Verschleißerscheinungen

,,Was meinen Sie, was hier los wäre, wenn mehr Menschen begreifen würden, was hier los ist?“
Volker Pispers

Die Journalistin Amy Goodman stand in den USA vor Gericht und war von einer Gefängnisstrafe bedroht. Klingt jetzt nicht sonderlich aufregend.
Allerdings lautete die Anklage des Staatsanwalts gegen Ms Goodmann auf „riot“, das ist also so etwas wie „Anstiftung zum Aufruhr“.
Ms. Goodman hatte als Reporterin über die „Dakota Access Pipeline“ berichtet, und zwar im September. Besser gesagt, über die Proteste dagegen. Das war einigen Sicherheitskräften Anlaß genug, sie festzunehmen, unter der Beschuldigung von „trespassing“, also so etwas wie „schwerem Landfriedensbruch“ in deutschen Äquivalenten. Und die übliche bullshit-Beschuldigung, wenn einem nichts mehr einfällt. Die Reporterin ist also vor Gericht gelandet, weil sie ihren Job gemacht hat. Sie hat über Dinge berichtet, die sie oder ihre Redaktion für berichtenswert und öffentlich wichtig gehalten haben. Der zuständige Richter hat die Klage glücklicherweise abgewiesen, am Montag.
Allerdings ist das bei weitem nicht der erste Fall dieser Art in Obamas Amerika, das ja neben seiner Freiheit, wild um sich zu ballern, gerne auch immer die Freiheit seiner völlig ungelenkten Medien betont. Aber natürlich sind wir die Guten.

Diese Pipeline, über die Ms Goodman da berichtete, wird auf der entsprechenden Propagandaseite der Erdölindustrie beschrieben als „Verbindung von den sich rasant ausdehnenden Produktionsgebieten im Bakken und Three Forks“ zu den Raffineriemärkten. Die in diesem Falle in Illinois liegen. Ausgelegt wäre diese Pipeline, die hier als Symbol des Umweltschutzes angepriesen wird, für knappe 600.000 Barrel pro Tag.
Das Lustige daran ist, daß Fracking so ziemlich die umweltschädlichste Methode ist, um überhaupt an Öl und Gas heranzukommen. Aber dieses Öl transportieren wir dann über 1.200 Meilen nicht mit dem Zug, wie es aktuell geschieht, sondern eben mit der Pipeline. Um „kosteneffektivere Märkte“ zu erreichen.

Schaut man sich einmal die Förderzahlen der US-Frackingindustrie an, wird einem sehr deutlich vor Augen geführt, daß die Ölförderung in den genannten Gebieten bereits seit Monaten absinkt. Das Bakken Field wird also mit großer Wahrscheinlichkeit bis 2020 – meine persönliche Schätzung – ohnehin kein Öl mehr auf den Markt bringen. Seinen Peak, also den Höhepunkt der Förderung, hat es jedenfalls bereits deutlich überschritten.
Da mehr als die Hälfte aller größeren Firmenpleiten dieses Jahres in den USA sich auf die Öl- und Gasindustrie erstrecken – ich hatte das in der Jahresvorausschau leise angedeutet – muß man sich natürlich die Frage stellen, warum man die Pipeline noch brauchen sollte.
Simple Antwort: Braucht man gar nicht. Es ist ein typisches Projekt, mit dem irgendwelche Öltypen verzweifelt weiter versuchen, ihre Kosten zu drücken, damit man so tun kann, als wäre Fracking eine Idee mit Zukunft.
Schon im letzten Jahr haben die Firmen in North Dakota darauf plädiert, daß der Bundesstaat doch bitteschön für sie seine Gesetze bezüglich der Verklappung radioaktiver Abfälle ändern solle. Denn derartige Dinge machen es in Zeiten sinkender Ölpreise so furchtbar schwierig, die Firmenbilanz weiter profitabel aussehen zu lassen. Und immerhin leiht man sich ja mit diesen Zahlen das Geld von Banken, um den Laden weiter am Laufen zu halten.
In North Dakota liegen auch die erwähnten Regionen wie Bakken und Three Forks. Ich wußte bisher nicht einmal, daß bei dieser Sauerei auch radioaktiv belastete Abfälle entstehen. Jetzt weiß ich es. Offensichtlich werden beim Fracken auch im Boden enthaltene Isotope mit in den ganzen chemischen Sabber eingespült, den man da in den Boden pumpt, um das Gestein aufzubrechen. Das ist also etwa so wie radioaktiver Fallout aus Kohlekraftwerken. Schlicht unvermeidlich. Außer, man frackt eben nicht und verbrennt keine Kohle.

