Die Erosion des Europäischen

Nach fünf Jahren erbärmlicher Versuche, die permanent am Kredittropf Europas auf der Intensivstation dahinsiechende griechische Wirtschaft im eigenen Land als ,,gerettet” zu verkaufen, ist in den letzten Tagen die sprichwörtliche Scheiße auf den ebenso sprichwörtlichen Ventilator getroffen.
Vor fünf Monaten, nach der Wahl der linken Syriza in Griechenland, stellte man auf europäischer Ebene plötzlich fest, daß das Land ja irgendwie pleite ist. Mit derselben Plötzlichkeit hat man diese Woche dann beschlossen, die Hilfskredite für Griechenland nicht über den 30. Juni hinaus zu verlängern, also den kommenden Dienstag.

Ich hole etwas weiter aus: Seit fünf Monaten tut die Troika, die man zwischendurch scheinheilig in ,,Institutionen” umbenannt hat, so, als würde man mit der griechischen Regierung verhandeln, was denn weitere Rettungspakete angeht. Genauer gesagt, geht es ja eigentlich um 7,2 Milliarden Euro aus dem noch aktuellen, zweiten Rettungspaket. Das hatte die Vorgängerregierung schon nicht ausgezahlt bekommen, wegen ausstehender Reformen. Das Geld wollte Griechenland gerne haben. Klar, 7 Milliarden hätte ich auch mal gern, wer würde da zwingend Nein sagen?

Jetzt möchte diese Troika, dieses seltsame Gebilde aus EZB, IWF und der für ihre Unkorruptheit berühmten Europäischen Kommission, dieser Diktatclub der europäischen Wirtschaftinteressen möchte also, daß Griechenland für derartige Großzügigkeit und Rettung weiter spart.
Das Land soll, so sagt es der europäische Übervater, weiter Renten kürzen, öffentliche Ausgaben einschränken, staatliches Geraffel privatisieren – die ganze Palette an Maßnahmen, die schon seit fünf Jahren von Griechenland verlangt wird. Nichts Neues unter der Sonne also.
Zwischendurch beschwerte man sich, daß diese neuen Griechen an der Regierung sich ja unmöglich verhalten würden. Was auch richtig ist, denn der Finanzminister Varoufakis sagte bereits im Februar: ,,Ich bin Finanzminister eines bankrotten Staates.”
Das war extrem undiplomatisch, denn es entspricht den Fakten. Denn selbst wenn Griechenland die aktuellen 7,2 Milliarden bekäme, hat das Land Verpflichtungen von knapp 8,5 Milliarden bis zum 20. August, nur für IWF und EZB.
Aber Fakten scheinen auf europäischer Ebene niemanden mehr zu interessieren.

Ein paar Fakten über die glorreiche Rettung Griechenlands und Frau Merkels Bild einer idealen Demokratie.

Fünf Jahre lang hat man Rettungspakete geschnürt, die niemanden in Griechenland gerettet haben. 89 Prozent aller gezahlten Gelder – genauer, 89 Prozent von den ersten 230 Milliarden Euro – sind nicht etwa in Maßnahmen zur Belebung der griechischen Wirtschaft geflossen, sondern direkt zurück an die Kreditgeber.
Also an die EZB, Banken der EU – vorwiegend deutsche und französische Banken – und den IWF.
Dieser IWF, dessen Aufgabe eigentlich darin besteht, Länder der Dritten Welt fiskalisch zu überfallen und anschließend auszuplündern, wurde 2010 von einer Frau ins Boot geholt – Angela Merkel.
Die Kanzlersimulation aller Deutschen hat darauf bestanden, daß der IWF mit seiner Ideologie in einer europäischen Angelegenheit mitentscheiden soll, die diesen eigentlich gar nichts angeht. Selbst die Mitarbeiter des IWF sind darüber bis dato noch sehr erstaunt, was man ihrer Chefin, der Französin Lagarde, auch jedesmal anmerkt.

Der IWF paßte wunderbar zu Frau Merkels persönlicher Ideologie, der postdemokratischen, marktkonformen Demokratie. Also der Abschaffung der Demokratie zugunsten der Herrschaft von Wirtschaftskonglomeraten. Der TTIP-Vertrag – so er denn zustande kommt – dessen Initiative ebenfalls auf Frau Merkel zurückgeht, wird die endgültige Kapitulation der westlichen Volksdemokratien vor den transnationalen Konzernen sein, doch das nur am Rande.

