Die unerträgliche Nachhaltigkeit des Seins

– II –

Die Wahrheit der Pinguine

„Sustainability takes forever. And that’s the point.”
William Mc Donough

Die Vergangenheit, von der alle glauben, sie könne in der Zukunft des Fortschritts keine Bedeutung mehr für uns haben, kommt zurück.
Typhus kommt zurück und diesmal ist er multiresistent. Und er hat Begleiter. Tuberkulose zum Beispiel. MRSA. Andere Krankheiten, die man bereits besiegt glaubte, sind wieder im Vormarsch. Syphillis beispielsweise, die gute alte Geschlechtskrankheit, die in früheren Jahrhunderten so manchen auch berühmten Kopf geplagt hat. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn diese Krankheit wirkt im Spätstadium neurologisch degenerativ.

Je mehr der Mensch Kontrolle errungen hat, nach Maßgabe unserer reduktionistischen Wissenschaften, um so mehr ist uns diese Kontrolle entglitten. Resistenz ist – so wie Klimazerstörung – ein Ding, das seinen eigenen zeitlichen Gesetzen unterliegt. Die Evolution schert sich nicht um Jahre oder Jahrzehnte oder Jahrtausende. Die Antwort auf die Frage, warum Dinosaurier zweihundert Millionen Jahre die Erde beherrschten und trotzdem keine Intelligenz entwickelten, ist evolutionsbiologisch simpel: Es war nicht notwendig.
Intelligenz ist kein Faktor, der einer Spezies in irgendeiner Form eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit verschafft. Es gibt jede Menge Lebensformen auf der Erde, die noch wesentlich dümmer sind als der Durchschnittskonsument des RTL-Programms, auch wenn das schwer vorstellbar ist. Aber für einen Badeschwamm, eine Seegurke oder einen Alligator in Florida wäre der Inhalt dieses Fernsehsenders eindeutig zu hoch. Trotzdem haben Alligatoren noch den letzten Dinosauriern nachgewinkt, mit denen sie stammesgeschichtlich verwandt sind. Wobei die „echten Krokodile” deutlich jünger sind, aber auch die kommen noch auf 40 Millionen Jahre. Trotzdem sind die nicht intelligent. Intelligenz behindert in vielen Fällen den sicheren Jagdinstinkt und Platons Dialoge oder Wasserspülung im Klo sind jetzt auch nicht so die Killerapplikation in der Evolution. Continue reading →

Das wahre Morgen

– XI –

Kraft der Geschichte

„Watch the dreams and fantasies of a society and you can catch the foreshadowings of its future – sometimes.”
John Michael Greer

Der Mann auf dem Thron ist Kaiser eines mächtigen Imperiums. Er verlangt vom Mann vor seinem Thron Antworten auf drängende Fragen, die seine Herrschaft betreffen.
Hari Seldon, Mathematiker von Helicon, einer eher unbedeutenden Randwelt des Galaktischen Imperiums, die nach seiner Aussage eher bekannt ist „für ihren Kampfsport und weniger für ihre Mathematiker”, hat sich einen Doktorgrad erworben und Jahre damit verbracht, eine mathematische Theorie soziologischer Phänomene zu erarbeiten, die er Psychohistorik nennt.
Hofbeamte des Kaisers haben davon Wind bekommen und den Mann auf dem Thron erzählt, daß der Mann aus der Provinz eine Möglichkeit gefunden habe, die Zukunft vorauszusehen. Natürlich ist das nicht richtig, denn, wie Seldon dem Kaiser bei seiner erzwungenen Audienz erklärt, beschäftigt seine Theorie sich lediglich mit mathematischen Vorhersagen auf Wahrscheinlichkeitsbasis.
Subjekt dieser Berechnungen ist allerdings tatsächlich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.
Für die wiederum sehe es nicht gut aus, so erläutert Seldon seinem monarchischen Herrscher, eigentlich müsse er sogar davon sprechen, daß das Galaktische Imperium seinem Untergang entgegensehe.
Aufgrund der ermutigenden Aussagen dieser Art haben die Hofbeamten den impertinenten Kerl überhaupt vor den Kaiser gebracht, denn sie finden solche Aussagen defätistisch. Immerhin existiert das Imperium zu diesem Zeitpunkt bereits fast 12.000 Jahre. Der Mann mit dem Spitznamen „Rabe” Seldon ist also offensichtlich nur darauf aus, die Autorität des Kaiserreichs zu untergraben.