In einem sonnigeren und umweltfreundlicheren Bundesland hat derweil die Ölindustrie eben diese zum Fracken benutzte Chemiebrühe in den Boden gepumpt. Nun ja, irgendwo mußte die halt hin und da dachte man sich in Kalifornien wohl, warum nicht in den Boden?
Eine mögliche Antwort wäre hier gewesen: „Weil im Boden eben Grundwasser fließt, du Vollidiot“. Da wird die Geschichte dann unangenehm. Denn wenn man zum Verklappen des leckeren Saftes Grundwasseradern benutzt, ist das Grundwasser nicht länger frisch. Böse Zungen würden es „verseucht“ nennen.
Anders gesagt: Statt den giftigen Mist oberirdisch in Flüsse zu leiten, wie man das vor einem Jahrhundert einfach gemacht hätte, haben kalifornische Behörden den Öltypen erlaubt, unterirdische Flüsse zu verseuchen. Denn nichts anderes hat man da gemacht. Man hat Frischwasser im Boden als Müllhalde benutzt.
Eine wahrlich extrem clevere Entscheidung in einem Gebiet, das nach Aussagen von Biologen, Klimatologen und anderen Labormäusen gerade eine „historische Dürre“ erlebt.
Was natürlich Blödsinn ist. In Kalifornien herrscht gar keine Dürre. Das Gebiet kehrt in einen ökologischen Zustand zurück, den es über sehr lange Zeit hatte. Diese aktuelle Zeit ist nicht besonders trocken. Es ist leider so, daß das 20. Jahrhundert ungwöhnlich naß war in der Region. Das ist natürlich blöd, wenn man gerade in dem Jahrhundert Dämme und Deiche baut, das Central Valley in der Wüste in einen Gemüsegarten mit Pfirsichbäumen verwandelt und auch die Wasserrechte vergibt.
Aber so ist das eben mit Ökologie und langfristigen Zusammenhängen, da greift Mensch gerne mal ins Klo.
Von der sogenannten Dürre sind übrigens auch die Bundesstaaten Oregon, Arizona, Nevada, New Mexiko und Utah betroffen. Grüne Paradiese waren die noch nie, das weiß jeder, der mal Western mit John Wayne gesehen hat. Aber der Trend geht eben im Südwesten der heutigen USA eindeutig zur Wüste und das wird auch so bleiben für die nächsten paar Jahrhunderte.

Wir müssen uns nicht fragen, wie eine zerfallende Industriegesellschaft aussehen könnte. Wir leben in einer.

Ebenfalls in Kalifornien wurde jetzt eine Firma, die sich mit der Förderung und Lagerung von Gas beschäftigt, zu einer sehr milden Strafe von 4 Millionen Dollar verurteilt. Ja, Millionen. Der Laden war verantwortlich für das größte Gasleck der Fördergeschichte des Bundesstaates, in einer Gegend mit dem Namen Alison Canyon. Im September mußten deshalb 8.300 Haushalte evakuiert werden.
Selbst die nicht als gerade links-ökologisch bekannte Washington Post zitierte eine Studie, die das Gasleck als „wahrscheinlich größte Klimakatastrophe der USA“ bezeichnet.
Es hat nämlich fast vier Monate gedauert, das Leck wieder zu verschließen, etwa 96.000 Tonnen Methan sind in die Atmosphäre gerauscht. Nur für den Fall, daß irgend jemand noch einmal über BP und deren Unfähigkeit im Golf von Mexiko lästern möchte.
Das aus dem Bohrloch entwichene Methan wird der Menschheit jedenfalls noch viel Freude bereiten. Dafür sind vier Millionen Dollar natürlich ein angemessener Preis, die Firma wird es bestimmt nicht wieder tun.
In einer Stadt namens Flint, Michigan, ist derweil das Wasser noch immer mit Blei verseucht. Nicht erst seit gestern. Seit nunmehr über zwei Jahren. Das Ereignis ist ebenso wie das in Kalifornien Teil der Infrastrukturkrise der USA. In Kalifornien waren es marode Ausrüstungsteile.
In Flint, einer totalen Pleitestadt und Heimat des Filmemachers Michael Moore, hatte der vom Gouverneur eingesetzte Insolvenzverwalter vor einer Weile beschlossen, kein teures Trinkwasser mehr von den Wasserwerken zu kaufen, sondern direkt den örtlichen Fluß anzuzapfen. Wenig später beschwerten sich Anwohner über Geschmack und Farbe des unbehandelten Flußwassers. Und die örtliche Fabrik von General Motors beschwerte sich darüber, daß das Flußwasser Autoteile korrodieren ließ.
Die ganze Geschichte hat inzwischen einen eigenen Wikipediaeintrag und liest sich ein bißchen wie ein „How to…“ in Sachen beschissener Lokalpolitik und Umweltkriminalität. Ein leuchtendes Beispiel für die Handhabung kostbarer Ressourcen durch das freie Unternehmertum und den Schaden, den korrupte Beamte beim Sparen an der falschen Stelle anrichten können.

