Das Zerbrechen der Welt

„Jetzt bin ich der Tod geworden, der
Zerstörer von Welten.”
Bhagavad Gita

Strahlender Sonnenschein. Blauer Himmel. Um die 20 Grad. Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs an diesem Tag. Dutzende Menschen stehen Schlange vor den Eisdielen. Morgen ist ein Feiertag, viele haben über die Brückentage freigenommen. Ein prächtiges langes Wochenende steht bevor. Deutschland im Frühling. Die Bonner Republik im Frühling, um exakt zu sein, denn es ist das Jahr 1986.

Vier Tage zuvor
Morgens gegen 01:20 befiehlt Chefingenieur Anatoli Stepanowitsch Djatlow, in dieser Nacht in einem Atomkraftwerk in der Sowjetunion der Oberbefehlshaber im Kontrollraum, seinem Schichtleiter, einem Mann namens Alexander Fjodorowitsch Akimow, den seit einiger Zeit angesetzten Sicherheitstest im Block 4 des Kraftwerks programmgemäß durchzuführen. Akimow hat bis dahin bereits mehrfach Bedenken aufgrund des Reaktorzustandes geäußert, der unerklärlich niedrige Leistungswerte aufweist. Djatlow will davon nichts wissen, mit der ihm wohl eigenen Bissigkeit verteidigt er seine Position. Eingebunden in das politische System der Sowjetunion, hat er sich von einem Niemand, der von Daheim weglief, zu einem Nuklearingenieur in angesehener Stellung hochgearbeitet.

Schon die ganze Zeit läuft bei den Vorbereitungen nichts wirklich rund. Erst die niedrige Reaktorleistung, dann sinkt auch noch der Wasserstand in den Dampfabscheidern gefährlich ab, was einen Alarm auslöst. Doch bereits das Anfahren des Tests hätte nicht stattfinden dürfen. Denn dafür ist die Leistungsabgabe zu niedrig und dieser Reaktortyp hat bei unterwertigem Energieausstoß einige Tücken. All das steht irgendwo in den Handbüchern, die aber ignoriert werden. Um mehr Energie zu erzeugen, machen die Ingenieure das, was jede andere Mannschaft auch tut in einem Kernkraftwerk: die Steuerstäbe werden herausgezogen, es fließen mehr Neutronen, die Kettenreaktionen nehmen an Zahl zu. Der Reaktor erhöht seinen Ausstoß.

Was die Bediener im Kontrollzentrum nicht wissen: Der Reaktor leidet in diesem Moment unter dem, was in der Fachsprache Xenonvergiftung heißt. Im Normalbetrieb eines Reaktors entsteht das Produkt 135Iod. Dieses wiederum zerfällt mit einer Halbwertszeit von etwa sieben Stunden in ein anderes radioaktives Isotop, eben 135Xenon. Xenon ist ein Neutronengift, was bedeutet, daß es freie Neutronen einfängt und somit die Reaktionsrate in einem nuklearen Spaltprozeß senkt. Exakt das ist im Vorfeld passiert. Die vorhergehenden Schichten haben den Reaktor weit unter seiner zulässigen Leistung gefahren, im Reaktorkern hat sich zuviel Xenon angesammelt. Bei einem normalen Betrieb hätten sich Erzeugungs- und Zerfallsrate etwa die Waage gehalten, aber das ist nicht der Fall. Eigentlich müßte der Reaktor abgeschaltet werden, bis das überschüssige 135Xenon zerfallen ist.
Stattdessen werden die Steuerstäbe herausgezogen, um die Leistung hochzufahren. Trotzdem sackt die Leistung weiter ab, bis auf etwa 200 Megawatt. Für den geplanten Versuch sind mindestens 700 Megawatt vorgeschrieben.

Djatlow erteilt Anweisung, etwas gegen den Alarm wegen des niedrigen Wasserstands zu unternehmen und ignoriert Akimovs fortgesetzte Bedenken aufgrund der Leistung. Es ist der letzte falsche Befehl, der in dieser Nacht gegeben wird. Akimow und ein Kollege folgen der Anweisung und drehen den Hahn weiter auf, der Reaktorkern wird besser bewässert. Er erreicht aber trotzdem nur zwei Drittel des vorgeschriebenen Pegels. Der Alarm stoppt aber, denn das liegt oberhalb der Warnschwelle.
Dann beginnt der eigentliche Test. Die Bedienmannschaft unterbricht die Wärmeabfuhr aus dem Reaktorkern, die Kühlmitteltemperatur beginnt zu steigen, die Zerfallsrate des überschüssigen Xenons erhöht sich.
Die Katastrophe im Inneren der von Menschengeist erdachten und von  Menschenhand gebauten Maschine nimmt ihren Lauf. Die automatische Steuerung versucht, den Leistungsanstieg mit dem Einfahren der Steuerstäbe zu drosseln, ganz nach Programm. Aber sie fährt die Stäbe nur langsam ein, was auch seinen Grund hat.
Doch das reicht nicht. Der Neutronenfluß im Reaktor wird stärker, die Leistung steigt unkontrolliert. Hierdurch erhöht sich die Zerfallsrate des 135Xenon im Reaktorkern weiter, wodurch die bisherige Dämpfung der Reaktion massiv abgebaut wird. Der starke Energieanstieg erzeugt immer mehr Dampfblasen, was wiederum die Kühlung verschlechtert und ebenfalls die Leistungsabgabe erhöht. In diesem Moment ist aus dem Sicherheitstest für den eigentlich recht neuwertigen Kernreaktor bereits eine Katastrophe geworden. Die gezähmte Atomenergie hat sich in ein Monstrum verwandelt, das längst außer Kontrolle ist. Continue reading →