Seldon erläutert Cleon I., dem Mann auf dem Thron, im weiteren Gespräch dann, daß er bereits kein Kaiser mehr ist. Er ist längst eine Schachfigur, die beschränkt ist auf den Imperialen Palast und von der Außenwelt nichts mitbekommt, was nicht bereits sorgfältig vorgefiltert und kommentiert ist.
Alle wirklich wichtigen Dinge werden von Hofbeamten und Ministern entschieden, von denen mehr als einer oft sein eigenes Süppchen kocht und nicht etwa Befehlen des Monarchen folgt.
Der wiederum möchte auch nicht befehlen, sondern mehr Kumpel aller Umgebenden sein – was für einen Monarchen generell eine absolute Unmöglichkeit darstellt, denn irgendwer kann den Chef der Regierung immer nicht leiden. Ganz besonders in einer besiedelten Galaxis.
Der Vater des aktuellen Kaisers ist ausnahmsweise eines natürlichen Todes gestorben, was für den aktuellen Herrscher wohl nicht zutreffen dürfte, so erläutert Seldon dem Mann auf dem Thron ein weiteres Zeichen des Verfalls.
Als sich Kaiser und Minister über diese Anmaßung erzürnen, legt der Mathematiker ihnen kühl dar, daß die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiser, durch Methoden eher zweifelhafter Legalität aus seinem Amt zu scheiden, innerhalb des letzten Jahrhunderts auf etwa 2:1 gestiegen sei. Von diversen Militärputschen einnmal abgesehen. Oder der Tatsache, daß die imperiale Hauptwelt Trantor, ein komplett über- und unterbauter Planet mit 40 Milliarden Bewohnern, keinerlei nützliche Dinge hervorbringt.
Trantor, die Welt-Stadt im wahrsten Sinne des Wortes, des griechischen Wortes οἰκουμένη für „Weltkreis” nämlich, ist eine Ökumenopolis. Man bezieht Energie aus Sonne und Wind und dem Planetenkern. Kein Quadratmeter des Bodens ist unbedeckt. Nur die allergrößten Ozeane und das Gebiet des Kaiserlichen Palastes – einige hundert Quadratkilometer – sind als Planetenoberfläche unter freiem Himmel erhalten geblieben.
Das planetarische Zentrum des Reichs frißt Weizen, Mais, Brot, Wurst und Gemüse aus aller Herren Sonnensysteme und produziert dafür Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Regularien. Die Bürokratie des Imperiums ist hierarchisch, wenig effektiv, unfaßbar gigantisch und vor allem vollständig abhängig von Frachtrouten über Hunderttausende von Lichtjahren. Die Existenz des gesamten Systems hängt am seidenen Faden, und der ist bereits arg ausgefranst. Trantor ist Herz und Hirn des Imperiums, aber es hängt am Tropf. Continue reading →

Das wahre Morgen

– IX –

Kollisionen

,,But when worlds collide, said George Pal to his bride: “I’m gonna give you some terrible thrills…”
The Rocky Horror Picture Show

Science Fiction als spezielle Form der Literatur und somit Bestandteil des etwas diffusen Gebildes, das wir “Kunst” nennen, ist also durchaus eine lehrreiche Sache. Wir lernen, wie erwähnt, daß der Macht der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind.
Diese Macht ist in der Lage, ganze Gruppen von Menschen zu beeinflussen und ihnen Dinge in den Kopf zu setzen, die wiederum sehr viel mehr Auswirkung auf die Leben dieser Menschen hatten und haben, als diese Personen zugeben würden. Oder mehr, als ihnen überhaupt bewußt ist.
Eine ganze Generation an Technikern, Ingenieuren, Astronomen, Computernerds und anderen Typen hatte es sich in den Kopf gesetzt, das Schicksal der Menschheit ein weiteres Kapitel voranzubringen auf dem unvermeidlichen Weg unserer Expansion zu den Sternen der Galaxis. Aus den unter der Bettdecke versteckten Lesern von Pulp-Magazinen und den studierenden Pickelgesichtern, die in den dunklen Ecken von gewissen Buchhandlungen diese seltsamen Romane mit leichtbekleideten Frauen drauf kauften, wurden in den 50er und 60er Jahren die Leute, die in einer neuen Behörde namens NASA die ersten Menschen auf den Mond hieven wollten. Nicht etwa, um den miesen Kommunisten eins auszuwischen, sondern einfach, weil es ging. Es mußte gehen, denn schließlich war der Weg der Menschheit ins All für diese Leute längst beschlossene Sache. Es mußte halt nur noch getan werden.

Man kann auch lernen, daß die Phantasie sehr wohl ihre Grenzen findet. Dann nämlich, wenn sie den physikalischen Bedingungen des echten Universums begegnet. Also kann man keine Kanone bauen, die Menschen zum Mond schießt. Das funktioniert nicht.
Was aber funktioniert, ist eben ein Raketenantrieb. Sobald man das Problem genauer Steuerung und ein oder zwei Fragen bezüglich Metallurgie und anderer Dinge mal in den Griff bekommt, versteht sich.
Schon steht der Eroberung des Weltalls nichts mehr entgegen. Nicht einmal diese Sache mit dem Dschungel der Venus, den es gar nicht gibt und auch nie gab. Oder die fehlenden Marsmenschen.
Hier greift wieder die Macht des Narrativs. Es kommt nicht so sehr auf die Details an, solange die eigentliche Geschichte lebendig bleibt. Das All gehört uns, ob jetzt mit oder ohne Dschungel. Das endlose Band des Fortschritts, getrieben vom Motor der Innovation, wird unweigerlich dafür sorgen, daß Mensch seine Heimatwelt verläßt und woanders hingehen wird. Wenn nicht in diesem Sonnensystem, dann im nächsten. Oder im übernächsten.
Wenn also jemand was Genaueres herausfindet über bisherige Annahmen und Hypothesen, muß man seine Vorstellungen der Realität anpassen, oder man macht sich lächerlich. Aber die Phantasie darf dabei nicht sterben. Wenn die Venus oder Mars eben doof sind, dann terraformen wir die einfach. Nur für den Fall, daß diese Geschichte mit den anderen Sonnensystemen etwas komplizierter sein sollte als gedacht.

