Demokratie als Borderline

Heute. Heute vor einem Jahr fand in den USA die größte Inaugurationsfeier seit Bestehen des Landes statt. Jedenfalls, wenn man die Tatsache Dutzender Bilder wegläßt, die das Gegenteil beweisen.
Der Amtseid von Donald J. Trump, immer noch Präsident Nummer 45 der Uneinigen Staaten von Amerika, hat weniger Leute nach draußen gelockt als ein Alienraumschiff im Stadtpark, jonglierende dreibeinige Hühner oder ein gewiefter Doughnut-Verkäufer, der gerade die Sorte LSD-Meth erfunden hat, die in Washington, DC, sicherlich reißenden Absatz fände. Böse Zungen behaupten gar, es seien deutlich weniger Menschen da gewesen als beim ersten Amtsantritt seines Vorgängers Barack Obama.
Gute Zungen hingegen behaupten, daß die Menge der Zuschauer mindestens bis Boston, vielleicht sogar bis Mexiko gereicht hat. Da verschmolz sie dann mit der Schlange der Einwanderer aus dem Süden, die erst die donaldinische Mauer passieren mußten und die sich darum reißen, in Amerika zu arbeiten, diesem Leuchtturm der Fairness und Gerechtigkeit. Gute Zungen erfinden nämlich alternative Fakten. Ganz besonders scheinbar, wenn sie einer Frau namens Kellyanne Conway – ohne Bindestrich – gehören, mit ihrem Gesicht wie Ente süß-sauer oder Schuhleder des Jahrgangs 1860. Da wurde übrigens Lincoln Präsident.

Das geistig stabile Genie, das die Amerikaner in sicherer Selbsterkenntnis zum Präsidenten gewählt haben, hatte ein prima Jahr. Die Aktienkurse sind in so himmelhohe Höhen gestiegen, daß es nur noch eine Frage der Zeit sein kann, bis alle Straßen des Landes nicht nur renoviert sind, sondern mit Gold gepflastert. Donald Trump steht doch auf Gold. Jeden Tag werden Füllhorn-Hubschrauber über den blauen Himmel ziehen und Burger, Pommes, Popcorn, Limo, Bier und T-Bone-Steaks über den Bewohnern des Landes abwerfen. Jedenfalls über denen, die Trump gewählt haben und ihm auch sonst kräftig in den Arsch kriechen.

In Puerto Rico zum Beispiel gibt es vier Monate nach dem Hurrikan Irma noch immer nicht genug Strom, um den Laden durchgehend am Laufen zu halten. Notfallteams werden jetzt entsendet, um der Lage Herr zu werden. Sinnigerweise von den E-Werken Floridas.
Aber die Bürgermeisterin der Inselhauptstadt hat Donald Trump ja auch kritisiert, weshalb man dem Territorium selbstverständlich die kaiserliche Gunst entzogen hat. Deutsche Nachrichtenseiten beschäftigen sich übrigens vor allem damit, daß man beim Buchen des Jahresurlaubs in der Karibik Vorsicht walten lassen muß, geben aber gleichzeitig Entwarnung:

Roland Junkers von Thomas Cook und Neckermann sagte auf der Messe, Condor habe sämtliche Flugverbindungen wieder aufgenommen und alle Ziele seien wieder zu bereisen

Solche Dinge firmieren dann unter der Überschrift „Viele Schäden behoben”.
Auch auf Kuba ist alles klar. Die Hotels sind wieder aufgebaut. Das wird die Bewohner der Nicht-Hotels sicherlich freuen, nehme ich an. Wer sich also seinen üblichen siebzehnwöchigen Karibikurlaub nicht gönnt in diesem Jahr, ist selber schuld. Niemand sollte jetzt behaupten, er könne sich das nicht leisten. Denn das hier ist Deutschland und Deutschland geht es gut.
Das haben wir natürlich nur der Tatsache zu verdanken, daß unsere Eiserne Kanzlerin so etwas wie Hurrikans hier in Deutschland niemals zulassen würde. Oder Leute, die sich Karibikreisen nicht leisten können. Oder Möglichkeiten, die darauf hinauslaufen, daß sie nicht mehr Kanzlerin sein könnte. Die existieren ganz besonders nicht.