Nun ja, all das läßt sich sicherlich in den Griff bekommen. Stimmt. Die USA müßten nach konservativen Schätzungen nur etwa 2 Billionen Dollar in ihre Infrastruktur investieren, dann geht das alles schon wieder. Ich rede von echten Billionen, versteht sich. Ist nur blöd, daß diese Investitionen wohl nicht stattfinden werden. Vermutlich wird man bald das Geld benötigen, um wieder mal die Weltwirtschaft zu retten.

Der geht es nämlich schlecht, der Weltwirtschaft. Gerüchten zufolgen sollen die chinesischen Exporte um 10 Prozent gesunken sein. Die inzwischen völlig bewußtlose Propagandaredaktion der Wirtschaftsabteilung des Magazins „Bild im Spiegel“ kommentiert das im Teaser mit

Das Minus weckt große Sorgen um die chinesische Wirtschaft“.

Nachdem ich mich hier von meinem Lachanfall erholt habe, muß ich dieses brillante journalistische Werk näher beleuchten.
Warum bitteschön sollte man sich Sorgen um die chinesische Wirtschaft machen, wenn die weniger exportiert?
Denn das bedeutet ja vermutlich, daß irgendwer, der bisher chinesischer Kunde war, weniger einkauft. Soviel Wirtschaft kann wohl jeder noch.
Das jedoch heißt logischerweise, daß es nicht der chinesischen Wirtschaft schlecht geht, sondern der Weltwirtschaft. Denn die war ja bisher immer der Käufer für den Plastiknippes aus chinesischen Sklavenfabriken. Allen voran natürlich die USA. China produziert, Wal-Mart verteilt den ganzen Mist.
Statt das einfach mal so zu schreiben, wie es faktisch korrekt wäre, tut man im beleidigten Unterton so, als wäre China schuld. An allem, natürlich.
Klar geht es auch dem Exporteur schlechter, der verkauft ja weniger.
Allerdings ist es dann immer noch ein Weltwirtschaftsproblem, kein speziell chinesisches. Aber irgendwie müssen die ja schuld sein, die gottlosen Kommunisten.
Als Lösung spricht China davon, daß es innovativer werden will und durch mehr Dienstleistungen den Binnenkonsum ankurbeln. Ein großartiger Plan, der hat auch bei uns in Europa und anderswo schon immer prima funktioniert. Aber zumindest rufen dann demnächst chinesische CallCenter chinesische Kunden an und gehen denen auf den Sack.

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Bild 1: Ist auch nicht mehr das, was er mal war: Der chinesische Drache.
Da sich aus für Ökonomen unerklärlichen Gründen ein Teil der Kunden plötzlich weigert, weiterhin so viel einzukaufen wie bisher, fallen Chinas Exporte auf ein neues Tief.

Die Weltwirtschaft macht auch anderen Leuten Sorgen, nämlich dem IWF. Irgendwie scheint die dahindümpelnde Weltwirtschaft partout nicht in Schwung kommen zu wollen. Jetzt hat man den Schuldigen gefunden: die USA.
Denn die hätten eine entäuschende Wirtschaftsentwicklung, so der Tenor des Weltwährungsfonds. Seltsam, das klingt immer so anders, wenn die neueesten Arbeitsmarktzahlen von drüben an der Börse in Deutschland nach oben gelobt werden. Oder im Wahlkampf in den USA. Besonders schön finde ich den Ausdruck im World Economic Outlook, die Weltwirtschaft bewege sich „seitwärts“.
Denn insgesamt gibt es global eben Aufwärts- und woanders Abwärtsbewegungen. Was sich ökonomische Idioten einfallen lassen, nur um Worte wie „Stagnation“ oder gar „Schrumpfung“ nicht benutzen zu müssen – es ist mir immer wieder eine innere Lichterkette.
Als Gegenmaßnahme schlägt der IWF vor, Handelsbarrieren abzubauen, die Niedrigzinspolitik weiter beizubehalten und vor allem auf keinen Fall in Protektionismus zu verfallen. Zölle und Binnenwirtschaft sind des Teufels! Nur die Globalisierung wird uns retten!
Prima Idee. Es sei denn, die Globalisierung ist eventuell Ursache des Problems und nicht Lösung. Aber das ist natürlich undenkbar.
Wissen die obersten Verkünder dieses Gremiums eigentlich, daß sich die USA mit Schutzzöllen vor dem Import von Ethanol aus Brasilien abschotten, damit die einheimische Maisindustrie möglichst viel hochsubventionierten Genmais zu „Bio“sprit verarbeiten kann?
Ich finde, das sollte denen mal einer sagen.