Kein ernstzunehmender SF-Autor würde heute seine Weltraumkolonisten in der Zwielichtzone des Merkur siedeln lassen wollen oder Archäologen die Reste antiker Zivilisationen aus dem Marssand ausbuddeln lassen wie Edgar Rice Burroughs das getan hat. Oder Dinosaurier im dampfenden Dschungel der Venus eine Bedrohung sein lassen für tapfere Kolonisten der Erde, die ihre Felder mit Impulsstrahlern in der Nacht bei tosenden Tropengewittern gegen die einheimische Tierwelt verteidigen müssen. So wie bei Perry Rhodan zum Beispiel.
Niemand würde heute noch einen Roman schreiben wie die Reise zum Mittelpunkt der Erde oder überhaupt den Planeten Erde hohl sein lassen wollen. Wobei einer der schönsten Romane dieser Art genau an diesem Platz spielt.
Der Mondsee, geschrieben von einem Herrn namens Abraham Merritt, erschien im Jahre 1919. Die Handlung spielt in einer Welt unterhalb des Gebiets, das wir als Pazifik kennen. Ein Forscher, aufgeschreckt vom Hilferuf seines Kollegen, begibt sich in die Gefilde Polynesiens, dieser zig tausend im Südpazifik verstreuten Inseln und Inselchen. Dabei gerät er an ein Phänomen, das „Der Leuchtende” genannt wird. Der seltsame, lebendig wirkende Nebel entführt Menschen zu unbekannten Zwecken. Bei seiner Nachforschung gerät der Protagonist in eine Welt unterhalb der Erdoberfläche. Eine ganze Zivilisation befindet sich in gigantischen Hohlräumen unterhalb des größten Ozeans der Erde. Viel älter und technologisch höher entwickelt als die der Menschen. Continue reading →

Das wahre Morgen

– VIII –

Der Mond ist eine rauhe Geliebte

“Never underestimate the power of
human stupidity.”
Robert Heinlein

Natürlich dürfen in der Geschichte der Science Fiction auch die Frauen nicht unerwähnt bleiben. Denn wenn H. G. Wells und Jules Verne die Großväter des Genres sind, dann ist Mary Shelley auf jeden Fall die Oma.
Ihr „Frankenstein” ist inzwischen auch mehr als einmal verfilmt worden, im Original erschien das Werk anonym im Jahre 1818. Insofern ist Ms Shelley möglicherweise sogar die Uroma der SF. Der Untertitel des Romans ist „Der neue Prometheus” – über den Kerl hatte ich ja auch schon mal etwas geschrieben.
So wie der alte Prometheus den Göttern der Sage nach das Feuer geklaut hat, maßt sich der Mensch in Shelleys Roman an, Leben zu erschaffen aus unbelebter Materie. Oder in diesem Falle, ehemals lebender Materie, denn das berühmte Monster wird ja aus diversen Einzelteilen zusammengestrickt.
Der Wissenschaftler Frankenstein erzählt selbst seine Geschichte, die auch gleichzeitig Mahnung an die Zuhörer ist. Denn natürlich kann der Erfinder sein Werk nicht kontrollieren. Je nach Verfilmung wird er sogar ihr Opfer.
Shelley erinnert die aufblühende wissenschaftliche Gesellschaft ihrer Zeit daran, daß man nicht alles tun sollte, nur weil man sich dazu in der Lage sieht. Das manche Dinge vielleicht besser unbenutzt bleiben sollten, auch wenn die Erforschung ihrer Möglichkeit sehr wohl faszinierend sein mag.
Im heutigen Zeitalter von genetischer Nanotherapie, pränataler Optimierung und möglicher Klonierung des Menschen erhält ihre Vision des Monsters aus der Retorte eine ganz neue Aktualität.