Wobei…irgendwo sehe ich da zwei, drei kleine Wölkchen am Horizont heraufziehen. Die Jahresfeier in den USA findet ohne Catering statt, denn die Regierung muß leider gerade ihre Pforten schließen.
Amerika hat nämlich kein Geld mehr. Also, im Haushalt natürlich. Die Konzerne haben genug davon. Das ist glasklar selbstverständlich nur Schuld der Demokraten, denn diese russischen Saboteure, diese miesen Sozialisten mit ihrer Krankenversicherung für alle, blockieren den Haushaltsentwurf im Kongress. Eine derartig unamerikanische Blockadehaltung schadet dem gesamten Volk.
Die Demokraten nehmen das ganze Land als Geisel”, tönt es aus der republikanischen Mitte.
Man beachte, daß natürlich nur miese Verbrecherbanden oder Terroristen Geiselnahmen durchziehen. So etwas würde einem aufrechten amerikanischen Republikaner niemals einfallen.

Es sei denn, die Demokraten regieren gerade. Denn der letzte “shutdown”, wie man dieses beinahe schon routinemäßige Vollversagen amerikanischer Finanzpolitik nennt, ist von 2011. Damals haben die Republikaner wochenlang die Einigung in der Haushaltsdebatte blockiert, um…ja…also…den Präsidenten zu erpressen. Denn sie wollten etwas, was der nicht wollte. Aber das war pragmatische Politik zum Wohle des Landes, ist ja klar.
Die bösartigen Demokraten, diese liberalen Teufelsanbeter mit ihrer Homo-Ehe, die kümmern sich nicht einmal um arme Kinder. Die Kinder!111!
Das sagt dieselbe Regierung Trump, die gerade erst dafür gesorgt hat, daß das CHIP-Programm ausläuft. Die Abkürzung steht für “Children’s Health Insurance Program” und ist genau das – ein Zuschußprogramm für Familien mit Kindern und wenig Geld für Krankenversicherung, was ja gerne mal Hand in Hand geht.
Denn bei Obamas „Krankenversicherung für alle” waren Kinder nicht automatisch mit dabei, so etwas wie eine Mitversicherung von Familienmitgliedern wie bei uns gibt es nämlich nicht.

Der Trick an der Sache liegt in amerikanischen Gesetzgebungsverfahren. Denn die Republikaner haben im aktuellen Haushaltsentwurf eine Budgetverlängerung für eben dieses Programm eingebaut. Das sie vorher gestrichen haben.
Nimmt jetzt aber die Gegenseite den Haushalt von Trump nicht an – also den mit ganz viel Militär und natürlich seiner Mexikanischen Mauer – dann läuft CHIP eben aus wie beschlossen. Daraus wird dann in Washington ein „Die Demokraten lassen Kinder sterben und wollen das Militär vernichten!111!”
Soweit dann also zum Klima in der Hauptstadt der mächtigsten Nation der Welt.

Die größte, schönste und reichste Nation der Welt versackt in einem Sumpf aus Schulden. Der amerikanische Traum funktioniert prächtig.

Pünktlich zum ersten Jahrestag steht also das Räderwerk der amerikanischen Regierung mal wieder knirschend still. Das Knirschen kommt von den Zähnen des Präsidenten. Vermutlich arbeitet das geistig stabile Genie gerade an einer Erklärung für seine weltweit Milliarden Anhänger, die wie immer kühl und sachlich erläutert, wie es eigentlich sein kann, daß die Börsenkurse, für die der beste Präsident aller Zeiten selbstverständlich alleine verantwortlich ist, in abartige Höhen enteilt sind, aber das Land trotzdem kein Geld hat.
Außerdem hat ja gerade erst die wunderbare Steuerreform jedem Amerikaner viel viel viel Geld beschert, einen wahren Goldregen hat Donald Trump da veranlaßt.
Ich nehme an, das ist der Grund, warum die Konzernverschuldung im vergangenen Jahr um 568 Milliarden Dollar gestiegen ist.
Das ist übrigens lächerlich, der Kongress schafft das pro Quartal. Die Staatsschulden, also die Schulden des Bundes in den USA, sind 2017 um 2,1 Billionen Dollar angestiegen. Dazu kommen dann noch die Steuerausfälle durch die gerade verabschiedete „Reform”. Wobei die sich natürlich selbst bezahlt, da die ganzen Reichen mit dem vielen neuen Geld lauter wunderbare Arbeitsplätze schaffen werden, deren Inhaber Autos, Koks, Nutten und Schampus erwerben von ihrem Gehalt und auch noch Steuern bezahlen. So hat der Staat dann unterm Strich mehr Geld in der Tasche. Das hat seit Beginn der 80er Jahre schon immer wieder prima funktioniert, deshalb verfolgt man das Konzept auch weiter. In Deutschland kennt man das als „Kohlsches Gesetz”, scherzhaft auch „Blühende Landschaften” genannt.