Bruchlinien

Der Untergang des Abendlandes, den gewisse Pappnasen bei ihren Demonstrationen gegen einen denokratischen Staat immer wieder beschwören, ist natürlich völliger Blödsinn. Es ist übrigens gerade der demokratische Staat, der solche Demonstrationen erst ermöglicht. In anderen Ländern wären die Pegidioten© längst im Gefängnis gelandet. Oder in Arbeitslagern. Oder beides.

In der Türkei möglicherweise. Das Restland des Osmanischen Reiches, geführt von einem Staatspräsidenten, bei dem ich ganz erhebliche Zweifel an seiner geistigen Gesundheit habe, ist dabei, sich unter der Ägide eben dieses Mannes in eine autokratische Islamokratie zu verwandeln. Im Grunde ist ein Herr Erdogan damit auf keinem anderen Dampfer als der deutsche Standard-Konservative aus einer der C-Parteien. Die geben auch immer wieder was von Traditionen und Familienwerten und ähnlichem Zeug von sich und haben dabei Biedermeierkommoden und Häkeldeckchen vor Augen. Dazu drei Kinder, die mit dem Segen der – natürlich katholischen – Kirche in Missionarstellung heterosexuell gezeugt wurden und eine Ehefrau, die sich liebevoll um die Kleinen kümmert, während der Mann seiner Arbeit nachgeht und dabei die Sekretärin vögelt.
Ist halt nur irgendwie sehr ärgerlich, daß eben diese Zeit nicht mehr existiert. Besonders amüsant wird es, wenn man sich klar macht, daß diese Zeit auch nie existiert hat, außer in den Köpfen mancher Menschen. Nichts unterscheidet einen Andreas Scheuer von der CSU von einem islamistischen Glaubenskrieger aus der syrischen Wüste, jedenfalls nicht grundlegend. Der Islamist ist vermutlich gebildeter, immerhin kann der Arabisch lesen und schreiben, da hätte ich bei Herrn Scheuer erhebliche Zweifel.

In der Türkei wird dieses Problem mehr als offensichtlich, denn Erdogan möchte das Land in eine Version seiner selbst verwandeln, von der er glaubt, sie habe einmal existiert. Eine Türkei, in der natürlich Muslime Amerika entdeckt haben und wer was anderes behauptet,  hat ein psychologisches Problem und haßt den Islam.
Aber das ist eben nicht wahr, es sei denn, dieses „irgendwann” ist etwa um 1650, als die Hohe Pforte noch einen nicht unerheblichen Teil der Welt regiert hat. Und selbst da hätte ich meine Zweifel, ob die Ähnlichkeit mit Herrn Erdogans wirren Gedanken besonders groß ist.
Die Türkei wurde von ihrem Gründer, dem Herrn Mustafa Kemal, Künstlername Atatürk, nicht ohne Grund als ein säkularer Staat gegründet. Also ein Staat, in dem Kirche und Staat eben getrennt sind.
Aus Erdogans Benehmen und Ansichten wird völlig klar, daß er eindeutig einen theokratischen Staat haben möchte. Was aber viele Türken nicht haben wollen. Wiederum andere fänden das gut. Aber nicht deshalb, weil diese Türken so wahnsinnig scharf auf den Islam wären oder seine Gebote. Nein, diese Menschen wählen die AKP, weil jemand wie Erdogan seine persönliche Wahnvorstellung als konservativ, als traditionell darzustellen vermag. Ebenso wie die deutschen C-Parteien verbreitet Herr Erdogan das Wohlfühl-Gefühl der guten alten Zeit™ um sich herum.
Man kann jederzeit einen ähnlichen Effekt erzielen, wenn man eine politische Rede vor 10.000 Menschen hält und dann den Begriff „Freiheit” benutzt. Idealerweise in nicht allzu großem Abstand gefolgt von „Gerechtigkeit”.
Der Jubel der Menge ist einem sicher und vor allem wird kein einziger der Versammelten bei diesen Worten exakt das denken, was einer seiner Nachbarn denkt. Nie. Freiheit und Gerechtigkeit sind, ebenso wie das immer wieder beschworene Traditionelle der recht konservativen Rechtskonservativen, eine individuelle Vorstellung, sie sind diffus. Idealisierte Vorstellungen in den Köpfen von Menschen. Continue reading →

Eintagsmenschen

„Welcome! Sulphur dioxide
Hello! Carbon monoxide
The air, the air is everywhere.”
Hair