Der IWF jedenfalls fällt seit sieben Jahrzehnten als Handlanger eben dieses Denkens durch die Welt. Man verspricht einem maroden Bananenstaat Kredite, wenn dieser dafür ,,Maßnahmen” durchführt. Diese bestehen üblicherweise aus Privatisierungen von Staatseigentum, Kürzungen irgendwelcher Art – bei Renten, bei Pensionen, bei staatlichen Gehältern, was immer das Land so bietet – und einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Was sich hinter dieser Floskel versteckt, sollten wir Deutschen ein Jahrzehnt nach Hartz IV endgültig begriffen haben. Wer es nicht hat, dem ist nicht mehr zu helfen.
Nichts in dieser Institution geschieht gegen den Willen der großen Wirtschaftsmächte, ganz besonders nicht den Willen der USA, die bereits allein über eine Sperrminorität in diesem Gremium verfügen.

Frau Merkels ideales, wettbewerbsfähiges Europa besteht also aus mehreren Komponenten: Einem Mindestlohn wie in Bulgarien – € 1,06 aktuell – den Arbeitszeiten eines vietnamesischen Kulis, einem Arbeitnehmer, der soviel Streikrecht hat wie die höchst flexiblen Mitarbeiter westafrikanischer Uran-Sklavenminen und natürlich nicht mehr an Essen verbraucht als der durchschnittliche indische Hitzetote. Das Ganze in Verbindung mit einem griechischem Sozialsystem – die haben nämlich gar keins. Wer nichts arbeitet oder in Rente ist, kriegt also auch nichts zu essen, was ja bester Auffassung heutiger Sozialdemokraten entspricht wie einem Herrn Clement oder Herrn Gabriel.
Selbstverständlich muß der Arbeitnehmer von diesem reichhaltigen Geldsegen Steuern bezahlen und konsumieren wie ein Amerikaner, am besten zwei. Dann ist alles gut und Deutschland – nein, Griechenland – ist auf einem guten Weg, wie ein Herr Schäuble, dieser schwäbische Streitwagen unser aller Kanzlerin,  ja im November 2014 noch sagte.

Komischerweise haben die Griechen aber eine Regierung gewählt, die in ihrem Wahlprogramm Folgendes gesagt hatte: ,,Wir machen da nicht mehr mit. Wir würden ganz gerne mal das Land retten und nicht das Bankensystem.”

Natürlich ist das ein unerhörter Affront, denn bisher konnte man die Fassade des solidarischen Europa ja aufrechterhalten, da sich die konservativen Regierungen der letzten Jahre genausowenig um irgendwelche Reformen in Griechenland gekümmert haben wie die Syriza auch, aber dafür haben sie wenigstens immer das Geld genommen und mitgespielt. So geht europäische Spitzendiplomatie heute.

Nicht so die linke Syriza. Seit fünf Monaten fällt diese Regierung von einer Bettelkonferenz zur nächsten, immer mit demselben Lied auf den Lippen: ,,Wir sind pleite und hätte das gerne anerkannt. Und danach bräuchten wir mehr Geld, das wir in ein Wachstumsprogramm stecken können. Das zahlen wir auch gerne zurück, sobald die Wirtschaft das wieder hergibt.”
Da schreit der deutsche Wähler natürlich auf, wie man denn so kackdreist auftreten könne. Die BILDvölkerung© fällt mit Schaum vor dem Mund vorm Stammtisch vom Barhocker, mit letztem Nikotinatem verkündend: ,,Die kriege nix mehr von meinen Steuern!”
Dabei haben wir bisher noch gar nichts bezahlt. Wir haben gebürgt, oder vielmehr, das Parlament hat das getan. Sie wußten zwar nicht, was sie da tun, aber dafür gestimmt haben unsere Abgeordneten dann trotzdem. Die Zinseinnahmen des Bundes aus den griechischen Krediten belaufen sich übrigens auf ungefähr 360 Millionen Euro bis jetzt.

