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Alles unter Kontrolle
„It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.“
Jiddu Krishnamurti
Kontrolle. Es geht immer nur um Kontrolle. Aber längst haben wir Menschen, wir Bewohner der industrialisierten Konsumgesellschaft, diese Kontrolle abgegeben. Was früher auf lokaler Ebene geregelt wurde, oft auch ohne Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage, wird heute von Institutionen verwaltet, die im Laufe von Jahrzehnten immer größer und gesichtsloser geworden sind.
Die Wissenschaften. Die Regierung. Die Reptiloiden, die 9/11 eingefädelt und die Mondlandung vorgetäuscht haben. Ähmmm..was habe ich da gerade gesagt?
Wir haben das nicht freiwillig getan. Es war und ist ein Prozeß der Konzentration von immer mehr Macht in verschiedensten Formen in den Händen von immer weniger Menschen. Das Credo der Wissenschaften lautet Kontrolle. Das Credo der Regierungen lautet Kontrolle. Über Terroristen. Über Medien. Über die jeweiligen Bürger. Innere Sicherheit heißt das immer so schön. Jetzt gerade wieder aktuell auf Wahlplakaten, in Wahlprogrammen und in Wahlreden.
Wenn erst einmal alles gespeichert wird, alles aufgezeichnet, alles auswertbar gemacht von jedem, wird es Kontrolle geben. Dummerweise ist totale Kontrolle auch nicht von Terrorismus zu unterscheiden und totale Sicherheit unerreichbar.
Und aufgezeichnet werden nur private Dinge. Ausgewertet von staatlichen Stellen. Der Anwalt, der einem Privatmenschen eine Urheberrechtsverletzung vorwirft, erhält routinemäßig Auskunft über IP-Adressen und kann seine als Arbeit getarnte Erpressung und Nötigung beginnen.
Der Bürger, der eine Behörde nach Akten oder Vorgängen befragt, blitzt mit derlei Ansinnen routinemäßig ab. Von Einblick in Tun und Lassen großer Konzerne kann selbst die Politik nur träumen, der Normalbürger schon nicht mal mehr das.
Kontrolle von Dingen des täglichen Lebens auf kommunaler oder gar individueller Ebene ist schon längst nicht mehr vorgesehen. Kontrolle bedeutet nur noch „die da“. Die sollen mal was machen. Natürlich sind „die da“ auch an allem Schuld. An was auch immer.
Kontrolle ist längst nur noch Datenverwaltung und -interpretation durch Spezialisten. Wozu sollte man Anwohner fragen, wie manche Dinge eventuell geregelt werden solltem, wenn man doch mit einem Gutachten von irgendwem, der nicht mal in der Nähe der betreffenden Stadt war, alles klären kann?
Aber natürlich renovieren wir die Straße aus dem Dorf raus endlich mal. Die hunderttausend Euro Kommunalbeteiligung für die Anwohner sollten ja wohl kein Problem darstellen, oder? Immerhin besitzen die ja alle Häuser.
Längst sind uns viele Dinge völlig aus der Hand geglitten, haben sich von uns entfernt. Was nützen Mietpreisbremsen, wenn eine willige Politik sie mit massenhaft Ausnahmen durchlöchert wie einem Mindestlohn, der gar nicht erst notwendig wäre, gäbe es die immer wieder propagierte Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes tatsächlich.
Der Markt. Früher ein Ort, an dem man eingekauft hat. Ein Schwätzchen gehalten über Tomaten, Möhren, Äpfel und Blumenkohl hinweg. Ein Ort, an dem weitaus mehr passierte als nur der Austausch von Waren gegen das angebliche Tauschmittel des Geldes. Heute ist „der Markt“ der Euphemismus für unsere angeblich so phantastische globalisierte Wirtschaft, von der wir alle profitieren. Wenn der Markt etwas so will, dann kann man da halt nichts machen.
Längst bewegen wir uns als Menschen in einer Welt, der in vielen Fällen alles menschliche Maß und alles Maß für das menschliche abhanden gekommen ist. Nicht einmal die Miete wird noch vom misanthropischen Vermieter erhöht. Ein Brief vom Anwaltsbüro der Wohnungsbaugesellschaft regelt heute solche Dinge.