Auch ein weiterer Vertreter der SF sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Nämlich – nach den Briten Shelley und Wells und dem Franzosen Verne – der Deutsche im Bunde. Kurd Laßwitz.
Der schrieb 1897 einen Roman namens „Auf zwei Planeten”. Diese beiden Welten sind Erde und Mars und hier kommt es zu einem Erstkontakt zwischen den Marsianern und den Menschen. Einem vorerst friedlichen Erstkontakt, im Gegensatz zum Ansatz von Wells. Zudem war der deutsche Schreiberling studierter Physiker und Mathematiker und griff in seinen Zukünften wesentlich weiter voraus als seine Kollegen. Außerdem schneidet Laßwitz sehr viel stärker gesellschaftliche Themen an.
Nach ihm ist der bedeutendste Preis benannt, den ein SF-Schreiber deutscher Sprache gewinnen kann. Denn der bereits erwähnte Hugo-Gernsback-Award geht nur an englischsprachige Schriftsteller.
Die elenden Angloamerikaner haben davon sogar zwei. Der andere Preis ist der der Nebula Award. Der Nebula  unterscheidet sich vom Hugo dadurch, daß er ein Kritikerpreis ist. Der Hugo wird dagegen vom Publikum verliehen, also denjenigen, die SF-Romane auch lesen. Was diese Leute generell von beruflichen Kritikern unterscheidet.
Der erste Gewinner des Nebula-Award war im Jahr 1965 ein Mann namens Frank Herbert. Das Buch hieß Dune. Zu diesem quasi gilgamesch-mäßigem Epos der SF muß ich nichts weiter sagen. Außerdem würde der Platz hierzu nicht ausreichen. Über den Wüstenplaneten Arrakis kann man durchaus bei einer oder zwei großen Schalen Tee ein gepflegtes Wochenende debattieren, wenn einem der Sinn danach steht. Insgesamt ist es einer der größten Weltentwürfe der Science-Fiction-Literatur, die ich kenne.
So wie sich jeder Autor von Fantasy von übernächtigten Klappentextschreibern unweigerlich mit Tolkien vergleichen lassen muß, bleibt der Vergleich mit Herbert keinem SF-Autor erspart, dessen Roman länger als 300 Seiten ist.
Eventuell wird der Fantasy-Schreiber auch mit Robert E. Howard verglichen, falls der Klappentextschreiber nicht nur schlaflos ist, sondern auch noch unter Drogen steht und das deshalb für eine völlig geniale Idee hält, auf die noch niemand vor ihm gekommen ist.
Mr Howard ist übrigens der Mann, dem wir das Universum von Conan verdanken. Ja, genau –  der Conan. Conan der Cimmerier, besser bekannt als Conan der Barbar. Der Urvater aller muskelbepackten Schwertschwingerfantasy mit halbnackten Frauen auf dem Cover. Eine Mode, der sich in den 40er bis 60er Jahren auch die SF anschloß.

Fantasy, so ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, beschreibt immer Welten, von denen sowohl Autoren als auch Leser wissen, daß sie nirgendwo reale Existenzberechtigung aufweisen. Diese Entwürfe benötigen keine Wissenschaftlichkeit. Niemand fliegt hier zu den Sternen – jedenfalls nicht, so weit ich das Genre kenne – und niemand führt hier tiefgründige Gespräche über die philosophischen Untiefen von Sein oder Nichtsein.
Die Schwerter sind nicht aus Licht, sondern aus ordentlichem, handgetemperten Stahl bester Güte. Was die Muskeln der Träger erklärt, denn so ein Ding schleppt man nicht ständig mit sich herum, ohne breite Schultern zu kriegen.
Völlig üblich ist hingegen in der Fantasy die Existenz von Magie in den jeweiligen Welten. Zauberer und Magier mitsamt ihren Tricks und Kniffen sind geradezu essentielles Beiwerk solcher Geschichten. Darum ist Tolkien auch Fantasy. Weil Gandalf. Continue reading →

Das wahre Morgen

– III –

Vorboten

»Insanity is relative. It depends on who has who locked in what cage.«
Ray Bradbury

Ein amerikanischer Professor fragte einmal seine College-Studenten, wie weit sich denn der Mensch in ihrer Lebenszeit von der Erde entfernt hätte. Also etwa seit 1980, das ist schon eine Weile her und auch Studenten werden älter.
Die minimal mögliche Antwort war „600 Kilometer”. Das entspricht etwa einem Zehntel des Erdradius, denn unser Heimatplanet weist einen Äquatorialdurchmesser von 12.756 Kilometern auf und ein Radius ist ein halber Durchmesser.
Diese Zahlen habe ich jetzt nicht nachgeschlagen, die liegen in meinem Kopf rum, seitdem ich irgendwann Anfang der Achtziger begann, jede Menge Zeugs über Astronomie zu lesen, vorwiegend mit unserem Sonnensystem als Hauptdarsteller. Ein paar Dinge sollte man über den eigenen Planeten wissen, beispielsweise die mittlere Dichte von 5,5 Gramm/cm³ oder die Fluchtgeschwindigkeit von 11,18 km/s oder die Schwerebeschleunigung von 9,81 m/s². Ganz besonders, wenn einen der Collegeprofessor schwierige Dinge fragt.