Manche packen auch wieder die Wundergeschichten aus, von damals, Anno Tukmisch in den 50ern, als der fleißige Deutsche das ganze Land wieder aufgebaut hat. ,,Mit unserer Hände Arbeit!” – das ist so ein Spruch, den meine Oma immer brachte, zumindest eine von den beiden.
Meine Meinung dazu ist klar: Ich halte wenig von Leuten, die sich 60 Jahre dafür loben, ein ganzes Land wieder aufgebaut zu haben, und dabei vergessen, daß sie vorher den Nazis ja dummerweise auch erlaubt hatten, das Land erst mal in Schutt in Asche zu legen. Vom Rest des Kontinents reden wir da mal gar nicht.
Mein Opa hat das gewußt, weswegen er die entsprechende Bemerkung von Oma auch immer nur mit einem gutmütig-mißbilligendem Knurren kommentierte, um sich dann weiter seinem aktuellen Puzzle zu widmen.

Deutschland und die Troika wollen Griechenland nicht zugestehen, was uns einmal gerettet hat: Ein Schuldenerlaß.

Es war übrigens dieses wiederaufgebaute Deutschland, dem die USA einen Marshall-Plan bis zum Anschlag in den Allerwertesten schoben. Nicht ganz uneigennützig natürlich, aber da will ich mal nicht drauf rumreiten jetzt.
Dieses Geld wurde dann von Old Adenauer in die Infrastruktur investiert. Kunststück in einem zerbombten Land, was soll man da sonst machen?
Der Witz kommt aber jetzt: Deutschland hat den USA dieses Geld nie zurückgezahlt. Man hat uns das Geld erlassen. Weil Adenauer sich damals – ich glaube, das war 1953 – hinstellte und den Amis rundheraus sagte: ,,Wir ham dat Geld nisch mehr da. Is allet wech.”

Darüber waren die Amis sauer, aber da sie ein Schlachtfeld für den Dritten Weltkrieg brauchten und irgendwer ihre Cola kaufen mußte, haben sie nicht auf Rückzahlung bestanden. Das war der Moment, ab dem das ,,deutsche Wirtschaftswunder” stattfand. Und durch den Handel mit Deutschland haben die Amis ihre 2 oder 3 Milliarden damaligen Dollar locker rausgeholt. Der Deutsche zahlt ja noch heute die Rechnung für die NSA, die uns dank Mitarbeit des BND fleißig abhören darf. Das geht alles noch immer auf unseren Deckel, auch Frau Merkel sei Dank.

Nur Griechenland – Griechenland darf nicht pleite gehen. Es darf auch nicht nach Wirtschaftslage zurückzahlen, sondern muß einen festen Plan einhalten. Was es übrigens – bis jetzt – auch immer getan hat!

Und jetzt steht Europa da: Alexis Tsipras hat die Schnauze voll von der Troika. Die Troika hat die Schnauze voll von den Griechen. Die Griechen selber sollen am Sonntag abstimmen über ein Angebot, daß an dem Tag gar nicht mehr gültig ist, denn das aktuelle ,,Hilfspaket” – das mit den 7,2 Milliarden – gilt nur bis Dienstag um Mitternacht bzw. 6 Uhr Mittwochmorgen MESZ. Das berechnet sich nämlich tatsächlich nach US-Ostküstenzeit, wegen des IWF. Wir sind ja sowas von souverän in Europa, man glaubt es nicht.
Witzigerweise möchten die meisten Griechen den Euro behalten, würden also auch mit hoher Wahrscheinlichkeit für Sparmaßnahmen stimmen, die ihre eigene Regierung ablehnt. Unter der Voraussetzung allerdings, daß die auch für das Land etwas bringen. Was aber nicht der Fall ist.
Deshalb nennt Premier Tsipras den letzten Vorschlag der Troika auch ein ,,Ultimatum” und ,,Erpressung”. Das mag in diesem Falle auch linke Polemik sein, selbstverständlich. Aber trotzdem hat der Mann nicht unrecht, meine ich. Und ich habe dabei durch Herrn Habermas, einen ergrauten deutschen Denker, durchaus ein wenig Unterstützung.