Man wird nicht mehr gepflegt im Alter oder behandelt im Krankheitsfall. Man verwandelt sich in eine Kostenstelle in einem Klinikverbund, der sich über ganz Europa zieht. Gab es früher noch Röhn-Kliniken, wurden diese von Helios aufgekauft. Helios selbst, einer der größten Medizinverbünde des Kontinents, gehört aber zu Fresenius. Diese Typen, die auf jeder Mineralwasserflasche standen früher, weil sie offiziell den Inhalt analysiert hatten. Als Kind hatte ich immer eine Gruppe weißbekittelter, ergrauender Herren vor Augen, mit langsam ausgehenden Haaren, die in einem Labor mit Blick auf Waldlandschaft Reagenzgläser vor ihre bebrillten Augen halten und für das Wohl der Bevölkerung Arbeit verrichten. Aber gut, da war ich zehn jahre alt.
In einer seltsamen, surrealen Metamorphose sind aus zwischenmenschlichen Dingen Klinikkomplexe geworden, die sich über ganz Europa ziehen. Man ist kein Patient mehr in einem Krankenbett, man ist eine Gewinnerwartung für Aktionäre. Schon während meines Medizinstudiums war die Anzahl an Komillitonen, die das Fach „wegen des Geldes“ belegt hatten, erschreckend hoch. Ich war noch mit der Vorstellung an die Materie herangegangen, daß Ärzte Menschen heilen wollen. Aber das ist gar nicht der Fall.
Das ideale Mitglied der Konsumgesellschaft ist gesund genug, um 40 Stunden die Woche zu arbeiten, plus Überstunden. Unvergütet, ist ja klar. Die Märkte, siewissenschon.
Gleichzeitig ist es krank genug, um regelmäßiger Dosen pharmazeutischer Erzeugnisse zu bedürfen. Sei es der Blutdrucksenker, der Betablocker, das schlichte Aspirin zur Prophylaxe oder ein bißchen Ibuprofen gegen das Ziehen im Kreuz.
Die Amerikanische Psychologische Gesellschaft empfiehlt das Verschreiben von starken Antidepressiva, sollte ein Patient zwei Wochen nach dem Tod eines Verwandten oder einer nahestehenden Person noch immer Anzeichen von Trauerverarbeitung zeigen.
Zwei Wochen Trauerphase, danach muß wieder korrekt funktioniert werden im Alltag. Zwei Wochen, nachdem man zehn, zwanzig, vielleicht fünfzig Jahre mit einer Person ein Leben verbracht hat. Zwei Wochen, um eine zertrümmerte Liebeslandschaft wieder aufzuforsten.
Ich habe nach dem letzten Ereignis dieser Art mehrere Jahre gebraucht, um mich wieder etwas auf die Füße zu stellen. Ich wäre heute vermutlich von einem halben Dutzend lustiger Pillen abhängig, die selbst bei korrekter Dosierung gelegentlich zu Axtmordanfällen oder dem Anblick blutender Wände führen können. Oder irgendein ähnlicher Mist. Wäre ich jemals Drehbuchschreiber für Horrorfilme geworden, hätte ich vor jedem Auftrag ein paar Waschzettel von Medikamenten gelesen vor dem Einschlafen.
Aber als Vorlage für einen Satiriker sind sie auch nicht schlecht. Wenn Antidepressiva als Nebenwirkungen Depressionen aufführen, kann man das mit erfundenem Zynismus gar nicht mehr überbieten.
Gerade eben hat die kleine, pelzige Alien-Kreatur, die auf dem Kopf von Donald Trump lebt und seinen Körper steuert, den nationalen Notstand erklärt. Denn offenbar gibt es in den USA immer mehr Menschen, die von Opioiden abhängig sind, also starken Schmerzmitteln.
Diese Zahl ist in den letzten 25 Jahren stark angestiegen. Was nicht verwunderlich ist, denn erstens hat die Pharmalobby in den 90ern jede Menge Ärzte zum Verschreiben dieser Präparate gedrängt und zweitens ist da eben das Suchtpotential.
