Krise? Welche Krise?

– II –

Hinter dem Spiegel

„Die ganze Welt ist Bühne nur und alle Frau’n und Männer bloße Spieler.“
William Shakespeare, Wie es Euch gefällt

Was genau ist eigentlich eine Krise?
Wenn wir uns das einmal genauer durch den Kopf gehen lassen, ist die Beantwortung der Frage gar nicht mehr so einfach. Denn in den Medien wimmelt es ja geradezu von Krisen. Fast könnte man meinen, die werden irgendwo im Stall gezüchtet, um dann in regelmäßigen Abständen die schönste und dickste Krisensau durchs nationale Mediendorf zu treiben.
Monatelang war im letzten Jahr alles voll mit Griechenland. Die Hellenen waren überall, man konnte sich dem ja gar nicht mehr entziehen. Außer durch das rituelle Verbrennen aller mobilen Digitalspielereien und anschließende Opferung des heimischen Internetanschlusses an Silentia und Ignorantia, die Göttinnen der Ruhe und des seligen Unwissens. Der Untergang der Weltwirtschaft war vorprogrammiert, denn die Griechen hatten es tatsächlich gewagt, eine irgendwie linke Regierung zu wählen. Mehrheitlich auch noch! In einer Demokratie!

Natürlich konnte dieser Schritt nicht ungesühnt bleiben, und so kommt es, daß gerade jetzt diese linke Regierung das schon seit Jahren mit großem Erfolg durchgeführte Sparprogramm noch drakonischer und übler durchführt, als es jede konservative Korruptionsregierung vorher vermocht hätte. Das finanzielle und psychologische Clusterbombing durch Herrn Schäuble, den schwarzen Doppel-Null-Agenten im Auftrag ihrer Majestät, Angela der Alternativlosen, war also äußerst erfolgreich. Schade nur, daß Griechenland leider nicht auf dem Weg der Besserung ist.
Und das, obwohl doch gerade die Fraport AG im Rahmen der Privatisierungsmaßnahmen 14 griechische Flughäfen übernommen hat. Natürlich die 14 Flughäfen, die Gewinn abwerfen, der dann in Zukunft den Aktionären von Fraport in die Tasche fließen wird und nicht etwa dem griechischen Staat. Nur für den Fall, daß hier jemand die Prioritäten nicht verstanden hat. Das Ganze für einen Schnäppchenpreis von knapp 1,3 Milliarden Euronen, also nicht mal 100 Millionen pro Flughafen.
Wenn die Berliner gewußt hätten, daß man das so billig kriegen kann, hätte das Land einfach mal einen griechischen Flughafen kaufen, zerlegen und in Berlin wiederaufbauen lassen können. Dann wäre das alles kein Thema mehr. Natürlich möchte Fraport auch „investieren“. Insgesamt etwa fünf Millionen pro Flughafen pro Jahr bis 2020. Weitere 23 Millionen pro Jahr fließen als Pacht an Griechenland selbst. So bringt man Wirtschaft in Schwung, die Frage ist nur, welche.

Die griechische Gewerkschaft hat gerade dagegen protestiert, denn sie hält nicht viel von diesem Geschäft. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die Gewerkschaft ebenfalls einknicken wird. Das wird entweder über Korruption der Fall sein, wie in Deutschland, wo die großen Gewerkschaften jahrelang immer Lohnzurückhaltung gepredigt haben außer bei sich selbst.
Oder die linke Regierung wird Gesetze in Marsch setzen, die dafür sorgen, daß leichter gekündigt werden kann, Gewerkschaft hin oder her. Die entlassenen Mitarbeiter wird man dann entweder gar nicht oder durch Zeitarbeiter ersetzen. Denn das ist die „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes“, der Griechenland ja in seinem Versailler Vertrag letzten Sommer auch zugestimmt hat.
Aber Herr Tsipras hat schon wieder Ärger am Hals, denn er will die Renten nicht noch weiter kürzen, die sind ja schon um gute 40 Prozent gesunken. Stattdessen will er die Beiträge zur Rentenversicherung erhöhen, aber das geht nicht, denn das würde ja bedeuten, daß auch die Arbeitgeber was dazubezahlen müssen!
Das ist natürlich völlig unmöglich, denn es könnte die griechische Wirtschaft schädigen. Sagen die Geldgeber. Also die Banken und anderen Institutionen, die Griechenland Geld leihen, damit Griechenland Zinsen bezahlt und mit dem Geld vor allem seine Außenstände begleicht, die es bei den Banken und Institutionen hat, die Griechenland das Geld leihen. Haben das alle verstanden? Gut.
Auf jeden Fall sind diese Leute schon verschnupft, wenn Tsipras so etwas nur andeutet . Wir können also davon ausgehen, daß Griechenland, wie ich das ja eingeschätzt habe, bald mal wieder in den Nachrichten auftauchen wird. Griechische Tragödien haben ja Tradition.