Stimmen die Griechen im Referendum – sinnlos oder nicht – aber zu, gäbe es wohl Neuwahlen in dem demokratisch arg gebeutelten Mittelmeerstaat. Aber wen wählen? Die Idioten, gegen deren Politk man gerade im Referendum gestimmt hat, die man aber vor fünf Monaten noch selber gewählt hatte?
Bei solchen Neuwahlen könnte die Syriza aktuellen Umfragen zufolge tatsächlich die absolute Mehrheit erringen. Eventuell würde dann derselbe Mann Premierminister, dessen selbst angesetztes Referendum gegen seine Politik ausging und so die Neuwahlen erst ausgelöst gehabt haben würde – man stelle sich in diesem Satz korrekten Konjunktivus irrealis futurquamperfectus vor, falls den mal einer erfindet.
Soll man die anderen Idioten wählen, die zwar mit Krawatte rumlaufen, aber das Land vorher 30 Jahre mit Korruption und ohne Reformen irgendeiner Art erst so richtig in den Dreck gefahren haben?

Am Besten, man hebt vorher noch mal sein Geld ab. Was die Griechen seit gestern auch wirklich massenhaft tun, sogar im Parlament, wie der Twitter-Account des ZEIT-Online-Mitarbeiters Zacharias Zacharakis (der heißt wirklich so) gestern enthüllte. Wenn die Leute der ersten Klasse schon zu den Rettungsbooten geleitet werden, sollte man eventuell langsam nervös werden. In Griechenland ist also aktuell ein veritabler Bank Run im Gange.

Helmut Kohl sagte einmal in einer Rede, daß es illusorisch sei, anzunehmen, daß eine gemeinschaftliche Währung ohne eine politische Union funktionieren könne. Das ich das einmal zugeben muß, schmerzt mich persönlich etwas, aber da hatte der dicke Bimbes-Pälzer eindeutig recht.
Das war übrigens, wenn ich das recht memoriere, dieselbe Rede, in der Helmut dem deutschen Volk versicherte, daß kein Land für die Schulden eines anderen würde einstehen müssen. Was einmal zeigt, wie schizophren Politik sein kann, weil Politiker ständig auf dem Basar mit dem Volk feilschen müssen. Denn natürlich mußte Kohl das in die Verträge schreiben lassen, weil die Deutschen sonst niemals ihre geliebte DM aufgegeben hätten. Eher hätten wir die DDR wieder an die Russen zurückgeschenkt damals. Vielleicht wäre Putin dann heute nicht auf der Krim und in der Ukraine, aber lassen wir das.

An dieser Stelle hatte Kohl jedenfalls für einen Moment etwas, was Frau Merkel völlig fehlt: Eine Vison von Europa. Also keine Wahnvorstellungen wie Frau Merkel, sondern eine echte Imagination, ein Konzept einer wünschens- und erstrebenswerten Zukunft, an das man glaubt und das man verteidigt. Um das Wort zu benutzen, das Frau Merkel und der gesamte SPD-Parteivorstand nie verstehen werden: Überzeugung.
Eine echte Union, ein Gebilde, in dem wir Menschen uns über unsere Gemeinsamkeiten definieren und nicht über das, was uns unterscheidet. Wäre es seit fünf Jahren nötig gewesen, CARE-Pakete für griechische Familien zu verschicken, ich hätte das getan. Keine Frage. Dabei habe ich selber kein Geld übrig und bin froh, daß ich keine Schulden habe und meinen Lebensunterhalt bezahlen kann. Der Arbeitsmarkt, siewissenschon.

Ein Europa der Völker hätte ich gerne, keines der Großkonzerne. Ein Europa, in dem Deutschland vom Euro profitiert, nicht die deutsche Exportwirtschaft und ihre Drahtzieher. Aber wir leben nicht in einem Europa dieser Art, leider.

Über ein Jahrzehnt sinkende Reallöhne in unserem Land haben eine Währung finanziert, die für deutsche Arbeit zu schwach, für italienische, spanische und griechische viel zu stark war. Der dumme deutsche Stammtisch hat mit seinem Gebuckel dem Süden Europas ein Konjunkturprogramm bezahlt und davon nichts gehabt außer weniger Geld in der Tasche.
Jetzt, wo es daran geht, dieses Konjunkturpaket auch zu bezahlen und nicht nur dafür zu bürgen – just in diesem Moment also haben die Banken und ,,institutionellen Anleger”, die Politkaste und die Elite der Vermögensbesitzer also, die Zeit clever genutzt und diese Kosten auch noch auf den Steuerzahler abgewälzt, via EZB.
Der Mann, der dieser EZB vorsitzt, ist übrigens derselbe Mario Draghi, der Griechenland Ende der 90er jahre mit kreativer Buchführung in den Euro verholfen hat. Dafür wurde er hinterher Vize-Chef bei seiner Bank, Goldman Sachs. Ein Narr, wer Gutes dabei denkt.