Die Schulden der Privathaushalte sind übrigens nur um 364 Milliarden Dollar gestiegen. Damit betragen sie aber trotzdem gute 13 Billionen Dollar. Diese Summe kommt zu den Bundesschulden noch dazu, nur als Anmerkung.
Der Einzelhandel war mit dem “Black Friday” sehr zufrieden im letzten Jahr. Das ist der Tag, an dem Amerikaner wahnsinnig viel Geld sparen können, indem sie vorher drastisch überteuerten Ramsch, den niemand braucht, zu dann stark herabgesetzten Preisen erwerben und sich dabei auch mal im Supermarkt gegenseitig erschießen. Diese traditionelle Einleitung des Weihnachtsgeschäfts und der Verlauf desselben stimmten den Einzelhandel wie gesagt hochzufrieden. Dumm nur, daß der durchschnittliche Amerikaner dafür seine Kreditschulden pro Kopf um etwa 1.000 Dollar erhöht hat. Was tut man nicht alles für die Playstation 4.
In den USA, dem Wunderland des Kapitalismus, liegt der durchschnittliche Wert eines Haushalts im Moment bei etwa 78.000 Dollar. Das ist so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Der Anteil an „negativen Amis” wie ich das scherzhaft nenne, erreicht aktuell 30,4 Prozent.
Das sind die Haushalte, bei denen negative Werte erscheinen, wenn man ihren Vermögenswerten und Forderungen mal die Verbindlichkeiten gegenüberstellt, um es kaufmännisch zu formulieren. Salopp gesagt ist ein gutes Drittel aller Amerikaner rechnerisch pleite. Ebenso wie ihre Regierung, die aktuell nicht mal mehr Basisfunktionen aufrechterhalten kann.

Bild 1: Great again and ever
Ein Jahr nach dem Amtsantritt von Präsident Trump ist die Wirtschaftslage der USA blendend. Überschäumende Aktienkurse und Milliarden an neuen Steuergeldern, die durch die Steuersenkungen in die Kasse gespült werden, zeigen ihre Wirkung.
Zeichnung von Thomas Plaßmann

Insgesamt drängt sich stark der Eindruck auf, daß Amerika eigentlich Griechenland ist und deshalb längst auf eBay zum Verkauf angeboten werden sollte. Aber wer würde für den Haufen Plastikmüll voller Idioten ein Gebot abgeben?
Um fair zu sein, sei erwähnt, daß sich die Konzernschulden seit 2009 verdoppelt haben, da war Trump noch nicht Präsident. Wobei er womöglich bestreiten würde, daß jemals jemand anders Präsident gewesen ist, das geistig stabile Genie. Und seine Anhänger würden das glauben.
Ein großer Teil dieser Schulden lauert übrigens in den Bereichen High Tech und Fracking. Aber glücklicherweise steigen die Ölpreise etwas, die Weltwirtschaft beginnt langsam, die in drei Jahren entstandene Ölpfütze aufzusaugen. Noch während ich dies hier tippe, liegen die Staatsschulden bei 20,996 Billionen Dollar. Bis ich fertig bin, werden es 21 Billionen sein. Es sei denn, ich tippe sehr schnell oder höre jetzt sofort…
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HaHa…kleiner Scherz. Was interessieren mich die Schulden der immer noch größten Volkswirtschaft der Erde? Die interessieren sich dafür ja auch nicht.
Wobei sich das vermutlich ändern wird, wenn die Zinsen, noch immer auf historisch sehr niedrigem Niveau knapp über den Bodenfliesen, weiter ansteigen sollten. Die spannende Frage, wer demnächst Chef der Federal Reserve sein wird und was der dann tun wird, habe ich im Jahresvorblick absichtlich ausgelassen. Denn das birgt Potential für mehr.
Designierter Nachfolger ist jedenfalls der Investmentbanker Jerome Powell. Ist dieser Typ ein Lakai von Trump, könnte der die Zinsen sogar wieder senken. Eigentlich müßte er das, denn nur so wird man das neue Loch im Haushalt eine Weile verbergen können.
Setzt der Kerl die Zinsen weiter rauf, wird das bißchen asthmatisch keuchende Erholung der Wirtschaft, das weltweit erkennbar ist, sehr bald wieder beatmet werden müssen. Ließe man die Zinsen pro Quartal um 25 Basispunkte steigen – wie es mein Plan wäre, wäre ich Fed-Chef – dann hätten wir Ende des nächsten Jahres Zinsen von über 5 Prozent. Dummerweise wäre damit der Zusammenbruch der Weltwirtschaft quasi vorprogrammiert.