Abgetaucht war das Land ja wegen dieser Flüchtlingskrise, die Älteren unter uns werden sich erinnern. Irgendwann im letzten Sommer tauchten da urplötzlich lauter Menschen auf, die alle irgendwie nach Deutschland wollen, weil man ihnen gesagt hatte, da gäbe es Autos und Häuser für jeden. Und Arbeit. Und außerdem würde man da auch nicht bombardiert.
Jetzt ist dieses Bild unseres Landes nur bedingt richtig, aber bombardiert wird man hier normalerweise tatsächlich nicht. Jedenfalls noch nicht und auch nur dann, wenn man mit Molotow-Cocktails bewaffnete Nazi-Arschlöcher nicht als Bombardierung zählt. Ansonsten wird man nur teilweise nicht bombardiert, aber auch das ist zumindest besser als in Syrien oder im ehemaligen Irak, denn da kann man überall und jederzeit bombardiert werden. Ob jetzt von der Syrischen Volksfront, der Volksfront von Syrien oder der Front des syrischen Volkes, lassen wir mal dahingestellt.

Auf jeden Fall war das dann die nächste Krise, die sich dann auch sofort in den treuen Händen der Medien wiederfand. Da war dann die Rede von Flüchtlingsströmen, Politiker sprachen – und sprechen leider immer noch – von Invasionen, selbst der persönlichen Aggressivität wohl eher unverdächtige Philologieverbandsvorsitzende kamen mit Texten auf den Markt, die an xenophobischer und würdeloser Gedankenbegrenztheit nur noch von dem brechreizerregenden Nazimüll eines Herrn Höcke von der AfD überboten werden konnten.
Und dann natürlich – Köln. Dieses die deutsche Lebenswelt erschütternde Ereignis an Silvester, wo offensichtlich Dutzende Typen irgendwelche Frauen belästigt, beklaut und womöglich auch vergewaltigt haben oder das zumindest versuchten. In der Öffentlichkeit. Gemeinschaftlich.
Schon schreien deutsche Politiker wieder nach schärferen Strafgesetzen, als wären Raub und Vergewaltigung nicht ohnehin bereits verboten. In meinem StGB steht das jedenfalls unter „ist nicht erlaubt“ drin, ich habe sowas im Regal stehen und habe sicherheitshalber nochmal nachgeschlagen gerade. Seltsamerweise schreit keiner dieser „konservativen“ Law-and-Order-Politiker, dieser lächerlich schwach getarnten Nazis in Nadelstreifen, nach schärferen Strafgesetzen, wenn die Nazis ohne Nadelstreifen einen ganzen Stadtteil verwüsten wie neulich in Leipzig. Das geht schon in Ordnung, die wollen nur spielen.
Unser inzwischen vollkommen mumifizierter Finanzminister fordert sogar schon den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, wegen der Flüchtlinge. Falls die sich mal wieder nicht benehmen.