Der ausgerufene Notstand dient dazu, öffentliche Gelder lockerzumachen, um Suchtbekämpfung durchführen zu können. Vermutlich mit Präparaten, die von denselben Pharmaunternehmen hergestellt werden, die sich vorher mehrere goldene Nasen mit süchtigen Patienten verdient haben. Und am Ende werden sie das einfach wiederholen. Denn natürlich werden Erstzmedikamente teuer sein und wie immer werden Pharmakonzerne auf ihre unfaßbar teure Forschung und Entwicklung verweisen.
Natürlich kostet so etwas Geld. Aber ein guter Teil dieser Kosten wird von der öffentlichen Hand bezahlt, also Steuergeldern. Nur die sich ergebenden Profite werden dann wieder allein von Großkonzernen eingesackt.Bevor einer über die dummen Amis den Kopf schüttelt: In Deutschland darf man sich jetzt einen neuen Diesel kaufen und kriegt dafür 10.000 Euro in Zahlung von den Autokonzernen. Also, „bis zu“ natürlich.
Dabei ist jetzt schon klar, daß die Euro-6-Diesel so heißen, weil sie bis zum sechsfachen des Grenzwertes an Stickoxiden hinten raushauen. Aber wir verkaufen den Leuten dann halt mal neue Autos. Also denen, die sich das auch leisten können, versteht sich. Das wiederum steigert den Profit bei exakt den Autokonzernen, die anschließend diese Gelder nicht einmal richtig versteuern, sondern die Milliarden in die Südsee schicken, damit sie dort am Strand liegen und sich sonnen können.
Industrielle Skalierung ergibt am Ende immer eine Verschmelzung von Wirtschaft und Politik zum Schaden der Gesellschaft
Die simple Schlußfolgerung, nämlich das ein Verbrennungsmotor nun einmal Dreck macht und das heutige Motoren so ziemlich am Ende der Fahnenstange angekommen sind bei der Entwicklung, darf man im Autofanatikerland Deutschland natürlich nicht laut äußern. E-Motoren machen übrigens auch Dreck, die machen den nur anders und an anderen Orten. Es ist schlicht unsere irrsinnige Gewohnheit der Massenmobilität, die am Ende angelangt ist. Aber das habe ich nie gesagt.
Egal, was es genau ist: In so ziemlich allen Bereichen der menschlichen Industriegesellschaft läßt sich klar erkennen, daß ab einer gewissen Größe die Kosten es eigentlich nicht mehr rechtfertigen, in dieselbe Richtung weiterzugehen. Gerade gibt es in Deutschland kein einziges Hühnerei mehr, weil die alle womöglich mit einem Insektizid vergiftet worden sind.
Inzwischen stellt sich heraus, daß dieses Gift aus dem Mittel stammt, das eine niederländische Reinigungsfirma ihren Kunden angepriesen hatte. Unter anderem mit dem Hinweis, man hätte danach Ruhe vor der roten Vogelmilbe, jedenfalls ziemlich lange. Natürlich haben die betroffenen „Landwirte“ nicht geprüft, was in dem Wundermittel alles drin ist. Dafür haben heutige Lebensmittelerzeuger ja gar keine Zeit.
Ich weiß nicht, ob der Befall mit roten Vogelmilbe etwas mit Massentierhaltung zu tun hat, aber betroffen sind auch Bio- und Ökobetriebe, für die deutlich strengere Vorschriften gelten. Nur sind die eben immer noch lächerlich lasch, denn „Bio“ ist ja längst zum Umsatzgarant geworden. Abgesehen davon stand das giftige Zeug wohl einfach nicht mit auf der Zutatenliste beim Stall putzen.
Früher™, in grauer Vorzeit, als in Brüssel noch Wölfe lebten und Berlin noch ein Sumpfgebiet war, hatten Menschen einen Eiererzeuger direkt um die Ecke, spätestens auf dem lokalen Markt. Womöglich hatte man selber ein paar Hühnersuppenkandidaten im Garten.