Die weiteren Antworten im Angebot waren 6.000 Kilometer, also ein ganzer Erdradius. Dann 36.000 Kilometer. Das mag seltsam erscheinen, ist aber die gerundete Zahl für einen geosynchronen bzw. geostationären Orbit.
Geosynchron bedeutet lediglich, daß sich der umlaufende Körper exakt so schnell um die Erde bewegt, wie diese selber rotiert. Dabei kann das Objekt auch gegen die Rotationsrichtung der Erde fliegen – das wäre ein gegenläufiger Orbit. Oder es fliegt über die Pole, dann ist das eine Polarbahn.
Der spezielle Spezialfall ist der erwähnte geostationäre Orbit. Die exakte Zahl hierfür ist 35.786 Kilometer. Denn nach den Gesetzen, die der schon einmal erwähnte Herr Kepler im 16. Jahrhundert aufstellte, bewegen sich Dinge, die um andere Dinge kreisen, um so langsamer, je weiter weg sie sind. Oder um so schneller, je näher sie dran sind.
Die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde beträgt 465 Meter pro Sekunde. Was nicht besonders beeindruckend klingt, sich aber auf etwa 1.670 Kilometer pro Stunde summiert, was wiederum eine ganze Menge ist. Nur in dieser einen Entfernung ist ein Satellit also so schnell, daß er immer über dem gleichen Punkt der Erdoberfläche steht. Bei sehr vielen Wetter- und Kommunikationssatelliten ist das der Fall. Ein geostationärer Orbit liegt deshalb auch immer auf Äquatorhöhe.

Die angefragte Höhe von 600 Kilometern läuft astronomisch unter “LEO”, das ist die Abkürzung für Low Earth Orbit. Die Entfernung von 6.000 Kilometern liegt bei “MEO”, was, logisch konsequent, Medium Earth Orbit bedeutet. Er liegt zwischen 2.000 und den besagten 36.000 Kilometern, die der Professor als dritte Möglichkeit anbot.
Die Möglichkeit Nummer Vier lautete dann “385.000 Kilometer”. Ebenfalls eine Zahl, die ich aus Jugendtagen heraus sofort erkennen würde. Sie bezeichnet die mittlere Entfernung von der Erde zum Mond. Möglichkeit Fünf lautete schlicht “Jenseits des Mondes”. Continue reading →

Weihrauch und Glitzerstaub

,,The study of economic lift-off is well developed; touch-down has not been considered.
There is an asymmetry here which would invite comment if applied to aviation.”

David Fleming

Nicht nur einen, nicht nur zwei, nein – gleich sieben erdähnliche Planeten haben die unermüdlichen Planetenjäger auf der Erde in der vorletzten Woche entdeckt.
Donald Trump – immer noch Präsident der USA, jedenfalls offiziell – hat die wunderbare NASA gebeten, ihre neue Superrakete doch bitte mal schneller auf Vordermann zu bringen als geplant. Also 2019 und nicht erst 2021. Die Erbsenpistole der Demokratie schreibt hierzu einen Artikel unter dem ganz großartigen Titel “Donald Trump will schnellstmöglich zum Mond”.
Nun, wenn das der Wahrheit entspräche, sollte man dem Mann diesen Wunsch erfüllen.
Leider handelt es sich um dieselbe NASA, der permanent Gelder gekürzt werden, da Mitglieder der Republikaner es für völlig unnötig halten, mit Satelliten die Erde zu beobachten und somit etwa Daten über die Eisbedeckung am Nordpol zu gewinnen oder derartig unsinniger Kram. Wissenschaft – pah! Niemand braucht so etwas.
Es ist auch derselbe Präsident, der den US-Rüstungsetat um 54 Milliarden Dollar erhöhen will. Grandiose und absolut fantastische Begründung: “Wir müssen wieder Kriege gewinnen.” Denn die US-Armee sei durch die vielen Finanzkürzungen völlig “ausgelaugt”. Keine weiteren Fragen.
Obwohl – doch. Eine hätte ich da schon. Welche Kriege eigentlich?
Und hat irgendwer dem Kerl im Oval Office mal erzählt, daß die USA mehr Geld ausgeben für ihr Militär als die nächsten sechs Nationen auf der Liste der rüstenden Ritter? Darunter sind dann so Zwergstaaten wie China oder Rußland. Dieser Typ weiß echt genau gar nichts über die Verhältnisse außerhalb seines Kopfes, also der realen Welt. So sad!

Die von Tesla-CEO Elon Musk aus der Taufe gehobene private Weltraumfirma Space-X kündigte derweil an, man wolle ab 2018 Touristen zum Mond bringen. Beziehungsweise, mit denen um den Mond herumfliegen. Natürlich dürfte ein derartiges Ticket ein exorbitantes Sümmchen kosten, denn das Verlassen des irdischen Gravitationstrichters ist mit enormen Energieaufwand verbunden und das kostet. Verdammte Physik!
Auch das von Musk geplante Projekt Hyperloop kommt voran. Studenten der TU München haben einen Preis gewonnen für das Design einer Kapsel, mit denen dieses Verkehrsmittel der Zukunft ausgestattet sein soll.