Denn damit würden auch die Energiepreise steigen und das tötet die Wirtschaft noch schneller als Glyphosat die letzten Hirnzellen der CSU.
An dieser Stelle gab es neulich einen interessanten Hinweis von BP. Zur Erinnerung: Das ist der Mineralöl-Multimilliarden-Laden, der 2010 den Golf vollgetankt hat. Den von Mexiko nämlich. Als die Plattform „Deepwater Horizon” einen katastrophalen Blowout erlebte. Weil es das Management für eine prima Idee hielt, sich Sicherheitsmaßnahmen für etwa 40 Millionen Dollar zu sparen, mußte der Konzern im Endeffekt für die kleine Ökokatastrophe apokalyptischen Ausmaßes 65 Milliarden Dollar berappen.
Das sind diese fähigen Leistungsträger, denen wir Millionen pro Jahr an Gehältern zahlen müssen, weil die sonst woanders hin abwandern. Falls mal wieder jemand wie Hans-Werner Sinn oder eines seiner unseligen geistigen Ziehkinder diesen Satz von sich geben sollte in der Öffentlichkeit.
Jedenfalls äußert sich der Konzern in Berichten trotz allem optimistisch über seine Zukunft. Die meisten Verfahren sind beendet, die Strafen gezahlt, ein Ende absehbar. Außer für die ökologischen Schäden natürlich, die werden die Region noch diverse Jahrzehnte beglücken.
Jedenfalls sagt der CFO, also der oberste Finanzjongleur dieses Vereins aus Ökoverbrechern, daß BP daran nicht sterben wird, denn:

Brian Gilvary, BP’s chief financial officer, said the charge was manageable, with the firm breaking even at crude prices of $50 per barrel.

Interessante Ansage. Denn wenn ein Konzernriese, ein Global Player, ein fetter Laden mit eigenen Lobbyisten und für ihn geschriebenen – oder ungeschriebenen – Gesetzen weltweit, ein break even von 50 Dollar hat in Sachen Öl, wie sieht das dann eigentlich mit den unzähligen deutlich kleineren Betrieben aus, die in den USA Fracking betreiben wie die Doofen?
“Break even”, für wirtschaftlich völlig Unbeleckte, ist vereinfacht der Punkt in einer Kostenkurve, ab dem ich Gewinn erwirtschafte als Konzern. Man denke an die Nullstelle einer Funktion, für die Mathematiker.
Dafür muß der Preis meiner Ware entweder hoch genug sein oder ich muß etwas haben, das ich in riesigen Mengen verkaufen kann. Wenn ich das produziere, sind die Kosten pro Stück dann natürlich entsprechend niedrig.
Dieser generelle Mechanismus gilt nicht für Apple-Produkte, das sollte klar sein. Apple lebt in der besten aller möglichen Welten und verkauft Dingsbumse in großen Stückzahlen zu absurd überzogenen Preisen. Der break even für ein iPhone X liegt vermutlich bei etwa $47,90 und das wird dann für 1.200 Öcken vertickt. In Deutschland natürlich, denn die deutschen Apple-Jünger sind noch blöder als der globale Durchschnitt.
Jedenfalls ist der Hinweis von BP endlich mal ein verläßlicher Anhaltspunkt. Denn seltsamerweise schweigen sich sehr viele Fracking-Wundertüten über ihre wichtigen Zahlen aus. Ich weise darauf hin, daß es sich bei den 50 Dollar von BP um eine Gesamtkalkulation handelt. Also global. Öl und Gas zu fracken ist aber bei weitem teurer als die Standardölförderung im Wüstensand.