Dieser Mann hat übrigens gerade die Notfall-Kredite für Griechenland verlängert. Das sind die, die direkt in griechischen Bankautomaten landen, denn wie gesagt, heben die Griechen aktuell recht viel Bares ab. Was dazu führt, daß viele Automaten eben leider kein Geld mehr haben.

“Leider kein Geld mehr im Kasten. Sorry, Dudes!”
So sieht ein Finanzsystem, in dem 97% des Geldes aus leerer Luft erschaffen werden, aus, wenn es mal ernst wird. Demnächst überall in Europa verfügbar, sollte die Lage eskalieren.

Damit also morgen früh die Banken überhaupt öffnen können, muß die EZB auf den Konten der griechischen Nationalbank die Zahlen vergrößern, sonst war es das.
Direkter kann Staatshilfe kaum sein. Dummerweise sind solche Eingriffe der EZB eigentlich explizit verboten.
Aber wen interessiert das schon noch, schließlich hat alles mit dem Bail-Out der Banken 2010 angefangen, der war auch verboten. Zypern hat 2013 Kapitalverkehrskontrollen eingeführt – so wie Griechenland ab morgen wohl auch. Und die sind eigentlich auch verboten, zumindest ohne Absprache auf europäischer Ebene und die wird es im griechischen Falle nicht geben. Im Falle Zyperns gab es sie.

Wir sehen das Scheitern einer ideologisierten Betonkopfpolitik, die immer wieder zu ihren Völkern ruft: ,,Vertraut uns!”
Um unmmittelbar danach alle Regeln zu biegen und zu brechen, die sie sich selber gesetzt hat. Alternativloskeit wird Griechenland nicht mehr hinnehmen, denke ich.

to pontiki 20150625 TINA

Karikatur der griechischen Zeitung ,,To Pontiki”, zu deutsch ,,Die Maus” vom 25. Juni 2015. Die Anspielung auf das Lager Auschwitz ist nicht zu übersehen. Der Typ in Rosa ist die aktuelle Regierung.
Zeichnung: Soloup

Das Gute an der obigen Karikatur ist, daß die BILD-“Zeitung” sich erdreistet, dieses Werk als ,,unfassbare Entgleisung” zu brandmarken.*
Nun, die armen Schweine, die sich bei dieser lächerlichen Ausrede für deutschen Journalismus ihr Brot verdienen müssen, weil sie nicht den Anstand hatten, arbeitslos zu sein oder Pianist im Puff zu werden, müssen es ja wissen.
Ich bin mir absolut sicher, daß der Chef der BILD Hetzschriften erkennt, wenn er sie sieht. Zumindest, wenn sie nicht aus seiner Redaktion stammen.
Ich finde, der Zeichner hat Herrn Schäuble eigentlich ganz gut getroffen, der Helm steht ihm.**

Griechenlands Zukunft ist bestenfalls ungewiß. Die Zukunft Europas womöglich auch. Die möglichen Folgen der Ereignisse haben den kalkulierbaren Rahmen verlassen.

Was wird jetzt also passieren, mit Europa und Griechenland?
Das ist bereits die Kernfrage der näheren Zukunft, und die Antwort lautet: Niemand weiß es genau. Es kann sein, daß am Wochenende, genauer gesagt, am 5. Juli, in Griechenland ein Referendum stattfindet, das über wesentlich mehr entscheidet als nur Griechenland.
Selbst wenn die Griechen für das neue Sparpaket stimmen, also die Fortsetzung der ergebnislosen statt alternativlosen Sparpolitik, die sie vor 5 Monaten noch abgewählt haben, ist das ,,Angebot” der Troika dann nicht mehr gültig.
Man müßte also einem Land, daß am Dienstag offiziell eine Pleite hingelegt hat, am Sonntag einen neuen Kreditrahmen offerieren, um Staatschulden zu begleichen, die das Land dann gar nicht mehr hat, denn sonst wäre es ja nicht mit dem Nicht-Zahlen vorher in die Pleite gegangen.
Ich muß gestehen, selbst ich als fiktiver Finanzminister einer linken deutschen Bundesregierung würde das nicht mittragen wollen.