Die Bambushütte am Rande der Gesellschaft, in der ich lebe, steht witzigerweise in einem Wohngebiet, auf dem die Grundstücke noch wesentlich größer sind als die Häuser, die draufstehen. Das einer Nachbarin geht noch fast einhundert Meter weiter bis zur nächsten Straße. Diese Grundstücke sehen so aus, weil sie alt sind. Als in den 50er Jahren die entsprechenden Bebauungspläne nach dem Krieg erstellt wurden, gingen die Stadtplaner ganz selbstverständlich davon aus, daß die Anwohner einen Teil ihrer Gemüse-, Eier- und sonstigen Nahrungserzeugung eben selber erledigen würden. Und das sollten sie auch ausdrücklich tun, deshalb auch der großzügige Grundstücksschnitt.
Heute planen Stadtverwaltungen und Kommunen nur noch, wie sie möglichst viele Häuser auf möglichst kleiner Fläche unterbringen. Fast könnte man sagen, daß Ziel heutiger Stadtplaner liegt darin, die Menschen wie Hühner zu halten.
Heute müssen mehrere Millionen Eier wieder auf Lastwagen geladen werden, damit man sie anschließend entsorgen kann, weil keiner mehr seinen Stall selber putzt. Alles, was ausgelagert werden kann an Sub-Sub-Subunternehmer, wird ausgelagert. Heutiges Ei kommt nicht mehr aus dem Garten, sondern aus der Hühnerfabrik.
Je mehr sich unsere Gesellschaft in eine Ansammlung riesiger bürokratisierter Gebilde verwandelt, die sich sehr oft offiziell der Augabe widmen, das gesellschaftliche Zusammenleben zu verbessern, desto schwächer wird der Zusammenhalt dieser Gesellschaft.
Das Verbraucherschutzministerium schützt heutzutage die Großkonzerne vor irgendwelchen Fragen der Verbraucher. Der Landwirtschaftsminister hangelt sich von einem Lebensmittelskandal zum nächsten, ist aber nie an irgendwas schuld. Der Ministerpräsident von Niedersachsen behauptet allen Ernstes, am Dieselpfusch sei ja die Bundesregierung schuld. Das ist sicherlich durchaus richtig, aber der eigenen Landesregierung da eine AU-Bescheinigung ausstellen zu wollen, ist dann auch wieder mehr als kackdreiste Uneinsichtigkeit. Die sogenannte CSU fordert alle drei Minuten ebenso ernsthaft den Rücktritt des Ministerpräsidenten. In Niedersachsen, wo diese „CSU“ gar nicht regiert. Das tut sie aber in Bayern, und zwar bereits seit Gründung der Bundesrepublik. Und in Bayern wohnt der BMW.
Das Wort „Datenschutz“ bedeutet in heutigen Zeiten der grassierenden Euphemitis, daß immer mehr Stellen immer mehr Daten aller Bürger sammeln wollen und können und immer mehr andere Stellen darauf Zugriff erhalten. Die Mautdaten sind da ein schönes Beispiel. Aber wenn ein Bürger mal etwas vom Staat wissen möchte, über Dieselmotoren, Hühnereier, Hühner oder die Verwendung von Milliarden von Datensätzen, kriegt er keine Auskunft. Jedenfalls meistens nicht.
Zu Jahresbeginn erst hat die Große Koalition erst beschlossen, daß Geheimdienste quasi nie wieder Akten an das Bundesarchiv weiterreichen müssen. Denn da könnten ja peinliche Sachen drinstehen. Über den sogenannten Verfassungs“schutz“ beispielsweise, der oft nicht zu wissen scheint, welche Verfassung er denn nun schützen soll in unserem Land – die von 1933 oder die von 1949.
In seinem von mir bereits mehrfach erwähnten Buch „Collapse of complex societies“ drückt Joseph Tainter an einer Stelle sein Erstaunen darüber aus, daß Zivilisationen es immer wieder hingekriegt haben, unterzugehen, obwohl sie eigentlich alle Institutionen und Organisationsformen entwickelt haben, die zur Bewältigung großer Krisen notwendig sind. Exakt diesen Prozeß beschreibt Tainter ja im Vorfeld.