Wieder einmal nähert sich unsere Reise auf diesem Steinbrocken, der eine kleine, gelbe, völlig aus der Mode gekommene Sonne in der äußeren Westside der Galaxis umkreist, einem zyklischen Endpunkt. Das Jahresende naht, also der Punkt, den die hier vorherrschende Spezies auf ihrem vorherrschenden Kalendersystem willkürlich als Schluß auf einer mehr oder weniger kreisförmigen und somit eigentlich unendlichen Bahn markiert hat. Vorher haben wir noch die Wintersonnenwende, danach werden die Tage wieder langsam etwas länger, am 3. Januar wird die Erde dann ihr Perihel durchlaufen, also den sonnennächsten Punkt der Umlaufbahn um besagte gelbe Sonne. Rein astronomisch eine G2 V übrigens.
Ja, wir haben zwar Winter, aber trotzdem befindet sich die Erde hier am sonnennächsten Punkt. Es gibt Menschen, die irrtümlich annehmen, die Entfernung von der Sonne habe etwas mit den Jahreszeiten zu tun, und die deshalb glauben, wir wären im Winter weiter weg von der Sonne. Schon bei kurzer Überlegung entpuppt sich das natürlich als unlogisch, denn während hier auf der Nordhemisphäre Winter ist, ist ja auf der anderen Seite des Planeten Sommer. Über den Daumen gepeilt dürften aber beide Hälften des Planeten etwa gleich weit von der Sonne entfernt sein. Oder gleich nah dran, wie auch immer. Wie kann es also hier kalt sein und im Süden warm, wenn das an der Entfernung zwischen Erde und Sol liegen soll?
Logische Antwort: Es kann nicht daran liegen.

Der etwas schlauere Mensch weiß natürlich, daß die Jahreszeiten dadurch entstehen, daß die Erdachse geneigt ist und nicht senkrecht auf der Ekliptik steht. Das ist die Ebene, in der alle Planeten die Sonne umkreisen. Der Neigungswinkel zur Senkrechten liegt im Falle der Erde bei etwa 23,4 Grad – das beschert uns die Jahreszeiten auf unserer Welt. Denn durch diese Neigung hat ein- und derselbe Ort im Laufe eines Jahres unterschiedliche Sonnenhöhen über dem Horizont und somit mehr Sonnenlicht, das auch noch in steilerem Winkel auftrifft. Oder eben weniger Licht in flachem Winkel. Hat man da, wo ich so rumwohne, im Winter mit Glück sieben Stunden Tageslicht, so kommt man im Sommer manchmal auf mehr als sechzehn Stunden, also locker das Doppelte. Dazu kommt noch die Erhöhung des Einfallswinkels von vielleicht 15 Grad auf 50 Grad. Die Sommersonne läßt also eindeutig mehr Energie an meinem Wohnort zurück als die Wintersonne. Deswegen ist es eben heiß oder kalt.

Während wir also auf einem Stein um die Sonne kreisen, oder besser, ellipten, pendelt die Erdachse hin und her, sie zeigt nicht stabil in eine Richtung. Würde man aktuell die Erdachse in einer Grafik nach rechts geneigt einzeichnen, müßten Astronomen der Zukunft das nach links tun, denn im Laufe der sogenannten Präzessionsbewegung durchwandert die Achsneigung einmal die 360° eines Vollkreises, sie schwankt also von ganz rechts rüber nach ganz links.
Aktuell ist unsere Nordhalbkugel von der Sonne weg geneigt und es ist Winter. In etwa 13.000 Jahren wird sie der Sonne zugeneigt und im Dezember dann Sommersonnenwende sein. Glücklicherweise berücksichtigt unser Kalendersystem das durchaus, sodaß der Sommeranfang des Jahres 15015 ndZ trotzdem im Juni liegen wird. Das heute klassische Wintersternbild des Orion wird dann allerdings ein Sommersternbild sein. Auch wird es nicht mehr vollständig an unserem Himmel sichtbar sein, wie das heute der Fall ist. Nicht einmal der Polarstern wird um diese Zeit noch derselbe sein, denn bis dahin hat die Wanderung der Achse den Zielpunkt am Himmel auf die Wega verschoben. Ist aber kein Grund zur Panik, denn nach weiteren dreizehn Jahrtausenden ist dann alles wieder so wie heute, zumindest fast. Diese komplette Bewegung der Erdachse umfaßt also 26.000 Jahre, man nennt das Zyklus der Präzession oder auch Platonisches Jahr. Continue reading →

Goldlöckchen ertrinkt im Öl

„How often is it that the angry man rages denial of what his inner self is telling him.”
Frank Herbert, Dune