Warum erwähne ich das eigentlich alles?
Weil es exakt dem entspricht, worüber ich hier gerne mal schreibe, was ich hier beschreibe und das uns eindeutig in den Allerwertesten beißen wird. Also, uns alle, so als Zivilisation. Der Mythos des Fortschritts. Überall entdecke ich in den letzten Tagen wieder wunderschöne Beispiele des Alltags für das, was ich so vor mich hin schreibe in der Bambushütte am Rande der Zivilisation. Continue reading →

Mythopolis

– VII –

Fahrstuhl außer Betrieb

„You never change things by fighting
the existing reality.”
Richard Buckminster Fuller

Ausgerechnet im Orbit um Proxima Centauri haben Astronomen der Erde jetzt vielleicht einen Planeten gefunden, der wieder einmal in die Kategorie „erdähnlich” fällt. Jetzt muß man dazu anmerken, daß Astro-Nerds da wesentlich großzügiger sind als der normale Durchschnittsmensch. Erdähnlich bedeutet für den Normalo den jeweils bevorzugten Urlaubsort mit endlosen Sandstränden. Ohne Plastikmüll, Sonnenbrillenverkäufer und vorzugsweise auch ohne andere Urlauber, denn man fliegt ja nicht achttausend Kilometer irgendwohin, um dann da den Nachbarn zu treffen.
Nein, man fliegt achttausend Kilometer irgendwohin, um dann nach seiner Rückkehr lauthals darüber zu meckern, wie grauenvoll das Essen dort war und auf was für grauenvollen Toiletten man sich dieses Essens wieder entledigen mußte. Um dann gerne mit dem Satz zu schließen, daß es ja zu Hause am schönsten ist.
Wobei ich mich dann automatisch frage, warum alle diese Leute in den Urlaub fliegen. Da könnte man sich selber und dem Klima eine Menge Ärger ersparen. Und Geld.
Konsequenterweise freue ich mich aber immer über die Urlaubszeit, weil dann dreißig Millionen Deutsche dieses Land verlassen. Da kann ich dann immer live erleben, was für ein unerträglicher Albtraum dieses Land hier wäre, wenn hier nur noch fünfzig Millionen Menschen lebten, wie irgendwelche deutschnationalen und Pseudo-Konservativen ja immer wieder als Schreckgespenst an die Wand malen.

Aber egal. „Erdähnlich” heißt also im Kopf fast aller Menschen: „Da, wo ich es am geilsten fände”.
Also zum Beispiel Ursa Minor Beta, wo es jede Menge subtropischer Küsten gibt und fast überall immer Samstagnachmittag ist, kurz bevor die Strandbars schließen. Wobei ich vermute, daß es sich dabei um einen Fehler handeln muß. Keine anständige Strandbar, die den Namen verdient, schließt am Samstagnachmittag.
Astronomen nennen Planeten „erdähnlich”, die keine Gasriesen sind wie Jupiter oder Saturn, sondern aus Dreck bestehen. Also Felsen und Steinen unterschiedlicher Qualität. Schon das Vorhandensein einer Atmosphäre ist für solche Welten nicht mehr erforderlich, je nachdem, welchen Astronomen man so fragt.
Wiederum andere erwarten Atmosphäre, aber die kann aus Schwefel, Methan und Chlor bestehen, das ist egal. Wer redet von Atmen? Überflüssiger Luxus.
Noch wiederum andere erwarten eine Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre und auch noch flüssiges Wasser. Das ist dann das, was in Serien wie Star Trek immer als “Klasse M-Welt” bezeichnet wird. Wenn denn die Größe stimmt. So ein Gesteinsplanet, der dreimal so groß ist wie die Erde, wäre nämlich womöglich auch dreimal so anziehend und das wäre wenig angenehm für Menschen. Solche Planeten fallen übrigens in die Kategorie der „Supererden”.

Ganz allgemein sollte sich eine Welt mit dem Attribut „erdähnlich” in einer Zone um ihren Zentralstern bewegen, die brauchbare Temperaturen ermöglicht und somit das Vorkommen von dauerhaft flüssigem Wasser. Im Englischen ist das die „Goldlöckchen-Zone”. Im Deutschen ist das die Ökozone oder habitable Zone, was wesentlich pragmatischer ist, aber die Sache auch korrekt beschreibt, wenn der Zuhörer über zehn Jahre alt ist.
So einen Planeten hat man jetzt also ausgerechnet um Proxima Centauri nachgewiesen. Vielleicht. „Ausgerechnet” deswegen, da Proxima natürlich der erdnächste Nachbarstern ist, wie man dem Namen bereits entnehmen kann. Dieses Klischee ist derartig abgedroschen, daß kein SF-Autor mit einem Funken Selbstachtung in diesem Sonnensystem irgendwelche Aliens leben läßt. Jedenfalls nicht mehr in moderner SF, sagen wir mal, allem, was nach 1980 geschrieben wurde.

Warum ist diese Meldung so aufregend?
Simple Begründung: Weil solche Dinge immer so verkündet werden, als müßten wir nur in den Bus steigen und wären dann bald da. Ein Planet in nächster Nähe bedeutet für viele Menschen geistig etwas Ähnliches wie „erdähnlich”. Es bedeutet nämlich „erreichbar”. Continue reading →

Eintagsmenschen

„Welcome! Sulphur dioxide
Hello! Carbon monoxide
The air, the air is everywhere.”
Hair