Eine Gesellschaft, die sich in ein komplexes System weiterentwickelt hat, verfügt über Dinge wie eine Feuerwehr. Eine Polizei. Einen Katastrophenschutz. Eine Armee ist eine der frühesten Ausprägungen eines komplexeren Staatswesens.
Trotz all seiner Forschung scheint auch ein Kopf wie Tainter damals unfähig gewesen zu sein, die offensichtliche Schlußfolgerung zu ziehen: Das Gesetz des Abnehmenden Ertrags macht vor gesellschaftlichen Organisationsformen nicht halt. Ganz im Gegenteil sogar. Der Prozeß, den ich anderswo Komplexifizierung getauft habe, nimmt sogar an Geschwindigkeit zu. Das ist einer der Gründe, warum jeder Mensch Lachanfälle bekommt, wenn man ihm etwas von einer „schlanken Verwaltung“ erzählt.
Eine Polizei, die immer mehr Kameras und Computer bekommt, ist gut und schön. Werden aber diese Dinge benutzt, um immer schärfere und antidemokratische Überwachungsmaßnahmen durchzuführen, hat das zur Folge, daß das Vertrauen in die Polizei als Institution sinkt.
Dazu kommt der schlichte Faktor, daß Kameras, Gesichtserkennung und Staatstrojaner niemanden daran hindern, in einem Zug um sich zu schießen, sich in die Luft zu sprengen oder mit einem Fahrzeug in eine Menschenmenge zu fahren. Eventuell helfen diese Dinge bei der Aufklärung dieser Taten, das ist aber auch alles. Wenn sich dann wieder herausstellt, daß drei Polizeibehörden den Täter im Vorfeld an zwei Geheimdienste weitergemeldet haben, oder daß der schon „unter Beobachtung“ stand oder das er auf irgendeiner Liste mit doch recht radikalen Typen auftauchte – wenn also das übliche Bullshitbingo nach einem Terroranschlag wieder die üblichen Ergebnisse erbringt – dann sinkt das Vertrauen der Öffentlichkeit in solche Dinge wie Polizei und Politik noch weiter. In den USA ist der Kongress etwas weniger beliebt als Genitalpilz oder Bombenterror.
Spätestens sobald dann der Innenminister wieder vor die Kameras tritt und Fußfesseln für alle fordert, weil man bei 80 Millionen Einwohnern in Deutschland knapp 1.000 „Gefährder“ – was immer das sein soll – halt nicht anders in den Griff bekommen könne, muß ich wieder eine Pille einwerfen, weil ich immer befürchte, diese Art ultimative Denkunfähigkeit könnte ansteckend sein.
Bedingungsloses Mindesthirn für alle wäre da eher meine Forderung, Politiker bitte bevorzugt behandeln. Wobei das bei Thomas de Maizière auch nicht weiterhilft. Aus schwarzen Löchern entkommt ja nichts.
Ich frage mich ohnehin, wie Deutschland es hinkriegt, seit weiland Zimmermann Anfang der 80er jedesmal einen noch dümmeren und bevölkerungsfeindlichen Antidemokraten ins Innenministerium zu hieven als vorher. Eigentlich hätte das Land da rein statistisch zwischendrin schon mal einen fähigen Typen erwischen müssen. Die Idiotie ist hierbei übrigens parteiunabhängig – ich erinnere daran, daß wir den Mist mit der Biometrie einem Mann namens Otto Schily verdanken, und der war damals in der SPD. Heute haben wir Gesichtserkennung an Bahnhöfen und das nächste iPhone, das womöglich diesen Job dann für den Staat übernehmen wird. Anschließend verkauft Apple die Daten wahrscheinlich an jeden weiter, der bezahlen kann. Der Staat gewinnt, denn er muß die Hardware nicht mehr selbst kaufen, das machen die aufgeklärten Wahlbürger dann selbst.
Zelebriertes Vollidiotentum, Arroganz und Verantwortungslosigkeit bilden das Dreigestirn für den Totentanz der Gesellschaft
Der ganze digitale Überwachungskram hilft natürlich auch nichts gegen steigende Kriminalitätsraten. Wohnungseinbrüche beispielsweise wurden auch noch nie durch eine Kamera verhindert. Man kaufe sich stattdessen einen Hund. Oder eine Geheimdienstoma, die gegenüber wohnt und so tut, als putze sie die Fenster.
