Die unerträgliche Nachhaltigkeit des Seins

– I –

Grillsaison

„There is no such thing as ‘away’. When we throw anything away it must go somewhere.”
Annie Leonard

Ich habe Wälder immer gemocht. Die schattige, grün-dunkle Kühle eines Waldgebietes, während drumherum alles in glühender Sommerhitze gebacken wird, ist nichts, was man mit irgendeiner Klimaanlage herstellen könnte.
Bäche und Gräben, Insekten auf der Oberfläche eines Sees, das Gewimmel von Spannerraupen auf Brennesseln. Das Rufen der Gänse, die im Herbst über das Haus ziehen und mir so verkünden, daß es jetzt offiziell Winter ist. Die zurückkehren im Frühling, denselben Ruf ausstoßend, der aber diesmal bedeutet, daß auch die Ankunft des Frühlings jetzt beschlossene Sache ist. Das Licht und Wärme so unausweichlich sind wie Dunkelheit und Kälte.
Ich habe all diese Dinge immer gemocht. Ich war immer der Meinung, daß diese Dinge Schönheit tragen aus sich selbst heraus und das diese Schönheit, dieser Wert, auf jeden Fall etwas ist, daß man schützen muß. Das erhaltenswert ist. Menschliche Psychologie ernährt sich auf Dauer nicht gut von Beton und Asphalt. Wer sich zu lange in Gebäuden aufhält, in Umgebungen ohne natürliches Licht oder Pflanzen oder anderen Dingen, entwickelt psychologische Entzugssymptome, eine „Gier nach Grün”.

In diesem Sinne war ich also schon immer ein „Umweltschützer”. Wobei ich ja von diesem Wort heute wenig bis gar nichts halte, denn in ihm ist die typische Trennung zwischen „hier Mensch und da etwas anderes” enthalten, die zur aktuellen Lage beigetragen hat, in der Mensch sich befindet. Und diese Lage ist, gelinde gesagt, extrem beschissen.
Aber Umwelt ist in. Alles ist heutzutage irgendwie Grün. Selbst in Vorständen von Mineralölkonzernen wird das Wort der Stunde benutzt, das wie kein anderes den Niedergang der ökologischen Bewegung und auch des ökologischen Bewußtseins der Gesellschaft verdeutlicht: Nachhaltigkeit.
Niemand ist heute mehr am Schutz der Ökologie, der biologischen Naturgeflechte, ernsthaft interessiert – ich sage bewußt nicht „Umwelt” – weil er eine emotionale Reaktion auf natürliche Umgebung hat, wie ich sie als Kind hatte. Heute sind Menschen Umweltschützer, um etwas voranzubringen, das Nachhaltigkeit heißt. Ein seltsames Plastikwort in einer Welt, die sich zunehmend selber in Plastik verwandelt. Was bedeutet es? Continue reading →

Zivilisationswächter

„There is no time like the present”
Grundlegende Erkenntnis der Temporalmechanik

Ich verneige mich in alle Himmelsrichtungen und heiße dich willkommen in meiner bescheidenen Ecke des Internet, oh hoffentlich vernunftbegabtes Lebewesen dieses Planeten.
Sollte jemand nicht von diesem Planeten hier stammen, wäre es ganz toll, wenn er mal zum Tee bei mir daheim vorbeischaut. Das Gespräch dürfte sehr interessant werden und ich mag interessante Gespräche.
Aber egal, ob Du von der Erde stammst oder von XpRRt23!Beta in Andromeda, Du solltest dich in den folgenden Abschnitten in irgendeiner Form persönlich wiederfinden und zustimmend mit dem Kopf nicken, wenn Du dich hier wohlfühlen möchtest. Natürlich ist zweifelndes oder ablehnendes Kopfschütteln auch nicht schlecht, denn das zeugt immerhin von einem gewissen Denkprozeß im Vorfeld. Alternativ darf auch mit den Fühlern gewedelt oder beliebige Tentakel geschwenkt werden. Aber wenn das, was nun folgt, so gar nicht deins ist – gehe hin in Frieden und mögest du interessante Zeiten erleben!

Warum also „Zivilisationswächter”?

Die Menschheit hat die ersten anderthalb Dekaden des 21. Jahrhunderts inzwischen fast hinter sich gebracht – mehr oder weniger erfolgreich, je nach Standpunkt.
Als sorgfältiger und stets mißtrauischer Beobachter meiner Umwelt – und damit meine ich persönlich Deutschland speziell und die Erde im Allgemeinen – ist es meiner Meinung nach nicht mehr zu übersehen, daß sich unsere Zivilisation in einer extrem kritischen Phase ihrer Entwicklung befindet.
Nach einer Weile des scheinbar ruhigen Dahindümpelns in der Strömung der Geschichte hat Mensch in den letzten 15 Jahren definitiv die Stromschnellen erreicht, und es zeigt sich nicht nur, daß alle in einem Boot sitzen, sondern daß es auch keine Rettungsringe gibt. Geschweige denn irgendeinen, der Ahnung hat, wo denn die verdammten Ruder geblieben sind. Continue reading →