatzmann. Das dann gleich doppelt, denn etwas später mußte Richie seinen Präsidentensessel räumen, wegen dieser Watergate-Abhöraffäre. Continue reading →