Vielleicht kann man der gestreßten Weltwirtschaft auch einfach helfen, indem man mehr innovative Firmen an die Börse bringt. So wie Snapchat beispielsweise. Der Laden soll aktuell etwa 25 Milliarden wert sein.
Snapchat bietet eine Plattform an, mit der man Handyfotos kurz mit einem Text versehen kann und sie dann verschicken. Die Bilder werden nach einer Stunde wieder gelöscht. Ich vermute, so lange braucht die NSA, um die Daten abzugreifen und auf ihren Servern zwischenzulagern, für spätere Verwendung. Bezeichnenderweise nennt man so etwas ein Einhorn an den Börsen. Die sind ja bekannntlich Fabeltiere und existieren deshalb nicht. So, wie auch die exorbitanten Gewinne und Geschäftsmöglichkeiten der Firmen nicht existieren. Und ihr Wert auch nicht.
Falls die Chinesen also mal einen Blick auf eine „Dienstleistungswirtschaft“ im Endstadium der Vollverblödung werfen möchten – das wäre ein guter Moment.
Ich nehme an, der nächste Laden wird dann eine App programmieren, mit der man ausschließlich sabbernde Emojis verschicken kann und sonst nichts.
Dann muß niemand mehr tippen und auch keine Fotos mehr machen. Börsenwert vermutlich etwa 100 Milliarden Dollar. Noch mehr zusammenphantasierte Werte aus Taka-Tuka-Land. Das wird die industrielle Zivilisation sicherlich retten.

Vielleicht muß aber auch demnächst Facebook abgeschaltet werden. Denn die traditionell liberalen und auf Freiheit und Bürgerrechte ausgelegten Grünen haben ein Problem mit diesem Laden.
Da gib es zu viel Hatespeech, wie das auf neudeutsch heißt. Also Arschlöcher, die übelst rumpöbeln gegen Ausländer, die Grünen, die Linken, die Rechten, die Gutmenschen, die Chemtrails, die Weltverschwörung der Rothschilds, die Echsenmenschen aus dem All und so weiter.

Geniale Lösung: Man erkläre einfach die netten Shitstorms auf Facebook zur „bandenmäßigen Straftat“. Einen schöneren Vorstoß zur Totalzensur habe ich noch von keiner faschistischen Hohlbirne im Internet gehört.
Mein persönlicher George-Orwell-Preis der Woche für Doppeldenk, Neusprech und Förderung des allgemeinen Totalitarismus geht also an Till Steffen, den Justizsenator von Hamburg.

[…] Beschlussvorlage unterbreiten will, die vorsieht, dass so genannte „Shitstorms“ künftig als „bandenmäßige Straftaten“ gewertet werden, wenn darin „illegale Inhalte“ vorkommen. Letzteres könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Politiker in einem Vergleich eine Beleidigung sehen oder wenn mit einer grafischen Parodie oder einem Text-Mem gegen deutsches Urheberrecht verstoßen wird (was derzeit sehr häufig der Fall ist).

Der Herr Justizsenator möchte also mit den üblichen Anschuldigungen, daß irgendwelche Bildchen dem Urheberrecht unterliegen und Verstöße der RaubkopieKindermörderTerroristen natürlich härtestens geahndet werden müssen, mal kurz die Totalzensur einführen.
Denn dieses Vorhaben ist absolut undurchführbar, da muß man jetzt nicht Jura studiert haben, um das zu sehen. Wobei – der Justizsenator ist vermutlich Jurist, ich sollte meine Theorie da vielleicht noch mal überprüfen.

Ich weise darauf hin, daß es jedem Politiker freisteht, sich wegen einer vermeintlichen Beleidigung im Internet an die Polizei zu wenden und eine Anzeige nach §185 StGB zu erstatten. Denn Beleidigung ist bereits strafbar, man muß nur eben die Anzeige stellen. Jedem anderen Menschen steht das übrigens auch frei.
Ich vergleiche diese totalitäre Scheiße im Kopf des Herrn Justizsenators also einfach mal mit maoistischem Gedankenmüll und bin sehr gespannt.
Alleine der Grundgedanke, etwas dann zur „bandenmäßigen Straftat“ zu erklären, wenn einer unter einem Facebook-Bildchen wieder mit irgendwelchen Pöbeleien kommentiert hat, bei denen sich einem normalen Menschen die Fußnägel aufrollen.
Hat mal einer dem Herrn Justizsenator erklärt, daß Leute, die bei Facebook Kommentare unter irgendwas schreiben, sich oft gar nicht kennen? Sich nie getroffen haben? Und womöglich in völlig unterschiedlichen Ländern wohnen?
Dieser grundlegende Mangel an technologischem Verständnis ist in Mili-Oettinger© schon gar nicht mehr zu messen.
Manchmal frage ich mich ernsthaft, welches Ausmaß an Unreflektiertheit man einem Menschen im Ministeramt eigentlich zugestehen möchte in unserer Gesellschaft.
Es ist mir unerklärlich, wie ein derartig absurd-inpraktikabler Vorschlag ernsthaft von jemandem unterbreitet werden kann, der ein Jurastudium absolviert haben soll.