„Wir werden uns mit der Frage befassen müssen, warum praktisch alle anderen Länder in Europa unter klaren rechtlichen Regelungen zur Unterstützung der Polizei auf ihre Streitkräfte zurückgreifen dürfen – und wir nicht.“

Da stellt doch der Ex-Innenminister glatt die Frage, warum andere Länder für solche Dinge eine Rechtsgrundlage haben und wir Deutschen nicht. Woraus dann sofort die Schlußfolgerung gezogen wird, wir bräuchten das auch unbedingt, denn schließlich erwartet der Bürger ja vom Staat, daß der sein Gewaltmonopol auch durchsetzen kann.
Wenn wir jetzt plötzlich von anderen Ländern abschauen, warum ist Kiffen in Deutschland dann noch immer illegal?
Warum klappt das mit KiTas nicht wie in Skandinavien?
Warum haben wir nicht so ein geiles ÖPNV-System wie in der Schweiz?
Warum haben wir immer Schäubles und andere Volldeppen, die sich immer nur wie Lemminge mit Hirnschaden verhalten wollen und das damit begründen, die anderen würden das ja auch tun?
Ich hätte ja gerne mal ein Gesetz, daß den Notfalleinsatz von Neurologen und sofortige Politikersuspendierung ermöglicht, wenn einer ganz offensichtlich anfängt, im Fieberwahn nationalistischen Blödsinn von sich zu geben.

Überall in der deutschen Politik nur noch antidemokratische Hirnzwerge mit Flüchtlingskrise

Die Religionsterroristenfanatikerpartei des deutschen Südens hat sich auch mehrfach gemeldet, wie immer. Da fordert ein geistiges Funzelchen namens Scheuer, man müsse halt auch mal die Unschuldsvermutung außer Kraft setzen und Menschen, die offensichtlich was strafrechtlich Relevantes gemacht haben, des Landes verweisen können. Wozu Prozesse oder eine Anklage oder gar eine Verteidigung?

Ach, was wäre das schön! Aber kein Land der Welt würde die dann zahlreich aus Deutschland ausgewiesenen CSU-Politiker aufnehmen. So blöd wäre nicht mal Nordkorea.
Ich würde aber gerne mal eine Crowdfunding-Aktion dafür ins Leben rufen, vielleicht kann man wenigstens den Scheuer dahin loswerden. Irgendwas Korruptes hat ein CSUler sowieso immer als Leiche im Keller. Ich lehne es jedenfalls ab, rechtsstaatliche Prinzipien einfach mal außer Kraft zu setzen, weil faschistische Bayerntölpel das gerade gut finden wollen.
Der Silberrücken der CSU, der Seehofer Vollhorst, kommt auch wieder aus den Löchern und will die Bundeskanzlerin unter Druck setzen. Nach dem Motto: „Wir wollen, daß die Kanzlerin ihre Flüchtlingspolitik ändert!“
Womit möchte denn der ergraute Herr Seehofer, der meines Wissens eine Geliebte mit Kind in Berlin hocken hat, eigentlich die Regierungskoalition bedrohen? Mit dem Austritt der CSU aus derselben?
Hat er neulich ja schon mal versucht. Natürlich ist dann aus der Drohung des bayerischen Vorgartenzwergs nichts geworden, was ich persönlich sehr schade finde. Ich fände eine CSU, die endlich mal auf ihren religionsfanatischen Splitterpartei-Status reduziert wird bei Bundestagswahlen sehr positiv für die deutsche Parteienlandschaft.

Es ist also alles ganz schrecklich und wir haben jetzt alle total die Flüchtlingskrise. Außer mir, natürlich. Gut, es gibt da sicherlich auch noch die eine oder andere Person da draußen, aber insgesamt haben die Deutschen gerade die Krise mit den Flüchtlingen. Kein Tag ohne mindestens drei Artikel über den Unsinn, über Parteien, die Unsinn darüber von sich geben oder Unsinn, den biodeutsche Asylnaziarschlöcher über die Parteien von sich geben. Alles Krise.

Bild 1: Das vertraute Krisengesicht des deutschen Wählers – Angela Merkel. Hier in gewohnt einladend-freudiger Manier im Gespräch mit dem größten Wirtschaftsminister aller Zeiten, Sigmar Gabriel. Vor dieser geballten Kompetenz weicht jede Krise zitternd zurück.