Dummerweise verschlechtern solche statistischen Dinge dann die Aufkärungsquote, denn die ist ja, wie der Name schon sagt, eben ein Dingsbums mit Zähler und Nenner.
Wenn Griechenland keine weiteren Schulden macht, aber die Wirtschaftsleistung des Landes sinkt, weil die Arbeitslosigkeit steigt, weil zig tausend Leute entlassen werden, weil das Land sparen muß, weil es kein Geld hat – dann steigt die Schuldenquote des Landes. Und dann muß natürlich mehr gespart werden. Aus irgendwelchen Größen irgendwelche Quoten zu bilden, ist das Dogma ökonomischer Statistiken überall. Dann kann man eine schöne, griffige Zahl irgendwo publizieren und so tun, als hätte man alles unter Kontrolle.
Eine schlechtere Aufklärungsquote von Verbrechen führt dann natürlich wieder zu Politikern, die vor Kameras mehr Überwachung fordern. Auftritt Innenminister und Polizeipräsidenten. Oder Gewerkschaftschefs der Polizei. Denn mehr Daten helfen bestimmt.
Was wieder alle vergessen: Irgendwer muß sich auch um diese Daten kümmern. Und er sollte dazu halbwegs befähigt sein. Dazu bräuchte man aber mehr – Personal.
Natürlich könnte eine Polizei mit mehr Personal womöglicha uch mehr auf Streife gehen, gerade in der Urlaubszeit vielleicht. Derartige Dinge verringern die Kriminalitätsrate in einer Gegend deutlich, das ist keine besonders neue Erkenntnis. Aber stattdessen fordern dann Innenminister, man solle doch im Schnellverfahren Hilfspolizisten ausbilden. Wieder ein prima Beispiel für „Meine Politik soll an irgendwas schuld sein? Nein, das kann nicht sein!“
Im Aktionismus liegt das Heil. Der wäre halt nur bei einer präventiven Politik gar nicht nötig. Ich verweise nach oben auf das bedingungslose Mindesthirn.
Am Ende vertraut niemand mehr einer Polizei, die Dinge nicht in den Griff bekommt. Oder einer Politik, die Unfähigkeit zum Leistungsprinzip erhoben hat und ständig nur überwachen will, aber nichts tun, was eventuell Geld kostet. Es sei denn, es geht darum, Banken zu retten oder Autokonzernen zu helfen.
Dann läßt sich diese Politik auch noch bei überteuerten Arbeitsessen, die als Wirtschaftsgipfel getarnt werden, von der Polizei bewachen, die nicht genug Leute hat. Irgendwelche Krawalltypen, die sich selbst als irgendwie „links“ bezeichnen, aber eben in Wahrheit nur pöbelnde Vollidioten sind, machen Randale und zünden dann den Twingo vor der Bio-Drogerie an, was natürlich jeden Politiker sofort vor Angst erschauern läßt und schon ganze Nationen zu einem sozialeren Kurs gezwungen hat.
Hinterher sagt die Politik dann noch, sie könne keinerlei Gewaltanwendung durch die Polizei erkennen. Außerdem fordert sei dann mehr Überwachung. Oder die Abschaffung von Kennzeichnungen bei Polizeibeamten, mit der Begründung diese würden damit ja „unter Generalverdacht gestellt.“
Bei aller Diskussion über Sinn und Unsinn von Kennungen ist diese Begründung an Zynismus nicht zu überbeiten.
Erleichtert wird dieser Erosionsprozeß des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch eine Bevölkerung, die – womöglich betäubt von Opiaten – vor der Flimmerkiste hockt und sich einen Scheißdreck darum kümmert, was um sie herum vorgeht.
Und dieselbe Politik, die alle mit Fußfesseln bändigen will oder biometrisch erfassen beim Eis essen in der Innenstadt, die Hartz-IV-Bezieher mit Sanktionen belegt, weil die einen unterbezahlten Scheißjob nicht annehmen wollen, schaut dann weg, wenn durch halblegale Steuerbetrügereien durch Konzerne und Banken ein Schaden von 30 Milliarden Euro angerichtet wird. Hier kann der deutsche Finanzminister wieder kein Versagen der Politik erkennen, seiner Politik schon gar nicht.