Totalzensur und deutsche Beteiligung an Kriegen wie in Syrien. Solche Forderungen müssen ja quasi von den Grünen kommen.

Ich hatte ja in einem Artikel bereits zart angedeutet, daß Menschen mit totalitären Schrottgedanken im sonst leeren Kopf nicht vom Himmel gefallen sind in den letzten zwölf Monaten, sondern daß die schon immer da waren. Die waren eben nur in anderen Parteien als der AfD. In allen anderen Parteien. Solche Ausfälle wie ein Herr Steffen sind ein prima Beweis für meine Hypothese. Wenn das deutsche Strafrecht irgend etwas nicht gebrauchen kann, dann die Idee der digitalen Sippenhaft.

Gute Zweitplazierte für den Orwell-Award sind diese Woche die Tagesschau und Thomas de Maizière, auch so ein volljuristischer Totalausfall an der Bürgerrechtsfront und bedauerlicherweise auch noch immer deutscher Innenminister. Unserem Land bleibt echt nichts erspart.
Der hatte nämlich neulich die total tolle Arbeit der Sicherheitsbehörden betont. Also, neulich, als diese Syrer in Leipzig den anderen Syrer festgenommen haben.
Dieses unwichtige Detail ist dem Innneminister aber entgangen, ebenso die Tatsache, daß besagte Sicherheitsbehörden vorher drei Tage lang erfolglos versucht hatten, Dschaber al-Bakr festzusetzen, der ihnen vorher entwischt war.
Nämlich in dem Moment, in dem man seine Wohnung gestürmt hatte und sich dort diverse Mengen an wohl nicht ungefährlichem Sprengstoff gefunden haben. Der Mann war hier eingereist, um einen Terroranschlag durchzuführen, so die bisherige Sachlage.
Tja, daß unter einer Million Flüchtlingen auch solche dabei sind, war bedauerlicherweise zu erwarten. Beim nächsten Montagsterror in Dresden werden die Pegidioten© daraus dann wieder Attilas Horden zusammenphantasieren.

Es waren auch die prima Sicherheitsbehörden, die dann etwas später den Mann, dem sie vorwarfen, er habe ein Selbstmordattentat geplant, als nicht suizidgefährdet einstuften. Woraufhin er in seiner Zelle in der JVA Leipzig tatsächlich Selbstmord beging. Wie hätte man das auch ahnen sollen?
Die Tagesschau kriegt übrigens den Preis, da sie die ganze Nummer unter der Schlagzeile

Polizei nimmt gesuchten Syrer fest“

im Netz verbreitete und es hingekriegt hat, erst im Teasertext darunter mal den tatsächlichen Sachverhalt zu erwähnen. Wie beispielsweise, daß die Polizei den Mann gefesselt und frei Haus geliefert bekommen hat. Von besagten anderen Syrern. Der Herr Innenminister hat dann irgendwie am dritten Tag doch noch mühselig ein Lob an diese Menschen zustande gebracht. Ich nehme an, zu viele Details hätten Thomas de Maizière vorher verunsichert.

In der Heimat dieser Menschen, in Syrien, wird derweil fleißig weiter gebombt. Das erregt die Gemüter in Europa sehr stark, denn die Russen sind wieder einmal böse und bombardieren Zivilisten. In der Stadt Aleppo.
Das geht selbstverständlich gar nicht, weswegen jetzt alle laut schreiend weitere Sanktionen gegen den Satanisten und Kinderfresser Putin fordern, die deutsche Kanzlerin allen vorneweg. Die kann ja wenigstens russisch.
Unterstützung erhält sie dabei von einem weiteren Gewinner einer Orwell-Medaille. Diesmal ist es die Medaille des Wahrheitsministeriums für äußerst präzise Darstellung der Sachlage. Gewinner ist – tata – die Spiegel-Redaktion. Und ganz besonders Cem Özdemir von den Grünen.
Özdemir kriegt die Medaille von mir wegen der gequirlten Scheiße, die er da in einem Interview von sich gegeben hat. Die Redaktion von „Bild im Spiegel“, weil sie den Müll auch noch abdruckt. Das ganze firmierte ernsthaft unter der Schlagzeile