Aber was ist doch eigentlich genau eine Krise?
Kaum lehnt man sich mal mit nüchternem Verstand zurück, kommt man zu folgender Erkenntnis: Die Lüge beginnt schon mit der Bezeichnung „Krise“. Denn eine solche ist üblicherweise temporär. Ein Hochwasser an Elbe oder Rhein kann eine Krisensituation sein. Ein Vulkanausbruch. Eine vom Sturm zerstörte Stadt wie New Orleans. Ein Tsunami, der weite Teile südostasiatischer Strände verwüstet und einige hunderttausend Menschen tötet.
Alles Dinge, die temporär vorher vorhandene Bedingungen verändern – normalerweise zum Schlechteren – und deren Folgen vor allem bekämpfbar und lösbar sind. Zumindest wolllen Medien und Politik das immer so rüberbringen in den jeweiligen Situationen. „Krise“ bedeutet daher auch immer, daß die Rückkehr zur Normalität sowohl möglich als auch wünschenswert als auch nur eine Frage der Zeit ist. Es muß halt nur jemand was tun, wobei dieser Jemand dann normalerweise „die Politik“ ist.
Üblicherweise geht also mit einer Krise immer der Eindruck einher, es handle sich um eine Funktionsstörung, eine unerwartete und bald sicherlich wieder verschwindende Unannehmlichkeit in einem ansonsten funktionierenden System.

Eine kleine Rückblende ins Jahr 2008. Ich erhebe, gemahnend an vergangene Zeiten, meinen Zeigefinger, während der Erzählschleier meine Augen überzieht und meine Stimme den Leser in dieses ferne Jahr mitnimmt. Erinnern wir uns…

Aus der sogenannten „Immobilienkrise“ wurde durch die damit platzenden Blasenpapiere an den großen Börsen der Welt sehr schnell eine „Bankenkrise“. Das Hauptgeschäft von Banken wie Lehman Brothers bestand darin, viele bunt verschnürte Pakete als handelbare Papiere an die Börsen zu bringen. In diesen Paketen enthalten waren jede Menge Hypothekenkredite, die wiederum von anderen Banken in betrügerischer Absicht an amerikanische Hausbesitzer oder solche, die es werden sollten, vergeben worden waren.
Ich sage deshalb „betrügerische Absicht“, da es eine Menge Menschen gab, die ihr Haus eigentlich schon bezahlt hatten oder dabei waren, es zu tun. Auch zu diesen Leuten haben diverse Banken in großangelegten Aktionen Außendienstler geschickt, um sie zu überreden, doch einfach nochmal 100.000 Dollar oder so auf die Hypothek draufzupacken. Der Name dafür war „re-financing“. Warum ich etwas refinanzieren sollte, dessen Bezahlung ich bis dahin ganz gut im Griff hatte und dessen Raten mir ohnehin schon schwer genug auf der Tasche liegen, ist mir persönlich ein Rätsel. Vermutlich muß man vor allem Amerikaner sein, um so dumm zu sein.
Die andere Sorte Kunden wurden mit Dingen überzogen, die man dann intern „NINJA-Loans“ nannte. Das steht für „no income, no job or assets“.
Übersetzt hat man hier Menschen ein Haus aufgeschwatzt, die die dafür notwendigen Kreditlinien niemals bedienen konnten, was die jeweiligen Banken aber auch von vornherein wußten. Trotzdem finanzierten Banken diese Hypotheken zu stellenweise mehr als 100 Prozent – man hat diesen ökonomisch völlig ungesicherten Leuten also sogar mehr Geld aufgedrückt, als für das jeweilige Haus notwendig gewesen wäre.
Das Ergebnis dieses Verhaltens war dann ein Kreditvertrag und das war auch von vornherein der einzige Zweck solcher Aktionen. „Machen Sie ihr Haus zur Bank!“ hieß es in der Fernsehwerbung. Denn natürlich können die Preise für Immobilien nur steigen, das wissen wir doch alle. Offensichtlich ist das eine etwas von Irrsinn durchdrungene Annahme, aber wenn ich jemanden von sowas überzeugen kann, ist das Ergebnis eben ein weiterer Kreditvertrag.
Diese Verträge landen dann in einem Paket, das dann einen möglichst sinnlosen Namen bekommt, der nur eine Bedingung erfüllen muß: Mindestens drei studierte Marketingmitarbeiter müssen mindestens drei Konferenzen gebraucht haben, um ihn zu erfinden. Dieses tolle, brandneue „Finanzprodukt“ wird sodann verkauft. An Lehman Brothers zum Beispiel. Damit gehören also die Hauskredite auch Lehman.
Die wiederum schnüren das Paket auf und legen noch irgendwas dazu, das nicht einmal was mit Immobilien zu tun haben muß. Golfplatzkredite in Kalifornien vielleicht. Irgendwas, das schon mal eine Pressepräsenz hatte. Eine gute, versteht sich. Dann wird das Paket wieder verschlossen und man bindet eine noch schönere Schleife drumherum.