1956.
Auf einem Treffen des American Petroleum Institute hält ein unscheinbarer Herr einen eher trocken wirkenden Vortrag, der trotzdem für einige Erheiterung beim Publikum sorgt. Marion King Hubbert spricht zu den Anwesenden über seine Überzeugung, daß die Erdölförderung der USA in den späten 60er bis frühen 70er Jahren einen Höhepunkt erreichen werde, um danach in einen stetigen Sinkflug zu gehen.
Wie der Name schon andeutet, ist das American Petroleum Institute der größte Interessenverband der amerikanischen Öl- und Gasindustrie, also ein recht mächtiger Club. Auch der Vortragende ist kein Ökofanatiker oder ein Grüner. Das wäre in den USA des Jahres 1956 vermutlich unamerikanisch gewesen, wie ein McCarthy das ausgedrückt hätte, oder aber kommunistisch, was natürlich auf dasselbe hinausläuft. Aber „grün” war in dem Jahr noch nicht erfunden, die Straßenkreuzer konnten nicht groß genug sein, die Heckflossen auch nicht, jede amerikanische Küche brauchte natürlich eine Mikrowelle und wenn man dafür ein oder zwei Atomkraftwerke mehr bauen mußte, war das nur allzu recht, denn Amerika brauchte Bombenstoff im atomaren Wettrüsten mit den Russen.
Nein, Hubbert war zuständig für Geologie und Geophysik und arbeitete außerdem für die Shell Company, hielt also einen Fachvortrag vor einem Lobbyverband seines Arbeitgebers. Um so ungewöhnlicher war es, daß Hubbert zwei grundlegende Dinge in Frage stellte: Die Unendlichkeit der Ölvorräte und auch die Annahme, daß man natürlich immer weiter mehr und mehr von diesem Zeug aus dem Boden holen würde.

Die Teilnehmer waren, wie erwähnt, über den lustigen Profesor sehr erheitert, ein Angestellter von Shell soll Hubbert unmittelbar vor seinem Auftritt noch gebeten haben, die Sache nicht durchzuziehen. Aber der Mann ließ sich da nicht aufhalten, immerhin hatte er seine Zahlen gründlich in Kurven und Schlußfolgerungen übersetzt, warum also nicht darüber reden?
In den Folgejahren geriet Hubbert durch eine Pressekampagne und das noch sehr viel wirksamere Hören-Sagen in den Ruf eines verrückten Professors und wurde massiv diskreditiert. Das ganze Konzept erschien auch viel zu abenteuerlich. Mehr und mehr Öl wurde gefunden, es schien überhaupt kein Ende zu geben. Die Ölförderung der USA war seit Anfang des 20. Jahrhunderts um 7,6 Prozent pro Jahr gewachsen – durchschnittlich, trotz Großer Depression. Alles Fakten, auf die Hubbert in seinem Vortrag sehr wohl hinwies, immerhin war der Mann Wissenschaftler. Das Jahr 1966 schließlich brachte soviel neues Öl im Boden, wie man es noch nie zuvor gefunden hatte. Der verrückte Professor schien also tatsächlich verrückt zu sein.

Aber offensichtlich waren das auch noch andere, denn 1960 gründeten diverse Staaten, die etwas mit Öl zu tun haben, eine Organisation namens OPEC. Auch hier runzelten diverse amerikanische Firmengrößen die Stirn und fragten sich, was denn dieses Kartell wohl für ein Ziel haben könnte. Die offizielle Linie war relativ einfach: Die OPEC wollte durch entsprechende Regulierung des Marktes dafür sorgen, daß ihre Mitglieder möglichst viel Geld mit ihrem Öl verdienen konnten. „Regulierung” bedeutet in dem Fall, daß man sich dreimal jährlich trifft, um über Förderquoten zu sprechen, um so die Ölmenge am Markt und damit den Preis entsprechend steuern zu können.
Erleichtert lachte man in den USA wieder über diese Handvoll machtloser Clowns, denn schließlich waren es die USA, die mit ihrer Förderung als größter Ölanbieter der Welt die Preise bestimmten. Und die waren niedrig, niedrig genug jedenfalls für Fahrzeuge, deren Rückbank etwa so groß war wie das heutige durchschnittliche Wohnzimmer in Deutschland.
Man wählte also J. F. Kennedy zum Präsidenten, irgendwer erschoß den Kerl, die Revolution auf dem Musikmarkt brach aus und brachte in Europa die Beatles hervor, Frauenröcke wurden plötzlich sehr viel kürzer, der Vietnamkrieg gewann an Schwung und außerdem mußte man die Russen auf dem Weg zum Mond schlagen, denn schließlich mußte man danach ja die Raumstationen bauen und das All besiedeln. Wen kümmerten da ein Professor und ein paar Scheichs? Continue reading →

Die Lange Dämmerung

– II –

Apokalypse not

„I sat in the dark and thought: There’s no big apocalypse. Just an endless procession of little ones.”
Neil Gaiman, Signal to Noise