Assad und Putin bomben Syrien zurück in die Steinzeit“

In der Folge ist dann von schweren Kriegsverbrechen und anderem Unsinn die Rede und dann beschwert sich Herr Özdemir auch noch weinerlich, daß man mit der heutigen Friedensbewegung ja nichts anfangen könne, denn die würden die Rolle Rußlands im Syrienkonflikt ja ignorieren.
Mein Traumzitat ist aber

„Wenn die Amerikaner passiv bleiben, könnten die Europäer übernehmen. Französische Kampfflieger sind schon vor Ort. Auch die Bundeswehr hat Kampfflugzeuge.“

Cartoon/ Krieg

Bild 2: Einfach mal auf die Idee kommen, daß Krieg generell scheiße ist. Und zwar am besten von selbst. Nicht immer kritiklos den Müll übernehmen, den angeblich freie, demokratische und total objektive Medien aus vorhandenen Fakten so fabrizieren. So manchem grünen Parteichef würde das eventuell gut zu Gesicht stehen.
Karikatur von Thomas Meitsch aka Schwarwel. Die Seite des Künstlers findet sich hier.

Zur kurzen Erinnerung: Das war mal eine pazifistische Partei, diese Grünen.
Was der äußert beleidigte Parteichef dieser Kriegstreiber-Clique meint, ist eigentlich, daß die Friedensbewegung sich mit Brechreiz von den Grünen abgewandt hat, als diese beschlossen, mal in anderen Ländern rumzubomben oder völkerrechtswidrige Angriffe mitzutragen. Afghanistan und Kosovo, sage ich da nur mal stichwortartig. Die coolen 90er Jahre, als die Grünen endlich mal regieren durften.
Scheinbar hindert dies den aktuellen Parteichef nicht daran, vehement zu fordern, daß in Zukunft Kriegsverbrechen natürlich nur mit deutscher Beteiligung abgewickelt werden dürfen. Wir müssen da jetzt mal Handlungsfähigkeit beweisen!

Die Rolle Rußlands wird bei Friedensbewegten auch nicht etwa ignoriert. Sie wird nur von der Friedensbewegung oder Bloggern in ihrer Bambushütte am Rande der Gesellschaft nicht so dämonisiert, wie die deutsche und sonstige NATO-Propagandapresse das eben gerne hätte.
Laut Özdemir bombardiert ausschließlich Putin die Zivilbevölkerung. Das die USA jetzt sowohl in Syrien als auch in Afghanistan bereits mehrfach Krankenhäuser bombardierten, wird nicht erwähnt.
Das diese Bombardierungen wohl auch mit voller Absicht durchgeführt worden sind, zumindest in einem Falle, vergißt der Herr Parteichef auch mal dezent. Das Bombardieren von Einrichtungen des Roten Kreuzes/Halbmonds oder anderer Hilfsorganisationen ist übrigens ein Kriegsverbrechen, wenn ich mich recht an die Genfer Konvention erinnere.
Selbstverständlich findet auch deutsche Waffenindustrie keine Erwähnung in diesem Interview. Mich wundert nur, daß Herr Özdemir nicht noch behauptet, daß die Bomben der Briten, der Franzosen, der Amerikaner, der Iraker, der Türken und aller anderen, die gerade über Syrien kreisen, selbstverständlich alle nur mit Marzipankartoffeln und Heftpflaster gefüllt sind. Die einzig wahre Wahrheitspresse hat das mal formuliert.

Eine Petra Kelly würde sich ob dieses widerwärtigen Geredes im Grabe umdrehen. Ein Grüner der 80er Jahre allgemein würde Herrn Özdemir darauf hinweisen, daß Krieg an sich ein Verbrechen ist. Außerdem würde er Sanktionen gegen die USA fordern. Ein Grüner der 70er Jahre würde Özdemir für den abgrundtiefen Schwachsinn, den er da absondert, einfach eins in de Fresse schlagen, vermute ich mal.
Kein einziger deutscher Politiker hatte bisher den Mut, den „Syrienkonflikt“ als das zu bezeichnen, was er wirklich ist: ein Stellvertreterkrieg der Großmächte, ausgeführt auf einem Spielfeld, das erst durch das komplette Totalversagen der USA in Sachen Irakkrieg und Saddam Hussein überhaupt entstanden ist.
Es geht um die Vorherrschaft in einer Region, die für die Energieversorgung der Welt von erheblicher Bedeutung ist. Und – Ja, zu den „Großmächten“ gehört eben auch die EU.
Wenn Herr Özdemir der Meinung ist, daß Rußland Kriegsverbrechen begeht, frage ich mich, wo der Antrag der Grünen im Bundestag ist, um die Kriegsverbrecher George W. Bush, Präsident 43. der USA, sowie Condoleezza Rice, Dick Cheney, Paul Wolfowitz und Donald Rumsfeld zur Fahndung auszuschreiben und zu verhaften. Denn nichts anderes sind diese Leute: Kriegsverbrecher. Sie sind halt nur Amerikaner.