Dieses jetzt viel schönere und dickere Paket trägt dann eine weitere Gruppe Marketingexperten zu einer großen Ratingagentur und sagt: „Bewerte das mal.“
Wohlgemerkt, der Auftrag lautet hier nicht: „Überprüft mal den Inhalt.“
Deswegen macht das auch keiner. Ist die Bewertung dann erfolgt, bringt Lehman das jetzt mit einem „AAA“-Stempel versehene Paket an die Börse, auf das es interessierte und wohlbetuchte Käufer finden möge.
Eventuell kann man dabei als Ratingagentur ein gutes Geschäft machen, denn es könnte sein, daß der Kunde für seine Bewertung nicht nur eine nicht unerhebliche Summe Bargeld, sondern auch ein gewisses Paket aus den zu bewertenden Aktien angeboten hat als Bezahlung. Natürlich Vorzugsaktien, also quasi rabattierte Papiere, die mir unter Emissionspreis angeboten werden.
Das ist gut für mich als Agentur, denn zufällig weiß ich, daß diese Aktien eine Top-Bewertung erhalten haben, nämlich von mir. Also dürfte die Wertentwicklung zu Börsenbeginn recht positiv sein, was meinen Gewinn weiter erhöht. Kapitalismus, fuck yeah!

Damit auch nichts anbrennt, hat man dann als Bank wie Lehman noch eine Versicherung abgeschlossen. Und zwar eine für den Fall, daß der Wert des Produkts fällt. Jetzt könnte man sogar auf die völlig absurde Idee kommen, woanders noch eine Wette an der Börse zu plazieren. Und zwar eine gegen das eigene Produkt. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die Kurse steigen, dann gibt es Gewinne. Oder sie fallen, dann gibt es auch Gewinne.
Ist es eine hohe Versicherungssumme, könnte ich sogar Interesse an fallenden Kursen haben, um eben diese zu kassieren, denn dafür ist die Versicherung ja da. Ebenso wie die vorher plazierte Wette, die ich dann ebenfalls gewinne. Mit dem Geld kaufe ich dann mehr von den inzwischen stark gefallenen Aktien, die sind ja jetzt billig. Was dann wiederum durch den Kauf den Wert nach oben drückt, bis ich mit Gewinn verkaufen kann.
Diesen Gewinn brauche ich auch, denn natürlich habe ich alle diese Aktionen mit Geld finanziert, das ich gar nicht besitze, sondern mir von anderen Leuten geliehen habe. Oder anderen Banken, denen andere Leute das Geld geliehen haben. Viel Geld.
Das geht dann so lange gut, bis mal einer in so ein Paket hineinsieht und nachschaut, was da eigentlich alles Substanzielles drin ist. Oder so lange, bis – urplötzlich! – die Immobilienpreise doch sinken. Oder beides. Auf jeden Fall verkaufen dann alle ganz hektisch das Zeug. Dummerweise sind aber auch die Versicherungen und die Versicherungen der Versicherungen und die Wetten gegen das eigene Produkt längst Teil von anderen Paketen geworden, die wiederum wer anders als handelbare Papiere an die Börse gebracht hat, die sogenannten Derivate.
Am Ende steht ein völliger Stillstand, da keiner mehr weiß, wie viele toxische Papiere er eigentlich wo besitzt, weswegen dann keiner mehr irgendwem Geld leiht.