Wieder einmal nähert sich unsere Reise auf diesem Steinbrocken, der eine kleine, gelbe, völlig aus der Mode gekommene Sonne in der äußeren Westside der Galaxis umkreist, einem zyklischen Endpunkt. Das Jahresende naht, also der Punkt, den die hier vorherrschende Spezies auf ihrem vorherrschenden Kalendersystem willkürlich als Schluß auf einer mehr oder weniger kreisförmigen und somit eigentlich unendlichen Bahn markiert hat. Vorher haben wir noch die Wintersonnenwende, danach werden die Tage wieder langsam etwas länger, am 3. Januar wird die Erde dann ihr Perihel durchlaufen, also den sonnennächsten Punkt der Umlaufbahn um besagte gelbe Sonne. Rein astronomisch eine G2 V übrigens.
Ja, wir haben zwar Winter, aber trotzdem befindet sich die Erde hier am sonnennächsten Punkt. Es gibt Menschen, die irrtümlich annehmen, die Entfernung von der Sonne habe etwas mit den Jahreszeiten zu tun, und die deshalb glauben, wir wären im Winter weiter weg von der Sonne. Schon bei kurzer Überlegung entpuppt sich das natürlich als unlogisch, denn während hier auf der Nordhemisphäre Winter ist, ist ja auf der anderen Seite des Planeten Sommer. Über den Daumen gepeilt dürften aber beide Hälften des Planeten etwa gleich weit von der Sonne entfernt sein. Oder gleich nah dran, wie auch immer. Wie kann es also hier kalt sein und im Süden warm, wenn das an der Entfernung zwischen Erde und Sol liegen soll?
Logische Antwort: Es kann nicht daran liegen.

Der etwas schlauere Mensch weiß natürlich, daß die Jahreszeiten dadurch entstehen, daß die Erdachse geneigt ist und nicht senkrecht auf der Ekliptik steht. Das ist die Ebene, in der alle Planeten die Sonne umkreisen. Der Neigungswinkel zur Senkrechten liegt im Falle der Erde bei etwa 23,4 Grad – das beschert uns die Jahreszeiten auf unserer Welt. Denn durch diese Neigung hat ein- und derselbe Ort im Laufe eines Jahres unterschiedliche Sonnenhöhen über dem Horizont und somit mehr Sonnenlicht, das auch noch in steilerem Winkel auftrifft. Oder eben weniger Licht in flachem Winkel. Hat man da, wo ich so rumwohne, im Winter mit Glück sieben Stunden Tageslicht, so kommt man im Sommer manchmal auf mehr als sechzehn Stunden, also locker das Doppelte. Dazu kommt noch die Erhöhung des Einfallswinkels von vielleicht 15 Grad auf 50 Grad. Die Sommersonne läßt also eindeutig mehr Energie an meinem Wohnort zurück als die Wintersonne. Deswegen ist es eben heiß oder kalt.

Während wir also auf einem Stein um die Sonne kreisen, oder besser, ellipten, pendelt die Erdachse hin und her, sie zeigt nicht stabil in eine Richtung. Würde man aktuell die Erdachse in einer Grafik nach rechts geneigt einzeichnen, müßten Astronomen der Zukunft das nach links tun, denn im Laufe der sogenannten Präzessionsbewegung durchwandert die Achsneigung einmal die 360° eines Vollkreises, sie schwankt also von ganz rechts rüber nach ganz links.
Aktuell ist unsere Nordhalbkugel von der Sonne weg geneigt und es ist Winter. In etwa 13.000 Jahren wird sie der Sonne zugeneigt und im Dezember dann Sommersonnenwende sein. Glücklicherweise berücksichtigt unser Kalendersystem das durchaus, sodaß der Sommeranfang des Jahres 15015 ndZ trotzdem im Juni liegen wird. Das heute klassische Wintersternbild des Orion wird dann allerdings ein Sommersternbild sein. Auch wird es nicht mehr vollständig an unserem Himmel sichtbar sein, wie das heute der Fall ist. Nicht einmal der Polarstern wird um diese Zeit noch derselbe sein, denn bis dahin hat die Wanderung der Achse den Zielpunkt am Himmel auf die Wega verschoben. Ist aber kein Grund zur Panik, denn nach weiteren dreizehn Jahrtausenden ist dann alles wieder so wie heute, zumindest fast. Diese komplette Bewegung der Erdachse umfaßt also 26.000 Jahre, man nennt das Zyklus der Präzession oder auch Platonisches Jahr. Continue reading →