Falls also irgend jemand die geringsten Zweifel hat, mit wem die Grünen in Zukunft koalieren werden – mit der AfD.
Die CDU benutzen sie dann im nächsten Jahr, um ihren moralischen, ethischen, menschlichen, ideologischen und parteipolitischen Niedergang endgültig zu besiegeln. Ein besseres Symbol für die absolute Nutzlosigkeit dieser ehemals sinnvollen Partei als Herrn Özdemir kann es da gar nicht geben.

Spätestens 2021 werden die Grünen mit der AfD koalieren. WikiLeaks ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. Einhörner werden an der Börse verkauft. Und die Tochter von Hillary Clinton wird das Präsidentenamt von Mama erben. Die westlichen Demokratien sind echt im Eimer.

Auch in den USA wälzt sich die Presse in den tiefsten Sümpfen prähistorischer Froschscheiße, wenn es darum geht, gegen Rußland Stimmung zu machen.
Nachdem klar ist, daß nur die Russen schuld sein können am Untergang Syriens, haben die auch die amerikanische Präsidentschaftswahl gehackt. Wissen wir ja aus zuverlässigen Geheimdienstquellen.
CNN geht einen Schritt weiter und bezichtigt jetzt WikiLeaks, die allseits unbeliebte Enthüllungsplattform im Internet, der Propaganda für die Russen. Kann sich noch jemand daran erinnern, als die USA Wikileaks bejubelt haben?
Aber da haben die ja auch noch Enthüllungen gemacht über böse Regime auf dem Planeten hier. Nachdem sich inzwischen herausgestellt hat, daß die USA auch auf diese Liste gehören, mag man diese Internet-Jungs plötzlich nicht mehr.
Auch dieser Artikel ist aus orwellscher Sicht sehr lesenswert. Das beginnt bereits bei der Überschrift:

US finds growing evidence Russia feeding eMails to WikiLeaks“

Im darauffolgenden Textgebilde findet sich dann auch tatsächlich kein einziger Hinweis, geschweige denn Beweis für irgendwas. Stattdessen beschwert sich die noch ungewählte Präsidentin darüber, daß die bösen Russen ja total illegal ihre eMails gehackt hätten.
Ja, wenn das so ist, dann ist es natürlich völlig unerheblich, was denn der Inhalt der geleakten eMails so ist. Das kann dann ja strafrechtlich gar nicht mehr relevant sein, wenn das jemand womöglich gehackt hat.
In nicht zu überbietender Dramatik wechselt das Thema dann recht schnell zu – Donald Trump!
Genau. Denn der ist ja Russe. Oder Spion. Oder sowas. Sonst würde er ja im Text nicht vorkommen. Ganz journalistisch dann auch der Schwenk auf den Sohn von Donald Trump und der Hinweis, daß dieser vor einigen Jahren mögliche Geschäftsbeziehungen zu Rußland hatte. Zum Saaataaannn!
Natürlich hatte niemals irgendeine andere USA-Firma irgendwelche Beziehungen geschäftlicher Art zu dieser Wiege des Bösen. Schon gar nicht 2012.
Außer der Clinton-Foundation, aber da ging es ja auch nur um Uran,  nicht etwa Immobilien. Und wie wir alle wissen, sind Immobilien viel gefährlicher.
Womit selbstverständlich klar erwiesen ist, daß die Überschrift völlig richtig ist. WikiLeaks ist ein Propagandainstrument Rußlands und kann nicht glaubwürdiger sein als die „gut unterrichteten Kreise“ oder das übliche „nach Geheimdienstinformationen“, das CNN da so als Beweismittel anbietet.

Falls noch irgendwer einen Beweis dafür braucht, daß die traurigen Reste der US-Medien endgültig in den Abgrund hysterischen Wahnsinns gestürzt sind – dieser Artikel liefert ihn problemlos. Und CNN gilt als Qualitätsmedium in den USA.
Aber das war der Spiegel in Deutschland ja auch mal. Vor langer Zeit.
Trump ist sexistisch. Er ist ein Großmaul. Er hat keine Ahnung. Ja, stimmt. Wußte man aber alles schon vor zehn Jahren.
Und daraus zieht man messerscharf den Schluß, daß Hillary irgendwie besser sein muß. Ah ja. Klingt für mich nicht zwingend logisch. Ich wette hier und jetzt dagegen. Und bin froh, daß ich da drüben nicht wählen muß.