Der Untergang eines Imperiums oder einer Zivilisation ist üblicherweise ein Prozeß, nicht etwa ein plötzliches Ereignis. Als die Ägypter ihre Pyramiden bauten – falls sie denn tatsächlich diese Dinger gebaut haben – dachten sie bestimmt nicht daran, daß es eines Tages keinen Pharao mehr geben würde.
Tacitus hätte mich ebenso ausgelacht wie sein Ururururundsoweiter-Enkel, hätte ich ihnen erzählt, daß Rom untergehen wird.
Das Gebiet, das wir heute als China kennen, hat in den letzten 5.000 Jahren mehrfach Zyklen aus Aufstieg und Niedergang erlebt. So teilt sich zum Beispiel die Zhou-Dynastie in Östliche und Westliche Dynastie, nach der jeweiligen Lage der Hauptstadt und später in die sogenannte Zeit der Streitenden Reiche. In dieser Periode zerfiel ein vorher eher geeintes Gebiet – das östliche Zhou – in unterschiedliche Fürstentümer, nachdem der letzte entsprechende Herrscher den Löffel abgegeben hatte. Allein diese Dynastie reicht übrigens vom 11. bis ins 5. Jahrhundert vdZ, um einmal den Maßstab zu verdeutlichen.
In Europa befreiten sich in diesem Zeitraum die Griechen aus ihrem dunklen Zeitalter, das auf den Untergang der Minoischen bzw. Mykenischen Kultur gefolgt war. Kurz nach 1200 vdZ werden viele Städte und Zentren Mykenes zerstört, die Ursache hierfür ist bis heute unbekannt.
Mal werden äußere Feinde angenommen, für die es hier und da Hinweise gibt, mal sollen Naturkatastrophen verantwortlich sein. Manche Archäologen vermuten einen Zusammenhang mit Vorgängen jenseits der Ägais, die zur Zerstörung der Handelsrouten, zu Ressourcenknappheit und somit zu Kriegen geführt haben könnten. Aber genau weiß man es eben nicht.
Fest steht nur, daß die Mykenische/Minoische Kultur im 12. Jahrhundert vdZ einen massiven Zusammenbruch zum Opfer fiel. Die berühmten Schriften des alten Homer datieren zum Beispiel aus dem 8. Jahrhundert vdZ und beziehen sich wohl eher auf das 13. Jahrhundert vdZ, da etwa hat nämlich der Trojanische Krieg stattgefunden, wenn der denn tatsächlich ein historisches Ereignis beschreibt.
Homer berichtet also in seinen Versen von Dingen, die bei den damaligen Zuhörern zur Rubrik „Mythen und Geschichten” gehörten.

Allerdings finden sich auch im Untergang weitere Gemeinsamkeiten. Sowohl in Bezug auf die mykenische Kultur als auch Rom oder China bleiben die geographischen Gebiete weiterhin bewohnt. Es gibt Keramiken, die von heutigen Archäologen extra als „submykenisch” bezeichnet werden, was sich einmal auf die Zeiteinteilung als auch auf die Arbeit selber bezieht, also die Kunstfertigkeit der Ausführung und andere Dinge.
Trotzdem sind der Mittelmeerraum oder eben China seit Jahrtausenden besiedelte Gebiete. Auch nach dem Untergang Westroms gehen die Bevölkerungsdichten in Europa deutlich zurück, die Zivilisationsstufe sackt deutlich ab – aber die Menschen an sich verschwinden nicht vollständig, ebenso wenig die komplette Kultur.
Wenn also Johannes von Padmos oder seine heutigen Genossen immer wieder den völligen Untergang der heutigen Zivilisation in einem apokalyptischen Ereignis prophezeien, kann ich ihnen da nicht zustimmen, denn insgesamt scheint diese Vorhersage keinem bisherigen Ereignis zu entsprechen, das man in der Geschichte so finden könnte. Continue reading →

Die Lange Dämmerung

– I-

Rom fällt. Immer.

„Die Zukunft und die Ewigkeit sind zwei völllig unterschiedliche Dinge.”
Douglas Coupland

Wenn man – so wie ich das tue – heutzutage behauptet, daß unsere Zivilisation, wie wir sie kennen, unweigerlich verschwinden wird, erntet man meistens nur Stirnrunzeln und einen Gesichtsausdruck, der besagen soll: Das ist ja wohl ein bißchen unmöglich.
Führt man, nach zwei oder drei weiteren Getränken, dann noch ergänzend an, daß dieses Verschwinden nicht erst in 100 Jahren oder gar einer noch weiter weg liegenden Zukunft erfolgen wird, greifen die ersten Leute zum Smartphone und rufen den Arzt. Oder jedenfalls würden sie es gerne, man sieht es ihnen an.
Es kann auch sein, daß überhaupt keine Reaktion erfolgt, denn die meisten Menschen scheinen irgendwelche Hinweise in diese Richtung einfach ignorieren zu wollen und tun das auch sehr erfolgreich. Das ist einer der Gründe, warum die Untergangspropheten immer wieder recht behalten haben.

Von diesen wiederum gibt es unterschiedliche Typen. Die einen naschen zu viele Pilze von der falschen Sorte, wie etwa Johannes von Padmos, und schreiben dann so etwas zusammen wie die Apokalypse der Bibel. Die Welt geht also unter mit Feuer vom Himmel, dem Zorn Gottes, der nächsten Sintflut und am Ende wachen alle Toten wieder auf und wir haben Zombie-Apokalypse wie in 28 Days later oder so in der Art. Noch schöner kann man einen Horrortrip eigentlich nicht aufschreiben. Da Johannes das aber schon vor ziemlich langer Zeit getan hat und man von LSD damals noch keine Ahnung hatte, glauben ziemlich viele Menschen heute genau an diese Variante des Untergangs. Immerhin steht es ja in der Bibel, muß also richtig sein.