Der Sieg der Grauen Herren

– I –

Die neue Zeit

„Wer hat an der Uhr gedreht?
Ist es wirklich schon so spät?”
Paulchen Panther

Erde, Beginn des 16. Jahrhunderts ndZ. Ein Mann namens Peter Henlein verbindet in Nürnberg den Federantrieb mit einer sogenannten Federbremse und baut das ganze Konstrukt in ein Gehäuse ein, das klein genug ist, um in eine Tasche gesteckt zu werden. Die erste echte Taschenuhr hat das Licht der Welt erblickt. Wenn sie nicht in der dunklen Tasche verschwindet, natürlich.
Das Werk ist noch immer recht ungenau, die Uhr erhält deswegen nur einen Stundenzeiger. Erst deutlich später, etwa anderthalb Jahrhunderte nach Henlein, um genau zu sein, wird die Spindelhemmung in Uhren eingebaut und diese erhalten einen Minutenzeiger, da sie sich jetzt nicht mehr dafür schämen müssen, einen zu haben.
Mit der weiteren Entwicklung werden die neuen Zeitmesser genauer, kleiner, flacher und die Uhrmacherkunst zu einem Beruf, der dem des Neurochirurgen an nötiger Präzision in nichts nachsteht. 1600 ndZ setzt der spanische König einen Preis für denjenigen aus, der eine Uhr erfindet, mit der man das Längenproblem lösen kann. Was heutzutage keinerlei Problem darstellt, war nämlich zu der Zeit sehr wohl eines.
Für die Bestimmung der exakten Position auf der Erdoberfläche benötigt man den Breiten- und Längengrad. Die Bestimmung der Breite erfolgt bereits seit langer Zeit über den Polarstern. Bei den Griechen hieß der Stern Phoenice, was wiederum “der Phönizische” bedeutet, also noch weiter in die Vergangenheit weist. Astronomisch ist das α Ursae Minoris und ein Trinär-System aus einer F7 Ib, einer F6 V und einer F3 V – das sind die Spektralklassen dieser Sterne. Unsere Sonne sieht daneben etwa wie das Streichholz vor dem Waldbrand aus. Oder vor dem Plasmaschweißbrenner.

Das Sternbild selbst ist der Kleine Bär, im Deutschen ist das der Kleine Wagen. Wir Deutschen hatten es ja schon immer mehr mit Autos als mit Bären, deswegen finden wir die am Himmel leichter. Im Gegensatz zu manchen Geschichten, die mir schon zu Ohren gekommen sind, findet man Polaris nicht, indem man die Achse des Großen Wagens verlängert, sondern das Hinterteil, also sozusagen den Kasten des Wagens.
Wenn man den Abstand zwischen den beiden hinteren Sternen am Großen Wagen um das etwa Fünffache nach „oben” verlängert, landet man beim Polarstern. Um Fehler zu vermeiden, sollte man einmal kurz hinschauen, ob sich um diesen hellen Punkt noch andere befinden. Wenn ober- und unterhalb nichts ist, hat man den richtigen gefunden. Ansonsten hat man vermutlich die Deichsel des Kleinen Wagens an einer anderen Stelle erwischt.
Heutige Astronomen mogeln natürlich, die richten einfach große Kameras auf den Himmel und lassen die lange belichtete Fotos machen. Der Stern, dessen Bewegung keinen Kreis auf das Bild zeichnet, ist der Polarstern. Der wiederum steht am Äquator über dem Horizont, in unseren Breiten – wie man so sagt – rückt er immer näher zum Zenit des Himmels auf. Die Winkelhöhe dieses Sterns, um den sich alle anderen am Himmel zu drehen scheinen, gibt einem den Breitengrad an und diese Winkelhöhe ließ sich schon vor Urzeiten recht zuverlässig messen. Nicht zu verwechseln mit den Uhrzeiten, um die es im Folgenden gehen soll. Continue reading →

Das falsche Morgen (I)

„The future will be better tomorrow.”
Dan Quayle

Tä-TäTä TäTäTäTä-Täää-TäTää…das Weltall, unendliche Weiten.

Wir befinden uns im Jahr 2057.
Ihre Krankenkasse überwacht morgens beim Pinkeln ihren Urin und erstellt daraufhin direkt einen Ernährungsplan, weil sie am Vorabend gesoffen haben.
Ihr smartes Haus sagt ihnen, wie das Wetter ist, während sie vor dem Badezimmerspiegel stehen, dabei verdunkelt es gleichzeitig die Fenster, damit sie von der tiefstehenden Morgensonne nicht geblendet werden.
Ihre Kaffeemaschine – Entschuldigung – ihr vollvernetzter Fair-Trade-Handelsgut-Zubereiter läßt derweil dreifach entkalktes Wasser über handgestreichelte und bei Neumond geerntete Bohnen laufen und bestellt selbständig den Mechaniker, weil mit dem Mahlwerk was nicht stimmt. Oder er bestellt gleich einen neuen, noch smarteren FTHGZ, denn immerhin ist ihr eigenes Exemplar schon elf Monate alt, da gibt es natürlich längst was Besseres.

Von der Bestellung merken sie auch überhaupt nichts, jedenfalls nicht, bis ihr Kreditchip im Handgelenk sie mit einem orangenem Leuchten daran erinnert, daß sein Wert nicht mehr ganz so hoch ist, wie er vielleicht sein sollte, und sie auf der Arbeit ein automatisches Schreiben ihrer Hausbank – oder besser, ihres Bankcomputers – erhalten, in dem die ganzen Zahlen aufgelistet sind, die da so aufgelaufen sind in den letzten zehn Tagen.
Da können sie dann auch gleich die Sonderabbuchung ihrer Krankenkasse finden, wegen der schlechten Werte im Urin. Ihr Konsumindex ist trotzdem zu niedrig, die Mail erinnert sie höflich daran, daß sie ihre staatsbürgerliche Durchschnittsverschuldungsquote noch immer nicht voll ausgeschöpft haben. Continue reading →