Natürlich habe ich das alles erfunden, so etwas Absurdes würde in unserer freien Marktwirtschaft, die sich ja bekanntlich immer selbst optimal reguliert, niemals passieren. In der Öffentlichkeit nannte man das Ergebnis dann jedenfalls „Finanzkrise“ und einer der Auslöser waren „sub-prime“-Kredite. Was ja nun wörtlich soviel heißt wie „nicht ganz Spitzenleistung“. Ich erkenne hier eine gewisse Diskrepanz zwischen inneren Angelegenheiten und offizieller Verkaufsfassade.
Deswegen Betrug. Wenn jemand Kredite vergibt nach der NINJA-Formel, dann weiß er exakt, daß er die Kohle niemals wiedersehen wird. Bei der „Bankenkrise“ handelte und handelt es sich also keinesfalls um ein Unglück, einen Zufall, eine unerwartete Marktschwankung und auch nicht um fehlerhafte Kalkulation.
Exakt die Punkte, die es erlauben würden, dieses Geschehen eventuell als eine Krise zu definieren, sind hier nicht einschlägig. Die Immobilien- und Bankenkrise war von vornherein nichts weiter als Lüge. Genauso wie die Angabe gegenüber leicht besorgten Kreditnehmern, daß Immobilienpreise ja nur steigen können. Exakt das hat eine Bank namens Goldman Sachs noch im Sommer 2007 getan, als schon längst klar war, daß die Preise bald sinken würden. Diese Pseudokrise ist die Folge einer kalkulierten Ausnutzung des Systems, in dem wir alle so leben. Nennen wir es globalisierten Kapitalismus, um diplomatisch zu sein.

Die Finanzkrise existiert ebensowenig wie die Flüchtlingskrise. Beide sind konstruierte Pseudokrisen.

Auf jeden Fall haben wir die Banken ja gerettet, weil wir das mußten, damit die Marsmenschen nicht landen können. Oder so ähnlich jedenfalls. Das Geld zur Rettung der Banken liehen sich die Staaten übrigens von den Banken, die man retten mußte, weil sie offiziell pleite waren.
Vielleicht, jedenfalls. Denn so genau konnte das ja aufgrund der etwas verwickelten Pakete keiner sagen. Eventuell ist da also hier und da eine Bank auf Verdacht gerettet worden, aber wer wird da kleinlich sein?

Ebenso ist es eine glatte Lüge, von einer Flüchtlingskrise zu sprechen. Oder besser, zu schreien.
Denn diese Flüchtlinge, die da so urplötzlich vor der europäischen Tür stehen, ertrinken schon seit mehreren Jahren im Mittelmeer. Oder zum Beispiel auf dem Weg zu den kanarischen Inseln, die ja nun zu Spanien gehören.
Nur hat Deutschland sich da bisher nicht drum kümmern müssen, denn man hatte ja die Regelung der „sicheren Drittstaaten“, in denen die Flüchtlinge eben zu bleiben und Asyl zu beantragen hatten, sollten sie durch diese einreisen bzw. einflüchten. Mit der Regelung der sogenannten Dublin-Verträge war Deutschland fein raus und prompt sind seit damals die Asylanträge hierzulande auch auf ein Zehntel des vorherigen Volumens gesunken.
Bis zum letzten Jahr, als zum Beispiel das wirtschaftlich ruinierte Griechenland gesagt hat, es könne sich nicht mehr um solche Leute kümmern. Inzwischen gibt es nämlich genug Griechen, die ohne Staatshilfe verhungern würden oder an Diabetes sterben, da wird es schwierig, sich um mehrere hunderttausend Menschen aus anderen Ländern zu kümmern.
Die Flüchtlingskrise kam so total überraschend, daß die Opposition im Bundestag – also die 20 Prozent Sitze der Linken und GrünInnen – schon im Frühjahr 2015 gefordert hatte, die von Italien eingestellte Operation „Mare Nostrum“ wiederaufzunehmen.
Italien hatte diese Grenzsicherungsaktion im Mittelmeer eingestellt, weil es die Kosten von etwa 130 Millionen Euro pro Jahr nicht mehr alleine bezahlen wollte und konnte. Italiens Staatsverschuldung liegt nämlich dieser Tage bei etwa 124 Prozent des BSP, nur ganz nebenbei bemerkt. Wahrscheinlich sind die Italiener einfach nur faul, die müßten mal sparen.
Auf jeden Fall hat Italien die EU gefragt, ob man da nicht was machen könne. Die Antwort der EU war „Nein“. Also hat Italien die Seenotrettungsaktion eingestellt, ersatzlos. Die EU hat die Aufgabe dann an die Grenzschutzorganisiation „Frontex“ weitergegeben, ohne großartige Erhöhung der Mittel natürlich. Frontex ist übrigens eine Organisation, die niemandem verpflichtet ist und nirgendwo eine Art demokratischer Legitimation besitzt, die aber aus EU-Mitteln finanziert wird. Klar, immerhin übernimmt hier ein Quasi-Privatunternehmen hoheitliche Aufgaben wie den Grenzschutz. Überraschenderweise kamen dadurch aber nicht weniger Flüchtlinge übers Mittelmeer.