Dann gibt es diejenigen, die sich über die Entwicklung der Zeit allgemein beschweren, so wie etwa der römische Schriftsteller Tacitus über den Verlust der Römischen Republik. Tacitus war aber natürlich realistisch – und schlau – genug, die Notwendigkeit des Kaisertums als Verwaltungsmaßnahme für das inzwischen riesige Reich anzuerkennen. Aber er sah darin trotzdem so etwa wie einen moralischen Rückschritt, einen Verlust an „virtus”, also Tugenden.
Aus heutiger Sicht betrachtet bestehen diese Tugenden vor allem aus politischer Korruption und außenpolitischen Kriegen, aber ein Römer des 1. Jahrhunderts ndZ sah das eben ein bißchen pragmatischer.
Wenn man aus solchen Büchern etwas lernen kann, dann die eindeutige Tatsache, daß Menschen für die Schwächen ihrer Zeit meistens sehr blind sind. Hätte ich Tacitus erzählt, wie es mit Rom weitergehen würde, hätte er mich mit einem Stirnrunzeln angeschaut. Auch ein Kaiser Hadrian, der in den letzten Tagen Tacitus’ sein Amt antrat, hätte mir wenig Glauben geschenkt, wenn ich ihm vom Untergang Roms berichtet hätte.
Gut, er hätte jetzt nicht nach seinem Smartphone gegriffen, das war noch nicht erfunden, aber hätte er den Arzt gerufen, wäre das auf jeden Fall mein Ende gewesen. Wer Asterix gelesen hat, weiß genau, was römische Ärzte anrichten konnten.

Rom von oben

Die erstaunlichste Stadt des Universums in luftiger Perspektive, etwa um das Jahr 50 vdZ
Quelle: Asterix, Band 18: Die Lorbeeren des Cäsar, von Albert Uderzo/René Goscinny.

Und warum hätte mir Hadrian auch glauben sollen?
Noch sein Vorgänger Trajan hatte dem Römischen Reich große Gebiete hinzugefügt. Er hatte Mesopotamien erobert und Armenien, was etwa den heutigen Staaten Iran, Irak, Syrien und noch ein bißchen dazu entspricht. Allein das armenische Reich erstreckte sich in seinen Glanzzeiten von Tarsos und Damaskus am Mittelmeer bis zur Küste der Kaspischen See. Außerdem eroberte Trajan Dakien, das entspricht dem heutigen Rumänien, der westpannonischen Tiefebene – das ist heute ein Teil Ungarns und Nordserbiens – und dazu noch Moldawien und ein bißchen Bulgarien. Ja, römische Eroberungen zeichneten sich nicht durch geringe Gebietsverschiebungen aus, soviel ist mal sicher.
Als Hadrian den Thron bestieg, befand sich das Römische Reich auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung, die Küste des Schwarzen Meeres gehörte ebenso natürlich dazu wie die des Mittelmeeres, das ja von den Römern ohnehin „Mare Nostrum”, also „unsere Badewanne” genannt wurde. Continue reading →

Imperium des Öls

,,Um 1870 erzeugten die Dampfmaschinen Großbritanniens etwa 4 Millionen Pferdestärken, die Arbeit von 40 Millionen Männern, die – wäre die Industrie noch immer von Muskelkraft abhängig gewesen – mehr als das Dreifache der damaligen Weizenernte des Landes verzehrt hätten.”

Ian Morris, Wer regiert die Welt

Jura. Vor etwa 150 Millionen Jahren plusminus ein bißchen. Genauer gesagt, Oberjura. Was für Nicht-Geologen also bedeutet, dieses Erdzeitalter geht gerade zu Ende. Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre beträgt etwa 26%, etwa ein Viertel mehr als heute. Der CO2-Anteil ist mit fast 2000 ppm gut 5mal so hoch. Durchschnittstemperatur global aktuell etwa 17°C, sonnig, die Frisur sitzt. Warum das nicht viel wärmer ist, trotz des hohen CO2-Gehalts?
Bin ich Klimatologe? Vielleicht hat der hohe Gehalt an Sauerstoff was damit zu tun. Außerdem ist unsere Sonne noch 150 Millionen Jahre jünger. Da müssen Sie mal die Astronomen von damals fragen.

Gut, die Astronomen von damals sind etwa 20 Meter groß und diverse Tonnen schwer, ihr Lebendgewicht liegt im groben Durchschnitt irgendwo zwischen einer halben und 10 Tonnen. Einige Prachtexemplare sind bis zu 30 Metern lang und wiegen an die 100 Tonnen, der Diplodocus hallorum zum Beispiel.
Außerdem sind die Astronomen natürlich Dinosaurier, also Reptilien, und interessieren sich nicht für den Bau von Observatorien. Ohne Zeitmaschine werden wir also nie wissen, ob die Sonne damals einen Zacken kühler war als heute. Aller Wahrscheinlichkeit nach ja.

Willkommen auf der Erde. Nicht unserer Erde, aber die Erde.