Doch all diese seltsam widersprüchlich erscheinenden Dinge verblassen vollkommen gegenüber dem unfaßbaren Drama, das sich derzeit in der Mitte Europas, ja beinahe möchte man sagen, der Mitte der Welt abspielt. Nein, nicht Donald Trumps Bauchnabel.
Berlin. Oder Bonn. Ist ja auch egal. Hauptsache, nicht Österreich.
Da es ja Aufgabe Kassandras ist, in die Zukunft zu sehen, beschäftigen wir uns jetzt endlich mal wieder mit dem Morgen. Morgen also wird in Bonn, der kleinen Provinzstadt am Rhein, ein Parteitag stattfinden, der die Zukunft des Planeten für mindestens die nächsten hundert Jahre nachhaltig beeinflussen wird.

Denn in der ehemaligen Hauptstadt Westdeutschlands wird morgen, am Schicksalssonntag, die ehemalige SPD ihre Genossen zum Sonderparteitag herbeitrommeln. Mit Kanus werden sie den Rhein hinaufziehen, um ihre Stimme abzugeben, während die Frage über ihnen im Raum schwebt:
„Wie bescheuert kann die deutsche Sozialdemokratie eigentlich sein, ohne als Bürste verkauft zu werden?”

Gut, in diplomatischer Zurückhaltung lautet die Frage etwas anders. Nämlich, ob man mit der CxU von Frau Merkel nach der enorm erfolgreichen Sondierung nun Gespräche über eine weitere Koalition des Todes aufnehmen möchte, um das Land endgültig in den Untergang zu langweilen, während Friedhofsruhe und aktive Bewegungsvermeidung als entschlossenes politisches Handeln verkauft werden.

Kaum waren diese Sondierungsgespräche vorbei, die jetzt gefühlt seit Aussterben der Dinosaurier geführt wurden, gab es Forderungen nach Nachbesserungen an den Ergebnissen. Unter anderem von den SPD-Leuten, die gerade die Verhandlungen geführt hatten.
Woraufhin St. Martin Schulz, der derzeitige Chef dieses traurigen Schattens einer ehemaligen Volkspartei, sofort sagte, die Ergebnisse seien natürlich noch nicht endgültig. Woraufhin ihm die CSU widersprach. Schließlich ist so ein Sondierungspapier unverändliche, in Stein gemeißelte Historie, das muß jedem klar sein.
Es ist derselbe Martin Schulz, der am Abend der Bundestagswahl, damals, am 24. September 2017, gesagt hat: „Die SPD geht in die Opposition. Die Große Koalition ist abgewählt.”
Das war das erste Mal seit ungefähr 2003, daß ein Führungsmitglied der SPD etwas sagte, das korrekte Verbindung zur Realität vermuten läßt.
Zumindest sieht dieser Mann aus wie der Martin Schulz vom Wahlabend. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie den nicht heimlich im Schloß Bellevue geklont haben oder durch einen Androiden ersetzt. Denn kaum war die Jamaika-Koalition geplatzt, da mußte Schulz zum Rapport antreten und danach über die Koalition verhandeln, die er vorher ausgeschlossen hat. Was er dann auch tatsächlich gemacht hat.
Die ehemalige SPD hat das politische Umfallen wahrlich zu einer neuen Kunstform erhoben und hier Meister hervorgebracht, die ihresgleichen suchen.

Auch Deutschlands Medien hatten nicht anderes zu tun, als sofort die Große Koalition als einzig wahres Seelenheil des Landes zu verkaufen.
Nur drei Tage zuvor war noch Jamaika die „einzig vernünftige Option auf eine stabile Regierung”. Frau Merkel sprach über die SPD…

Merkel machte deutlich, dass es für sie zu einem Jamaika-Bündnis keine Alternative gebe. „Es ist offenkundig, dass die SPD auf Bundesebene auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig ist“, sagte die Kanzlerin. „Wir sollten deshalb keine weiteren Gedanken darauf verschwenden.“
FAZ vom 07.10.2017

Das war natürlich, bevor Christian Lindner vom Verhandlungstisch aufstand, weil ihm die Grünen zu sehr in den Nacken gesabbert haben auf ihrem Weg an die Fleischtöpfe der Macht. Besonders Frau Göring-Eckkardt, die Grüne Göre quasi, konnte sich gar nicht schnell genug überschlagen, jeglichen Hauch grüner Politik aus dem Fenster des Konferenzraums zu werfen oder über das Balkongeländer zu schubsen.
Kaum hatte Lindner also bemerkt, daß die FDP gegen den neoliberalen Club mit Ökofassade nicht die geringste Chance hatte, warf er beleidigt die Brocken hin, denn deutsche Menschenverächterpolitik darf keinen Lindner haben neben ihm, ist ja klar.