Was hätten deutsche Medien geschrieben, wäre so etwas in Griechenland passiert?
Und wie viele Schulen hätten eine ordentliche Ausstattung, vernünftiges Personal und ein dichtes Dach kriegen können für das Geld?
Während draußen also Twingos brennen und mies bezahlte Polizeiangestellte, die aus anderen Bundesländern herbeigekarrt wurden und eigentlich gern mal ein Wochenende auf der Freundin gelegen hätten, sich mit Bekloppten prügeln müssen, dinieren die Verursacher dieser schlechten Laune bei Schwertfischfilet an Trüffelschaum, um anschließend, abgeschottet von den Protesten, die ihnen und ihrer fehlgeleiteten Politik gelten, Beethovens Neunte zu genießen. In einer Philharmonie, die man für eine Milliarde an Steuergeldern gebaut hat.
Im Publikum Leute wie Erdogan, Putin, die kleine pelzige Alien-Kreatur und andere Typen, die Demokratie für eine äußerst hinderliche Einrichtung halten.
Dieser immer weiter fortschreitende Entfremdungsprozeß der Politkerkaste von den wichtigen Alltäglichkeiten der Regierten, gepaart mit einer immer offener zur Schau gestellten Arrognaz der Macht ist symptomatisch für den Prozeß der Institutionalisierung.
In öffentlichen Einrichtungen aller Art wird die Bürokratie immer komplexer, aber die eigentliche Leistungsfähigkeit sinkt dramatisch ab. eine Feuerwehr ohne Festangestellte. Eine Polizei ohne Präsenspersonal. Altenheime, in denen niemand mehr alt sein möchte, geschweige denn, in irgendeiner Form daheim und in denen niemand mehr arbeiten will. Und diejenigen, die noch da arbeiten, kommen vor lauter Papierkrieg nicht dazu, sich um die Menschen zu kümmern.
Je weiter der Prozeß der Institutionalisierung fortschreitet, desto stärker wird hierdurch die Fragmentierung, die Atomisierung der Konsumgesellschaft.
Am Ende wählen alle Alternativen, die gar keine sind. Oder den alten Mist, in der Hoffnung darauf, daß sich etwas ändern möge. Oder den anderen Mist, in der Hoffnung, daß sich nichts ändern möge, obwohl der Status Quo weder haltbar ist noch sein weiteres Bestehen nützlich für alle.
Aus hell erleuchteten Vorstandsetagen höre ich Gelächter und Partymusik, während Donald Trump im Weißen Haus sitzt, sein Twitterteam schon mal die besten Zitate aus „Dr. Seltsam“ und „Apokalypse now“ sammeln läßt und auf dem Stück Kunstrasen im Oval Office Putten übt.
Wenn es jemals ein Zeitalter menschlicher Autonomie gab, dann, so bin ich überzeugt, liegt es eindeutig nicht in der Zukunft. Jedenfalls nicht in der Zukunft, von der Politiker und Wirtschaftslenker glauben, daß sie eintreten wird, weil sie eintreten muß.