Jurassic Earth 150 MY

Die Erde. Dinosaurier-Version. Vor etwa 150 Millionen Jahren, im Oberjura.
Grafik von Prof. Dr. Ron Blakey, Northern Arizona University
CC by SA 3.0

Der Superkontinent Pangaea hat gerade begonnen zu zerbrechen, so vor etwa 70 Millionen Jahren hat das angefangen, ist also noch nicht so lange her, nach geologischen Maßstäben war das vorletzte Woche.
Wenn ich da stehe, wo mal Deutschland sein wird, stehe ich im Wasser, meistens jedenfalls. Falls ich in Köln stehe, stehe ich an Land. Die ersten Dinosaurier lernen gerade fliegen, es ist das Zeitalter des Archaeopteryx.
Diese wärmere Welt ist voll mit Leben in jeglicher Form. Noch relativ unbelästigt von Säugetieren, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits einige vielversprechende Ansätze gibt, dreht der Planet seine Runden um das Zentralgestirn und läßt sich die Sonne auf den Pelz…nein, das ist ein Säugetiermerkmal…ins Wasser scheinen.

Der größte Anteil an Biomasse lebt auch auf dieser Version der Erde genau dort, nämlich im Wasser, was wenig verwunderlich ist, wenn man sich die Erde mal so anschaut, die eigentlich Aqua heißen müßte, wären Menschen denn logisch. Aber Menschen sind nun mal eher egoistisch, außerdem existieren wir noch gar nicht und wir haben nicht die geringste Ahnung, wie die Dinosaurier den Planeten genannt haben.
Mehrere Bazillionen Tonnen an Phytoplankton, an Zooplankton und vor allem an Algen treiben sich also in den Meeren der Erde herum und tun das, was Algen und Plankton so tun. Genaugenommen ist es ein einziges Meer, denn die Landmassen hängen noch derartig dicht zusammen, daß ein Großteil des Planeten aus einem einzigen Ozean besteht. Das Mittelmeer ist noch nicht erfunden und auch der Atlantik wartet noch in der Zukunft auf sein Entstehen. Continue reading →

Damokles und die Dinosaurier

„Wachsen im geistigen Sinne bedeutet nicht, größer werden, sondern kleiner werden.”
Sören Kierkegaard

Das Gesetz des abnehmenden Ertrages hängt über unserer Gesellschaft wie das sprichwörtliche Damoklesschwert. Mit dem Unterschied, daß Damokles sich der Gegenwart des Schwertes vollkommen bewußt war, nachdem er auf dessen Anwesenheit höflich aufmerksam gemacht wurde.
In der globalen Industriegesellschaft ist das üblicherweise nicht der Fall. Falls man mal irgendwelchen Leuten sagt: „Hey, guck mal, da oben – ein Schwert!” dann heben die meisten nicht einmal die Köpfe. Denn es könnte ja sein, daß der Sprecher recht hat, und wer möchte schon ein Schwert über seinem Kopf hängen haben?
Es gibt noch eine weitere, sehr weit verbreitete Reaktion, die sich in Sätzen manifestiert wie: „Wo? Ich sehe kein Schwert.”
Ob man den Kopf jetzt erst gar nicht hebt, um hinzusehen, oder das Schwert glatt wegleugnet, ist letztendlich egal. Es ändert nichts an der Tatsache, daß es eben da ist.

Der technologische Fortschritt, wie das so genannt wird, hat seine Kosten, wobei das Wort „Kosten” hierbei mehr als nur finanzielle Aspekte meint, versteht sich. Die von mir angesprochene Externalisierung, die heute in jedem Großkonzern weltweit massiv genutzt wird, bezieht sich in der jeweiligen Bilanz natürlich aufs Finanzielle. Aber die Kosten unseres sogenannten Fortschritts sind in den allermeisten Fällen soziologische Kosten. Die Kernenergie ist dafür ein perfektes Beispiel.

Kaum hatte man entdeckt, daß man Atomkerne überhaupt spalten kann, wurde ein erster Versuchsreaktor gebaut. Nach heutigen Maßstäben ein Laborversuch, den kein Mensch mehr durchführen würde, schon deshalb, weil keine Versicherung der Welt der Universität das erlauben würde und ohne Versicherung würden solche Experimente heute nicht mehr stattfinden. Auf jeden Fall wurde dann aus dem Nachweis der Kernspaltung sehr schnell eine Pilzwolke über zwei japanischen Städten und unzählige weitere über der Südsee, der Wüste Nevadas und Wasweißichnichtstan in der Sowjetunion.
Die zivile Nutzung der Kernkraft, immer wieder als das Non plus ultra angepriesen in den 50er Jahren, erwies sich schnell vor allem als eins: Teuer.
In Deutschland hatten die Energiekonzerne in den 60ern eigentlich nur ein geringes Interesse an Kernenergie, denn schließlich würde man sich damit ja einen riesigen Konkurrenten für die hauseigene Kohle in den Konzern holen. Die Lösung der Regierung war klar, man beschloß, das ganze Kernenergiegeschäft massiv zu subventionieren. Auch hier gab es keine Versicherung, die bereit war, das Risiko der Absicherung eines Kernmeilers auf sich zu nehmen. Also schuf man Ausnahmen in Gesetzen, damit die Dinger trotzdem gebaut werden konnten. Ja, Kernkraftwerke sind üblicherweise nicht versichert, aber man fahre mal mit einem unversicherten Auto durch die Gegend – das gibt Ärger! Continue reading →

Ein Fundament aus Lügen

„Alles Geld ist nur eine Frage des Vertrauens.”
Adam Smith

Ökonomische Aktivität erfordert Geld.
Würden alle Leute ihre Schulden bezahlen, wäre alles in Ordnung.
Endloses Wachstum auf einem endlichen Planeten ist möglich.