Etwa zehn Sekunden danach erging aus dem Kanzlerhauptquartier die Weisung, man möge auf der Stelle die Große Koalition als einzig alternativlose Möglichkeit propagieren, den Deutschen ihre Lieblingskanzlerin zu erhalten.
Was die meisten Presseorgane auch in der üblich wenig kritischen Art taten. Bis vor zwei, drei Tagen. Da erschienen dann auch mal Artikel, die diese Option etwas in Frage stellten.
Das war aber zu dem Zeitpunkt schon egal, denn die ehemalige SPD hatte die Sondierung ja beendet und für erfolgreich erklärt.
Andrea Nahles, diese aus unerfindlichen Gründen als links geltende Warnung davor, daß Frauen bei beginnender Menopause nicht zu viele Hormonpräparate nehmen sollten, entblödet sich nicht, das lächerliche Ergebnis von wochenlangen angeblichen Verhandlungen als sozialdemokratisches NonPlusUltra anzupreisen, während aus Bayern das höhnische Gelächter von Alexander Dobrindt noch immer über die Republik hallt und sich am Alpenrand bricht.

„Bitte bedenkt, was ein Scheitern dieser Regierungsoption für Folgen hätte!“
Andrea Nahles

Ja, welche unfaßbaren Folgen hätte denn ein Scheitern eigentlich?
Jetzt abgesehen davon, daß die ehemalige SPD die schon mehrfach angekündigte „personelle Erneuerung”, die nie durchgeführt wurde, endlich mal in Ruhe angehen könnte?
Insofern würde ein Scheitern des Parteivorstands morgen in Bonn nur das Ende von Frau Nahles bedeuten. Und von Herrn Schulz. Und von Herrn Gabriel. Als ehemaliger Wähler dieser früheren Partei würde ich das ausdrücklich befürworten. Man werfe auch noch Lars Klingbeil, Thomas Oppermann und Johannes Kahrs bei Bonn in den Rhein, von mir aus auch mit einem Gewicht an den Füßen.
Der Letztere ist der Sprecher des sogenannten „Seeheimer Kreises” der SPD, das sind die neoliberalistischen Volksverarscher, die mit Gerhard Schröder zusammen die Agenda 2010 gebastelt haben und darauf heute noch stolz sind.

Ein anderer Sprecher, Edgar Franke, sagte ernsthaft:

„Wenn sich die SPD am Sonntag doch noch einer GroKo verweigern sollte, riskiert sie bei Neuwahlen einen Absturz auf 15 bis 16 Prozent. Und davon wird sie sich langfristig kaum mehr erholen“.

Es wäre mal dringend an der Zeit, daß die Reste der SPD bemerken, daß sie sich seit zwanzig Jahren nicht vom Seeheimer Kreis und seiner Zerstörung des Sozialdemokratischen erholt hat. Und das wird sie auch nie, wenn sie diese Leute nicht dahin schickt, wo sie hingehören. Zur CDU. Oder besser gleich zur AfD.

Bild 2: Schießt endlich, verdammt!
Der aktuelle Titel der ,,ZEIT”. Man möchte sofort als Sekundant nebendran stehen, die Schritte zählen und dann rufen: ,,Schießen Sie endlich! Schießen Sie!”
Vielleicht haben wir ja Glück und beide Duellanten sind hinterher tot?

Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte bei keiner Partei größer sein als bei den deutschen Sozialdemokraten. Wenn man nicht gerade in Washington ist, natürlich. Oder der CSU-Parteizentrale.
Noch immer hält die SPD am Narrativ fest, daß sie eine Partei ist, die irgendwie die Sorgen und Nöte des „kleinen Mannes” versteht und für soziale Belange eintritt.
Noch immer hält sie am Narrativ fest, sie würde für irgendetwas gebraucht außer CDU-Kanzler auf den Thron zu heben.
Noch immer hält die SPD am Narrativ fest, daß erst das Land kommt, dann die Partei.
Heinrich Manns Untertan wäre heute SPD-Mitglied. Wahrscheinlich Generalsekretär oder so.
Aktuell ist die SPD dabei, sich in ihren eigenenen Fliehkräften ebenso nachhaltig zu zerlegen wie die Republikaner oder die Demokraten in den USA.

So drängen die derzeit revoltierenden Landesverbände der SPD auf eine ersatzlose Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen Ein Thema, auf das die Partei sich bereits im Wahlkampf konzentriert hatte, über das in den Sondierungsgesprächen aber keine Einigung mit der Union erzielt werden konnte.
Wobei das falsch formuliert ist. Man konnte nicht etwa keine Einigung erzielen.
Die Union hat gesagt: „Da geht mit uns nichts.”
Woraufhin die Verhandler der ehemaligen SPD sagten: „Dann halt nicht.”
So stelle ich mir beinharte Verhandlungen mit einer Partei vor, die von mir will, daß ich ihre Kandidatin zur Kanzlerin küre. Dieser Schilderung von Frau Nahles kann ich kaum mehr politischen Arenakampf hinzufügen.

Überhaupt bietet die ganze Parteiführung den erbärmlichen Anblick einer Gruppe, die sich verzweifelt einzureden versucht, daß beim nächsten Mal alles anders wird. Es ist exakt dieses Narrativ, daß derzeit überall die Maschine unserer Zivilisation beherrscht. Sei es in der Politik oder an den Börsen: „Diesmal wird alles anders!”
Nein. Wird es nicht.

Wie kann man so blöd sein anzunehmen, daß es bei Koalitionsverhandlungen anders laufen würde als im Vorfeld?
Es wird weder in Koalitionsverhandlungen anders sein als bei der Sondierung noch in einer späteren Koalition anders als in den acht Jahren Koalition vorher.
Und ich weise darauf hin, daß beim ersten schwarz-roten Gruppensex die SPD mit 34,2 Punkten nur knapp hinter Angela der Alternativlosen landete. Dafür würde die aktuelle SPD töten!
Wenn also die Landesverbände in NRW, in Hessen, in Bayern und auch anderswo gegen eine Verhandlung über eine weitere Große Koalition sind – dann stimmt man morgen in Bonn dagegen. Stattdessen fordern solche Landesverbände, daß in Koalitionsverhandlungen „nachgebessert” wird.
Aber sicherlich. Mit einer Kanzlerin Merkel, die schon gesagt hat, die CDU habe bereits „herbe Zugeständnisse” gemacht und da gehe halt nichts mehr.

Jetzt geht schon seit Wochen die Welt unter und Europa wartet nicht – oder war es umgekehrt?
Und das alles, weil Frau Merkel keine staatspolitische Verantwortung übernehmen will und eine Regierung bilden. Oder war die gar nicht SPD-Vorsitzende? „Doppeldenk” reicht wirklich nicht mehr aus, um deutschen Politjournalismus zu beschreiben in den letzten Wochen. Die Berichterstattung erreicht ein Niveau auf meinem persönlichen Bullshit-Detektor, das sich in Kilo-Maizière oder Centi-Maas schon gar nicht mehr messen läßt.

Natürlich ist das auch die Schuld des Wahlvolkes, machen wir uns da nichts vor. Das jammervolle Elend, das sich seit Wochen vor unser aller Augen abspielt, ist ja gewählt worden. Schon wieder!
Das eine Frau Nahles allerdings noch immer was zu melden hat in der ehemaligen SPD oder Alexander Dobrindt überhaupt etwas außerhalb von Disneyland, ist nicht Volkes Schuld. Würde man politische Ämter mal an gewisse Qualifikation knüpfen oder einen Test auf Intelligenz und/oder eine breite und tiefgehende Allgemeinbildung, wären solche Menschen an solchen Positionen nie aufgetaucht. Von jedem Müllmann…Verzeihung…Entsorgungsfachangestellten…erwarten wir seitenweise Bewerbungen. Bei Politikern reicht erfolgreiches Atmen oft aus, hat man den Eindruck.