Mit Deinen Ausführungen beantwortest Du die Frage nach den fähigen Politikern ja beinahe selbst: welcher halbwegs normale Mensch möchte sich denn in so einen Klüngel hineinbegeben?… Da versagt sogar die Statistik… (OT/ habe mir in den letzten vier Tagen notgedrungen ein paar Happen darüber anlesen müsen, um einer Dissertation halbwegs folgen zu kkönnen, aus der ich ein paar Argumente für die Eionführung eines neuen hah – Tests ziehen konnte. Glücklicherweise musste ich der Beweisführung nicht folgen können, immerhin wurde es ja mit der Arbeit für Statistiker ausreichend bewiesen. Eine Dissertation zur Erlangung des Doktors in Philosophie.. kein Wunder, dass diese Menschen sich mit anderen Menschen nicht mehr austaushen können, die sprechen einfach eine andere Sprache /OT) Anyway. Ja, ich stehe auch vor der Wahl und frage mich, welche Wahl ich denn habe… und wann das Hamsterrad knirschend zum Stehen kommt…
Das mit der Sprache hatte ich ja schon irgendwo mal erwähnt 😉
Eigentlich ja zur Übermittlung von Information gedacht, dient sie heute oft eher dem Gegenteil. Gut, Philosophen hatten schon immer einen Sprung in der Schüssel in Sachen Kommunikation. Man schlage bei Kant nach 😀
Und was Politik angeht: Alle wollen immer, daß die sich „drum kümmert“. Aber wie du schon sagst – wer sollte sich das antun wollen? Das ist mit ein Grund für die politische Untätigkeit in vielen Dingen. Dazu kommt dann noch Sprache, die immer so tut, als gäbe es ja gar kein Problem. Frau Merkel hat das bekanntlich zum Stil erhoben.
und wann das Hamsterrad knirschend zum Stehen kommt…
Oh, es knirscht schon ganz kräftig. Ist eine Frage der Hamster.
Exakt. Gelegentlich bekomme ich zu hören, warum ich denn nicht in die Politik gehe… meine Antwort ist meist: Weil ich Angst vor der Rückgrat-OP habe.
Wobei politische Operateure dieses sagenumwobene Rückgrat vermutlich gar nicht fnden würden 😀
Ich frage mich schon seit Jahren, ob man nicht eine politische Partei gründen müßte, um die Dinge in Bewegung zu setzen, die getan werden müssen. Weichen zu stellen, bevor alles mit zunehmender Geschwindigkeit den Bach runtergeht. Aber dazu müßte man den Menschen die Wahrheit mitteilen. Und die lautet nicht „Fahre über die Autobahn in den Sonnenuntergang und fliege in den Urlaub in exotische Gegenden. Alles ist gut.“
Nicht ganz. Und keine Sau interessiert sich für Dinge, die sie nicht hören möchte. Politik ist also an der Stelle eher kein Hilfsmittel.
Wenn ich mich richtig entsinne, hattest Du doch an anderer Stelle mal festgestellt, dass in naher Zukunft die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird, weil auch eine Menge „Kopfarbeiter“ bei immer besser werdenden künstlichen „Intelligenzen“ ihren Job als Makler, Banker, Verwalter usw. verlieren werden.
Jürgen Kuczynski hat zum Thema historische Alternativen mal die Formulierung: „Sozialismus oder Barbarei“ beigetragen. Vielleicht sollte es besser „Gemeinwohlökonomie oder Barbarei“ heißen. Denn nicht jede/r wird ja bei Verlust der Möglichkeit das Hamsterrad zwecks Lebensunterhaltserwerb zu betreten, gleich kreativ. Manche werden eventuell auch destruktiv und fahren mit den letzten Litern Diesel nicht auf Sinnsuche jenseits aller „schneller, höher, weiter – Wachstumsideologien“, sondern in eine Menschengruppe.
Inzwischen werden ja bereits sogar die „Elite“-Jobs an den Börsen von KI-Systemen ersetzt. Gut, jetzt könnte man hoffen, das Finanzmärkte dann in Zukunft rational werden. Aber die Dinger werden halt noch immer von Menschen entworfen.
Manche werden eventuell auch destruktiv und fahren mit den letzten Litern Diesel nicht auf Sinnsuche jenseits aller „schneller, höher, weiter – Wachstumsideologien“, sondern in eine Menschengruppe.
Allerdings. Ich finde das hochinteressant, denn ich kenne dieses Phänomen aus einem SF-Roman. Aus „Morgenwelt“ von John Brunner. Da drehen reglemäßig normale Mitglieder der Geselslchaft durch und verwandeln sich in „Mokker“. Also Amokläufer. Der Roman ist von 1968.
Selbst ein Typ wie Elon Musk denkt, daß der Kapitalismus nur zu retten ist, wenn man ein BGE einführt. Ob unter diesen Gesichtspunkten das Gesamtsystem nicht eher zweifelhaft ist, fragt er aber wiederum nicht 😀