Aber für die Pressefreiheit wäre Clinton doch sicherlich besser als Trump? Wäre sie doch. Oder?
Auch da bin ich mir nicht sicher. Erst neulich hat sie gefragt, ob man jemanden wie den WikiLeaks-Chef Julian Assange, der immer noch in London in der Botschaft Ecuadors hockt, nicht einfach mit einer Drohne beseitigen könne. Natürlich konnte sie sich hinterher auf Nachfrage der Presse nicht mehr erinnern, das gesagt zu haben.
Das ist dasselbe WikiLeaks, von dem CNN behauptet, es sei eine russische Spionagemaschine. Und dasselbe Wikileaks, das schon so manche unschöne Tatsache über Hillarys eMail-Affäre und die Verwicklungen der Clinton Foundation in seltsame Geschäfte gebracht hat. Aber das findet derzeit in US-Medien nicht sonderlich viel Beachtung. Seltsam.

Der Spin, den CNN an dieser Stelle bringt, ist offensichtlich. Die Russen sind böse Spione, also sind auch alle Enthüllungen auf Wikileaks von bösen Spionen und somit gefährdet so etwas wie WikiLeaks die nationale Sicherheit der USA.
Trump kommt mit ins Spiel, weil der im Wahlkampf lautstark die des Hackings beschuldeten Russen dazu aufgefordert hatte, mehr Informationen ans Licht zu befördern. Über seine Gegnerin, natürlich. Aber deswegen ist Trump jetzt auch ein Agent des Bösen aus Rußland.
Das bringt mich zurück zur Reporterin, die ich eingangs erwähnt hatte. Denn die kam ja den Bemühungen der Ölindustrie in die Quere, weiterhin mit Niedrigzinsen geförderte Kredite aus staatlichen Quellen abzugreifen, indem sie ihren Job ernstgenommen hat. Bald werden solche Dinge ebenfalls eine Gefährdung der nationalen Sicherheit darstellen.

Sehr bald wird es Bemühungen geben, Wikileaks in den USA den Saft abzudrehen. Also, den Strom. Dem Journalismus ohnehin, zumindest dem, der wirklich noch welcher ist.
Und natürlich werden die USA andere Länder auffordern, dann dasselbe zu tun. Ich denke mal, auf die Hilfe der deutschen Grünen können die Orwellianer aus den USA dann blind vertrauen.
Derweil laufen immer mehr faschistoide Verschwörungstheoretiker durch Deutschlands Straßen und brüllen „Lügenpresse“.
Es gibt eindeutig Tage, an denen mich das nicht mehr wirklich wundert. Nicht nur die Politik, auch die Medien hierzulande sind in einem bedauernswerten Zustand.

Aber wir sind auch alle selber dran schuld. Wir müßten eben viel öfter mal genauer hinsehen. Macht aber kaum noch einer. Hinsehen kommt zunehmend außer Mode. Zum Glück bin ich ja bei den Guten.

2 Comments

  1. Wie war das doch? Wenn das wahre Leben ein Buch (oder meinetwegen auch ein Film) wäre, wäre es ein absoluter Flop? Den Grund hab ich vergessen, aber ich vermute mal, mangels happy End. Oder in diesem Falle irgendeinem Ende…
    ich zitiere mal Walter Benjamin:
    „Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Daß es »so weiter« geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende sondern das jeweils Gegebene. Strindbergs Gedanke: die Hölle ist nichts, was uns bevorstünde – sondern dieses Leben hier.

    —Walter Benjamin: Zentralpark. In: Tiedemann/Schweppenhäuser (Hrsg.): Walter Benjamin – Gesammelte Schriften, Band I.2, Frankfurt am Main 1991, S. 683“
    Gefunden hab ich das ganze hier. Times they are a’changing? Die Frage ist nur, was sich änert…

    Antworten

    1. Ich hab früher immer gerne den Spruch gebracht: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Dieses hier.

      Und das stimmt – meiner Geschichte und denen hier im Blog fehlt tatsächlich das, was sie in Hollywood das „happy chapter“ nennen. Ich werde mich irgendwann darüber noch auslassen, der Artikel steht schon in einer meiner Gehirnzellen und muß nur noch geschrieben werden 😀

      Ich war so frei, deine Formatierung etwas aufzuhübschen.

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