Natürlich ist in der heutigen Finanzwelt alles möglich. Vielleicht fällt Griechenland aus dem Euro und es passiert nichts weiter. Dann sollten wir schon mal die Care-Pakete organisieren, die Griechen werden sie brauchen.
Vielleicht nimmt der Markt am morgigen Montag, wenn die Banken in Griechenland geschlossen bleiben, massiv Fahrt nach unten auf, was keinen stört außer die Aktienbesitzer.
Vielleicht zahlt Griechenland seine Rate am Dienstag nicht, der IWF beschließt aber, das Land erst einmal ,,In Verzug” zu setzen statt ,,In Kreditausfall”. Das kann der IWF entscheiden.
Niemand weiß, welche Finanzkonstrukte nach Art von CDS (credit default swaps, das sind Kreditausfallversicherungen) und anderen, die 2008 ja für enorme Verwüstung gesorgt haben, an einer Pleite Griechenlands noch dranhängen. Im Weltnetz gerüchtet es, daß die Summe derartiger Schattenbank-Kollateralschäden durch den kleinen Mittelmeerstaat bis zu 1,5 Billionen Euro betragen könnte, ein weiterer Nackenschlag für das weltweite Finanzsystem. Deswegen bleibt Griechenland vielleicht auch irgendwie ,,drin”.

Vielleicht hören wir aber aber auch bereits nächste Woche beunruhigende Nachrichten aus Spanien, noch bevor sich über den Trümmern des griechischen Bankensystems der Staub gelegt hat und die ersten Griechen mit Fackeln und Mistgabeln zum Parlament ziehen.
Denn auch in Spanien steht, trotz gegenteiliger Propaganda, bei weitem nicht alles zum Besten und die Spekulationen des Finanzmarktes bräuchten ein neues Opfer.
Außerdem wird da bald gewählt, womöglich links, was ja in Europa nicht zulässig ist, wenn man weitere Hilfspakete bekommen möchte.

Frau Merkel hat ein Europa ohne politische Union übernommen, das ist richtig. Aber sie hat auch nichts dafür getan, diese Sachlage zu verändern. Stattdessen hat unsere Kanzlerin wie immer nichts getan und abgewartet, während andere ihren alternativlosen Kurs verwirklicht haben.

Womöglich wird es in 10 Jahren heißen, daß wir Deutschen Europa mal wieder zerstört haben. Frau Merkel hat niemals begriffen, daß Europa, die europäische Idee, sehr viel mehr ist als nur eine gemeinsame Währung. Es könnte zu spät sein für diese Erkenntnis.


* Ich verlinke, wie schon einmal erwähnt, auf keinen Fall auf die Springer-Presse. Aber mit den Suchbegriffen aus der Bildunterschrift läßt sich das Pamphlet, das das deutsche Verblödungsorgan Nr. 1 abgesondert hat, problemlos finden.

** Übrigens, BILD-Chefredaktion: Wenn Muslime mit Mohammed-Karikaturen leben müssen, müssen wir auch mit solchen Zeichnungen leben. Ansonsten hört doch einfach auf, so zu tun, als wärt ihr Journalisten.

2 Comments

  1. Danke!! !!!! !!! danke…!!
    Jetzt muss eine Lösung her, keine politische, keine ideologische, nein eine humanistische..die vielleicht auf der Gründungsidee eines geeinten Europa beruht..oh ja welch fantastische, ja eine unglaubliche Vorstellung, eine Vision von menschen für Menschen..ich glaube daran!!

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    1. Ich fürchte nur, diese erstrebenswerte Lösung wird aus dem politischen Raumschiff Berlin, das fern der Realität über der Welt schwebt, nicht unbedingt kommen.
      Lösungen entstehen von unten. Neue Denkansätze auch. Die im Raumschiff sind nur lästig.

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