Lieb Vaterschland, magst unruhig sein

Ich habe mal einen afghanischen Schneider kennengelernt, der nach Deutschland geflüchtet ist. Er mußte seine Heimat verlassen, dieses seit 35 Jahren von Bürgerkriegen und Stellvertreterkriegen zerrissene Land, weil er es gewagt hat, sich in eine Frau zu verlieben, die dummerweise Christin ist. Was an sich vielleicht noch keinen Streß verursachen würde. Aber dieser Mann ist vom Islam zum Christentum übergetreten, um diese Frau heiraten zu können. Denn das Christentum verlangt natürlich, daß beide Ehepartner Christen sind. Ich hatte mal eine katholisch erzogene Freundin, dank derer ich mich etwas ausführlicher mit dem Katholizismus beschäftigt habe. Was soll man sonst tun, um sich auf ein Frühstück mit Eltern vorzubereiten, die einen nicht mögen und die beide katholische Religion unterrichten?
Jedenfalls kam mir da unter, daß ich selber zum katholischen Christentum hätte konvertieren müssen, wenn ich meine Freundin hätte ehelichen wollen. Aber das hätte ohnehin nicht funktioniert, denn ich war zu diesem Zeitpunkt zwar erst sechsundzwanzig, aber bereits ein geschiedener Mann. Und natürlich dürfen Geschiedene heute ja nicht noch einmal heiraten. Als wäre ich ein byzantinischer Kaiser und das würde irgendwen interessieren.

Diese Nebengeschichte erzähle ich nur, falls jemand irgendwelche Anmerkungen über die Intoleranz des Islam machen möchte. Ich persönlich halte mal überhaupt nichts von einem Gott, der mir vorschreiben möchte, wen ich wann heiraten darf oder auch nicht und wann ich denn jetzt meine Freundin wie zu vögeln habe – oder auch nicht. Das geht jeden Gott – mit Verlaub – einen Scheißdreck an, denn ich bin es, der geil auf meine Freundin ist und nicht Gott. Soll der alte Spanner sich einen Porno reinziehen, da gibt es genug von im Internet. Auch 1996 war das durchaus machbar, außerdem ist Gott ja allmächtig und so. Egal, welchen Namen er so trägt. Und falls Gott doch geil ist auf meine Freundin, gibt es entweder gepflegt eins in die Fresse von mir oder einen Dreier – kommt drauf an.
Mit diesen Grundhaltungen war ich natürlich bei den Eltern meiner damaligen Herzensdame enorm beliebt, das sollte recht klar sein. Meine erste Erfahrung mit religiösen Fanatikern stammt somit eindeutig aus Südhessen. Und es waren Christen. Aber weil ihre Tochter so eine großartige Frau ist und sich auch als lernfähig erwiesen hat – da darf sich jetzt jeder was dabei denken – ist sie die einzige meiner Ex-Damen, mit der ich noch gelegentlich Kontakt habe. Freundschaftlichen vor allem. Weil sie einfach sie ist.

Doch zurück zum afghanischen Schneider. Dieser Mann erzählte also, daß er zum Christentum konvertiert sei, um die Frau heiraten zu können, die er liebt. Das klingt jetzt unwahrscheinlich romantisch und im Grunde genommen ist es das auch.
Aber es ist dummerweise im Islam auch ein todeswürdiges Verbrechen. Das steht jetzt nicht direkt im entsprechenden heiligen Buch, dem Koran, ergibt sich aber wohl aus dem, was im Islam Hadith heißt. Das sind offizielle Sammlungen von Spüchen des Mohammed, also des ursprünglichen Mohammed, der mit dem Prophet-des-Herrn-Diplom im 7. Jahrhundert.
Da werden also Dinge aufgeführt, die der Mann gesagt hat oder gesagt haben soll. Außerdem Dinge, die er gemacht hat oder gemacht haben soll. Dummerweise ist das nun schon ein paar Tage her und was einer so gesagt oder gemacht hat, unterliegt dann manchmal doch starker Legendenbildung, der Korruption oder schlicht dem Wunschdenken des jeweiligen Schreibers oder der Person, die den Text gerade beim Schreiber bestellt hat. Da kann man bei Konfuzius nachschlagen. Oder auch bei Mao. Continue reading →

Die Lange Dämmerung

– I-

Rom fällt. Immer.