0051-01 Katzen und Spiegel

Bild 2: Katzen vor dem Spiegel. Süß. Aber dämlich, weil sie nie kapieren, daß die zweite Katze gar nicht da ist. Zumindest sind die Viecher jedoch so neugierig, daß sie hinter dem Spiegel nachschauen wollen. Deutsche Bundesbürger würden das sehr oft nicht tun, ihr Spiegelbild im Fernsehen genügt ihnen.

Diese Flüchtlingskrise kommt sogar derartig überraschend, daß Deutschland schon seit Jahren Verträge mit nordafrikanischen Staaten schließt, damit die auf ihrem Territorium Lager einrichten, in denen man eventuelle Asylbewerber schon mal „vorsortieren“ kann. Da fragt auch niemand groß nach den Bedingungen in solchen Lagern. Deutschland zahlt, die anderen machen die Arbeit und keiner stellt dumme Fragen.
Zum Beispiel die Frage, was man eigentlich davon halten soll, daß die Europäische Union damit de facto ihre Außengrenzen längst in Nordafrika zieht. Oder Grenzsicherungsaufgaben an stellenweise doch recht dubiose Geschäftspartner abgibt. Wer regiert eigentlich Ägypten genau? Und nach welchen Maßgaben? Ist das ein demokratisches Land?

Nein, mit einem syrischen Zerfallskrieg in seinem fünftem Jahr, einem längst zu verschiedenen Kampfzonen desintegrierten ehemaligen Irak und einer mehr und mehr in Richtung theokratisches Sultanat driftenden Türkei kommen die Flüchtlinge weder in überraschender Anzahl noch zu einem irgendwie überraschendem Zeitpunkt. Alle diese Entwicklungen waren längst bekannt und sind von allen hier in Deutschland informierten und zuständigen Leuten schlicht auf Teufel komm raus ignoriert worden. Frei nach dem Motto: „Eine Legislaturperiode hält das schon noch.“
Auch hier treffen die Definitionspunkte von „Krise“ ebenfalls exakt nicht zu. Es gibt gar keine Flüchtlingskrise. Es gibt Flüchtlinge, die jetzt medial zur Krise gemacht werden, da man sie plötzlich vor der deutschen Grenze auch bemerkt.
Das ist ebenso heuchlerisch und bis zum Kotzen widerwärtig wie ein Vollhorst Seehofer, der sich da hinstellt und von der Bundeskanzlerin „ultimativ“ fordert, sie müsse die Sicherheit deutscher Staatsgrenzen wiederherstellen. Bayern und Baden-Württemberg sind übrigens die Bundesländer, die in den letzten 20 Jahren am stärksten Stellen in der Polizei und auch bei den Ausstattungen der Exekutive gestrichen haben. Es genügt nicht, Asylgesetze zu verschärfen und Abschiebungen zu beschleunigen, wenn es kein Personal gibt, das diese Abschiebungen auch vornimmt. Oder nicht genug Verwaltungsmenschen in Gerichten und bei sonstigen Behörden, die sich um so etwas kümmern können.

