Ein Wechsel der Perspektive

„Eine Idee, die nicht gefährlich ist, ist es nicht wert, überhaupt eine Idee genannt zu werden.“
Oscar Wilde

Im 3. Jahrhundert vdZ wurde der bereits einmal erwähnte Grieche Archimedes von König Hieron II. an seinen Hof gerufen, weil der König eine Aufgabe für den als durchaus innovativ bekannten Mann hatte.
Der König hatte sich nämlich eine neue Krone bestellt, wie Herrscher das wohl gelegentlich tun. Dieses aus Gold bestehende Modell war natürlich recht wertvoll und so kam wohl im König der Verdacht auf, daß der beauftragte Schmied eventuell einen Teil des Goldes durch anderes Metall ersetzt hatte. Offensichtlich neigten Menschen in Herrscherpositionen bereits in der Antike zu einem gewissen Mißtrauen. Archimedes erhielt nun die Aufgabe, genau das zu überprüfen.
Was Archimedes wiederum vor ein Problem stellte.
Eine Kugel, ein Quader, ein Kubus – alle diese Dinge wären mit der damaligen Mathematik zu bearbeiten gewesen. Aber die Krone mit ihrer unregelmäßigen Form war in Zahlen nicht zu erfassen, denn die Integralrechnung war noch nicht erfunden. Der Trick war also, das Volumen der Krone zu bestimmen, ohne sie dabei zu zerstören, denn das kam natürlich nicht in Frage.

Nach einer Weile hatte Archimedes vom Grübeln die Nase voll und beschloß, einfach mal einen Tag blau zu machen und ging in die öffentlichen Bäder von Syracus. Die Legende will es, daß sich Archimedes in einer gut gefüllten Wanne genüßlich ausstreckte und dabei ordentlich Wasser über den Rand schwappte. Woraufhin Archimedes „Heureka“ ausrief – das ist griechisch für „Ich hab’s gefunden“ – und sich im Adamskostüm sprintenderweise durch die Stadt zurück zu seiner Werkstatt begab. Die Erkenntnis, die den alten Griechen in dem Moment ereilt hatte, war die, daß ein Körper im Wasser exakt so viel Flüssigkeit verdrängt, wie er selber an Volumen aufweist.
Prompt tauchte also Archimedes die herrscherliche Krone ins Wasser und dann einen Barren Gold mit dem gleichen Gewicht. Die Krone verdrängte mehr Wasser, hatte also bei gleichem Gewicht mehr Volumen. Ergo mußte sie aus noch etwas anderem bestehen als Gold. Die Legende erzählt uns nicht, was das für Folgen für den Schmied hatte, aber sie dürften nicht zwingend erfreulich gewesen sein.

Archimedes hatte also etwas völlig Neues entdeckt und gedacht, in diesem Falle das nach ihm benannte „Archimedische Prinzip“. Im Allgemeinen ist das auch die geistige Vorstellung von „Innovation“, die wir im Kopf haben, wenn jemand dieses Wort in unserer Hörweite benutzt.
Innovation, also der Erfindungsgeist des Menschen an sich, ist ein untrennbarer Teil vom Rasiermesser des Fortschritts. Und ebenso eine Lüge. Zumindest oft. Continue reading →

Das falsche Morgen (I)

„The future will be better tomorrow.“
Dan Quayle

Tä-TäTä TäTäTäTä-Täää-TäTää…das Weltall, unendliche Weiten.

Wir befinden uns im Jahr 2057.
Ihre Krankenkasse überwacht morgens beim Pinkeln ihren Urin und erstellt daraufhin direkt einen Ernährungsplan, weil sie am Vorabend gesoffen haben.
Ihr smartes Haus sagt ihnen, wie das Wetter ist, während sie vor dem Badezimmerspiegel stehen, dabei verdunkelt es gleichzeitig die Fenster, damit sie von der tiefstehenden Morgensonne nicht geblendet werden.
Ihre Kaffeemaschine – Entschuldigung – ihr vollvernetzter Fair-Trade-Handelsgut-Zubereiter läßt derweil dreifach entkalktes Wasser über handgestreichelte und bei Neumond geerntete Bohnen laufen und bestellt selbständig den Mechaniker, weil mit dem Mahlwerk was nicht stimmt. Oder er bestellt gleich einen neuen, noch smarteren FTHGZ, denn immerhin ist ihr eigenes Exemplar schon elf Monate alt, da gibt es natürlich längst was Besseres.

Von der Bestellung merken sie auch überhaupt nichts, jedenfalls nicht, bis ihr Kreditchip im Handgelenk sie mit einem orangenem Leuchten daran erinnert, daß sein Wert nicht mehr ganz so hoch ist, wie er vielleicht sein sollte, und sie auf der Arbeit ein automatisches Schreiben ihrer Hausbank – oder besser, ihres Bankcomputers – erhalten, in dem die ganzen Zahlen aufgelistet sind, die da so aufgelaufen sind in den letzten zehn Tagen.
Da können sie dann auch gleich die Sonderabbuchung ihrer Krankenkasse finden, wegen der schlechten Werte im Urin. Ihr Konsumindex ist trotzdem zu niedrig, die Mail erinnert sie höflich daran, daß sie ihre staatsbürgerliche Durchschnittsverschuldungsquote noch immer nicht voll ausgeschöpft haben. Continue reading →

Die Vergangenheit der Zukunft

„Eine Revolution ist ein Kampf bis auf den Tod zwischen der Vergangenheit und der Zukunft.“
Fidel Castro

Mensch war also schon immer neugierig auf das, was vor ihm liegt und allgemein Zukunft genannt wird. Aber erst in den letzten sechs oder sieben Jahrzehnten hält in dieser Beziehung eine gewisse Wissenschaftlichkeit Einzug.
Das hat dazu geführt, daß wir heute recht gut wissen, daß Vögel Priester am Boden ignorieren, weil sie einfach zu beschäftigt sind, sich am Magnetfeld der Erde zu orientieren. Dazu wiederum mußte man natürlich erst einmal darauf kommen, daß die Erde überhaupt eins hat und was zur Hölle ein Magnetfeld eigentlich ist. Dieser Teil der Geschichte fällt ins 19. Jahrhundert und enthält Namen wie Nicola Tesla, Michael Faraday und natürlich James Clerk Maxwell.

Auch von Ritualen an Tieren stammende Einsichten ins Innenleben derselben dienen heutzutage eher dem Tierarzt und dem Gesundheitsministerium als der Zukunftsvorhersage, weil sich Mensch mit steigender wissenschaftlicher Bildung einer Erkenntnis nicht länger verschließen konnte: Zufall existiert einfach. Und er ist zufällig.
Das hat aber trotzdem niemanden davon abgehalten, weiter an die Möglichkeiten einer Zukunftserforschung festzuhalten. Eine dieser Disziplinen begegnet uns so regelmäßig und alltäglich, daß wir sie meistens gar nicht mehr als solche erkennen: Die Wettervorhersage. Continue reading →