„Die Zukunft und die Ewigkeit sind zwei völllig unterschiedliche Dinge.”
Douglas Coupland

Wenn man – so wie ich das tue – heutzutage behauptet, daß unsere Zivilisation, wie wir sie kennen, unweigerlich verschwinden wird, erntet man meistens nur Stirnrunzeln und einen Gesichtsausdruck, der besagen soll: Das ist ja wohl ein bißchen unmöglich.
Führt man, nach zwei oder drei weiteren Getränken, dann noch ergänzend an, daß dieses Verschwinden nicht erst in 100 Jahren oder gar einer noch weiter weg liegenden Zukunft erfolgen wird, greifen die ersten Leute zum Smartphone und rufen den Arzt. Oder jedenfalls würden sie es gerne, man sieht es ihnen an.
Es kann auch sein, daß überhaupt keine Reaktion erfolgt, denn die meisten Menschen scheinen irgendwelche Hinweise in diese Richtung einfach ignorieren zu wollen und tun das auch sehr erfolgreich. Das ist einer der Gründe, warum die Untergangspropheten immer wieder recht behalten haben.

Von diesen wiederum gibt es unterschiedliche Typen. Die einen naschen zu viele Pilze von der falschen Sorte, wie etwa Johannes von Padmos, und schreiben dann so etwas zusammen wie die Apokalypse der Bibel. Die Welt geht also unter mit Feuer vom Himmel, dem Zorn Gottes, der nächsten Sintflut und am Ende wachen alle Toten wieder auf und wir haben Zombie-Apokalypse wie in 28 Days later oder so in der Art. Noch schöner kann man einen Horrortrip eigentlich nicht aufschreiben. Da Johannes das aber schon vor ziemlich langer Zeit getan hat und man von LSD damals noch keine Ahnung hatte, glauben ziemlich viele Menschen heute genau an diese Variante des Untergangs. Immerhin steht es ja in der Bibel, muß also richtig sein.

Dann gibt es diejenigen, die sich über die Entwicklung der Zeit allgemein beschweren, so wie etwa der römische Schriftsteller Tacitus über den Verlust der Römischen Republik. Tacitus war aber natürlich realistisch – und schlau – genug, die Notwendigkeit des Kaisertums als Verwaltungsmaßnahme für das inzwischen riesige Reich anzuerkennen. Aber er sah darin trotzdem so etwa wie einen moralischen Rückschritt, einen Verlust an „virtus”, also Tugenden.
Aus heutiger Sicht betrachtet bestehen diese Tugenden vor allem aus politischer Korruption und außenpolitischen Kriegen, aber ein Römer des 1. Jahrhunderts ndZ sah das eben ein bißchen pragmatischer.
Wenn man aus solchen Büchern etwas lernen kann, dann die eindeutige Tatsache, daß Menschen für die Schwächen ihrer Zeit meistens sehr blind sind. Hätte ich Tacitus erzählt, wie es mit Rom weitergehen würde, hätte er mich mit einem Stirnrunzeln angeschaut. Auch ein Kaiser Hadrian, der in den letzten Tagen Tacitus’ sein Amt antrat, hätte mir wenig Glauben geschenkt, wenn ich ihm vom Untergang Roms berichtet hätte.
Gut, er hätte jetzt nicht nach seinem Smartphone gegriffen, das war noch nicht erfunden, aber hätte er den Arzt gerufen, wäre das auf jeden Fall mein Ende gewesen. Wer Asterix gelesen hat, weiß genau, was römische Ärzte anrichten konnten.

Rom von oben

Die erstaunlichste Stadt des Universums in luftiger Perspektive, etwa um das Jahr 50 vdZ
Quelle: Asterix, Band 18: Die Lorbeeren des Cäsar, von Albert Uderzo/René Goscinny.

Und warum hätte mir Hadrian auch glauben sollen?
Noch sein Vorgänger Trajan hatte dem Römischen Reich große Gebiete hinzugefügt. Er hatte Mesopotamien erobert und Armenien, was etwa den heutigen Staaten Iran, Irak, Syrien und noch ein bißchen dazu entspricht. Allein das armenische Reich erstreckte sich in seinen Glanzzeiten von Tarsos und Damaskus am Mittelmeer bis zur Küste der Kaspischen See. Außerdem eroberte Trajan Dakien, das entspricht dem heutigen Rumänien, der westpannonischen Tiefebene – das ist heute ein Teil Ungarns und Nordserbiens – und dazu noch Moldawien und ein bißchen Bulgarien. Ja, römische Eroberungen zeichneten sich nicht durch geringe Gebietsverschiebungen aus, soviel ist mal sicher.
Als Hadrian den Thron bestieg, befand sich das Römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung, die Küste des Schwarzen Meeres gehörte ebenso natürlich dazu wie die des Mittelmeeres, das ja von den Römern ohnehin „Mare Nostrum”, also „unsere Badewanne” genannt wurde. Continue reading →