Alle diese Annahmen haben eines gemeinsam: Sie werden uns im Laufe eines Lebens immer und immer wieder von verschieden Seiten erzählt. In Zeitungen, im Fernsehen oder online – immer wieder stößt man auf diese Narrative, die geduldig von Menschen in Anzug und Krawatte wiederholt werden wie ein buddhistisches Mantra von murmelnden Mönchen.
Alle diese Annahmen sind ein Teil der Wirtschaftstheorie, die das Fundament unserer globalen Zivilisation bildet, ein fester Teil der Überzeugungen von sehr vielen Menschen. Alle haben einen weiteren Punkt gemeinsam: Sie stimmen nicht.

Angenommen, eine Dorfgemeinschaft aus einigen hundert Menschen möchte dem Dorf ein weiteres Haus hinzufügen, für ein frisch verheiratetes Paar zum Beispiel.
Was passiert?
Nun, die Leute ziehen einfach los, fällen Bäume, bearbeiten sie entsprechend, und beginnen mit der Errichtung eines ordentlichen Holzhauses. Gutes Wetter vorausgesetzt, ist die Arbeit nach einer oder zwei Wochen abgeschlossen. Ein kleines, aber gemütliches und mit allem Komfort ausgestattetes Gebäude steht fertig zum Bezug.
Was dafür gebraucht wurde war Holz, für einen Großteil des Hauses. Glas für seine Fenster, die in diesem Falle mit ihrer größten Fläche südwärts zeigen. Steine für einen gemauerten Kamin und einen möglichen Kellerausbau. Dazu natürlich Arbeitskraft. Von Steinmetzen und Zimmerleuten, von Holzfällern und Schreinern und Bauarbeitern. Geld spielte hier nirgendwo eine Rolle. Continue reading →

Der Gleichschritt des Chaos

„Chaos inmitten von Chaos ist nicht witzig.
Aber Chaos inmitten von Ordnung ist es.”
Steve Martin

Die menschliche Geschichte besteht also, wenn man sie mal so in ihren verschiedenen Abschnitten betrachtet, zum großen Teil aus Chaos. Zumindest erscheint ein nukleares Wettrüsten zwischen zwei verfeindeten Supermächten als soviel Chaos, wie man nur ertragen kann. Gefährlich ist es allemal.
Schon scheinbar recht simple Fragen können bei genauerem Hinsehen ein echtes Problem darstellen. „Wann begann der 2. Weltkrieg?” wäre so eine Frage.
Nun, für Europa ist diese Frage simpel zu beantworten und wir alle sollten die Antwort aus der Schule kennen: Am 1. September 1939. Aber wie sieht das eigentlich insgesamt aus? Immerhin bezieht sich die Frage ja auf einen Weltkrieg.

Für die USA begann der 2. Weltkrieg nicht vor dem 7. Dezember 1941, das war der Tag, an dem die japanische Flotte ihren Überraschungsangriff auf Pearl Harbour auf Hawaii durchführte.
Für die Sowjetunion begann der Krieg nicht vor dem 22. Juni 1941, dem Tag, an dem das bis dahin verbündete Hitlerdeutschland seinen Überfall auf Stalins Machtbereich begann.
Für den asiatischen Raum kann man hier das Jahr 1937 nehmen, als Japan im Juli des Jahres den Krieg gegen China eröffnete, nach dem sogenannten „Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke”. Eigentlich begann diese Serie aus Zwischenfällen, die letztlich nicht weiter als Auftakt zum Krieg waren, sogar bereits 1931.
Nördlich eines Ortes namens Mukden sprengte damals ein japanisches Kommando ein Stück der Südmandschurischen Eisenbahn in die Luft und brachte so einen Zug zum Entgleisen. Zumindest war das der Plan. Der mißlang zwar, aber zumindest konnte man diesen Zwischenfall den chinesischen „Banditen” in dieser Gegend in die Schuhe schieben. Damit hatte Japan einen Vorwand, um die Stadt zu besetzen und die wichtige Eisenbahnlinie unter seine Kontrolle zu bringen.
Man darf nicht vergessen, daß dieses Japan bereits 1895 Krieg gegen China geführt hatte, ebenso wie 1905 gegen Rußland. Beide Konflikte hatte Japan gewonnen, was zur Besetzung Taiwans, der südlichen Sachalin-Halbinsel und Koreas führte, daß 1905 besetzt und 1910 von Japan offiziell annektiert wurde. Continue reading →