Hysterische Medien lenken von den Hintergründen ab. Oberflächliches Getöse für oberflächliches Publikum.

Alle beschriebenen Handlungen sind fester Bestandteil des funktionsfähigen Systems, das nach offizieller Lesart in einer Krise steckt, welche genau jetzt auch immer. Das bestimmen dann die Medien. Krisen werden heutzutage gemacht.
Aus der Finanzkrise wurde ja bald darauf die Eurokrise und dann die Staatschuldenkrise. Wenn der Euro eine Krise hatte, wieso stand er dann über drei Jahre lang irgendwo zwischen 1,20 und 1,40 Dollar?
So eine Krise hätte man mal gern im eigenen Portemonnaie.
Wenn es eine Staatsschuldenkrise gibt, warum wurde Spanien 2006 von der EU noch für seine Haushaltsdisziplin und die geringe Verschuldung gelobt?
Wenn die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in den G8-Staaten und anderswo bis zu 90 Prozent der Vermögenswerte besitzen – warum brauchen die immer wieder Steuersenkungen, damit sie neue Arbeitsplätze schaffen können? Wie machen die das eigentlich, das mit den Arbeitsplätzen?
Das gesamte offiziell funktionsfähige System ist nichts weiter als ein Bündel aus Lug und Betrug, auch Selbstbetrug oder schlichter Ignoranz beteiligter Personen. Das Ganze wird mit Korruption vergoldet und zerstoßenem Einhorn überstreut, als Glitzereffekt.
Wenn all diese Dinge also Teil des funktionierenden Systems sind, das nur mal kurz die Krise kriegt, wie sieht dann eigentlich ein dysfunktionales System aus?

All diese als Krise etikettierten Geschehnisse spielen sich vor einem Hintergrund ab, den wir größtenteils völlig ignorieren, da Medien und Politik sich alle Mühe geben, diesen zu überspielen. Oder einfach keine Ahnung haben, was die eigentliche Krise ist. Das ganze Krisen-Gefuddel seit Beginn des 21. Jahrhunderts – konkret, seit 9/11 – dient als ablenkender Theaterdonner vor dem Vorhang, nichts weiter. Seit Jahresbeginn wird über Saudi-Arabien wieder kein Wort verloren. Die Silvesternacht von Köln wird noch immer medial hochgehalten. Aus Köln kommt halt kein Öl.
Zu den Folgen gehört nationalistisches Rumgebrülle von Politikern, die sich an die rechten Arschlöcher in Deutschland ranwanzen, damit ihnen die Wähler nicht weglaufen. Im Endeffekt wird dann Afghanistan zu einem sicheren Drittstaat erklärt, während gleichzeitig der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verlängert und verstärkt wird.
Wir führen also Militäreinsätze in Staaten durch, die CSU-Politiker am liebsten zu netten lauschigen Urlaubsländern erklären möchten.

Die eigentliche, die echte Krise unserer Zivilisation, wird durch diesen Vorhang aus Rauch und Nebel versteckt, wenn es absichtlich geschieht. Oder einfach nur überdeckt, wenn die Ursache der Handlungen schlicht Ignoranz des Wesentlichen ist. Was sich hier vor dem kritischen Auge seit nunmehr anderthalb Jahrzehnten abspielt, ist so etwas wie eine Massenkarambolage, ein Zugunglück in Zeitlupe. Grauenvoll, aber man kann auch nicht wegsehen.
Die temporäre Situation, also die „Krise“, in der das Weltfinanzsystem und eigentlich die ganze Weltwirtschaft stecken, zieht sich jetzt bereits seit 2008 hin, geht jetzt also bald in ihr achtes Jahr.
Die bisher einzige vorgeschlagene Pseudo-Lösung läuft darauf hinaus, die Züge schneller zusammenstoßen zu lassen. Sparen, damit die Wirtschaft wieder wachsen kann. Das Ergebnis wäre dann Griechenland, nur global. Vielleicht sollte man mal hinter dem Theatervorhang nachsehen.


Das Titelbild zeigt das Cover der LP „Crisis? What crisis?“ der Band Supertramp aus dem Jahr 1975. Das war zu Ölkrisenzeiten 😉

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