,,Diesmal wird alles anders!” versichert sich die SPD selbst. Politisches Harakiri mit dem stumpfen Löffel als Staatsraison. Keine Partei ist dümmer.

Die Herausforderung liegt auch nicht darin, wie ein Kommentator fälschlicherweise anmerkte

…den Leuten wieder sehr viel stärker das Gefühl zu geben, selbst über ihre Existenz bestimmen zu können.

Dieser Kommentar ist deswegen falsch, weil die ganze verdammte Politik dem Wahlvolk das Gefühl gibt, das irgendwer irgendwas macht, das irgendwas verbessern soll. Das war es dann aber auch. Gefühl ist scheiße!
Machen wäre mal gut. Ich will nicht, daß mir irgendwer ein Gefühl gibt.
Wie wäre es mal mit ein paar zukunftsfähigen Konzepten? Womöglich einem Plan?
Und zwar für die richtige Zukunft, nicht das übliche Wirtschaftswischiwaschi mit krakeligen Linien auf Dashboards. Warum soll ich mir den Arsch aufreißen, damit die oberen zehn Prozent vermögensbesitzender Erbparasiten ihr leistungsloses Einkommen in der Karibik in die Sonne legen können?
Und dann kommt die AfD und will mir erzählen, in einer Welt schwindender Ressourcen wären irgendwelche Ausländer schuld daran, daß die unteren 50 Prozent beim Verteilungskampf immer weniger abkriegen. Das ist dann auch noch intellektuell zutiefst beleidigend, jedenfalls für mich persönlich.

Nein, ich halte nichts von Politikern und einer Politik, die nach zwei Jahren prüfen wollen, wie ihre Arbeit denn bisher so war. So wie im Sondierungspapier vereinbart.
Weil ich exakt weiß, was dabei herauskommen wird.
2019 kommt dann raus, daß es uns gut geht und wir gut und gerne in diesem Land leben. Wahrscheinlich werden die Börsenkurse bis dahin eine Sauerstoffmaske brauchen in den schwindelnden Höhen. Aber die Altenpflegerin, die ein Herr Schulz jetzt so zitiert, die kriegt immer noch Mindestlohn plus 10 Prozent. Denn – wie hätte Hans-Werner Sinn gesagt: „Mehr erwirtschaften solche Leute ja nicht!”

Das Schlimme an der SPD ist auch nicht die Streiterei, wie manche Medien behaupten. Gerade erst hat eine weitere Umfrage fallende Werte für die ehemalige SPD mit dem Streit um die Koalitionsverhandlungen in Verbindung gebracht.
Das die Werte erst zu fallen begannen, als die SPD-Führung überhaupt darüber zu sprechen begann, wird hierbei sauber ignoriert. Solange Herr Schulz nicht umgefallen war, waren die Umfragewerte stabil.
Nein, das Schlimme ist, daß man schon vorher weiß, was dabei rauskommt, wenn die ehemalige SPD auf der Bühne wieder den sterbenden Schwan abliefert.

Erinnert sich noch jemand an die Vorratsdatenspeicherung?
Die wurde vom EUGH für menschenrechtlich nicht machbar erklärt. Woraufhin Justizminister Maas sagte: „Dann machen wir das nicht.”
Vier Monate drauf war er der Typ, der die VDS unbedingt neu machen mußte. Er war quasi der Motor des neuen Gesetzes, das zweifellos ebenfalls wieder vom BVerfG kassiert werden wird. Begründung: „Steht im Koalitionsvertrag.” Das hatte ihm Volker Kauder gesagt.
Da hat der studierte Jurist in meinen Augen aber klar bewiesen, daß seine Prioritäten rechtsstaatlich mehr als Mist sind.

Hat noch jemand TTIP in Erinnerung?
Diese ultimativ notwendige Rettung des sogenannten Freihandels durch einen Handelsvertrag, der so kompliziert ist, daß man der Öffentlichkeit darüber keinerlei Information zumuten durfte?
Dieselbe Nummer. Erst als alles rauskam, wurde geredet. Sigmar Gabriel wurde nicht müde zu betonen, wie toll das doch alles werden wird.
Die USA mußten sogar gnadenrechtlich Einsicht in die Unterlagen gewähren. Das ist von der politischen Bissigkeit und Tragweite schon fast auf Höhe des jetzigen Sondierungspapiers. Mindestens.
Kein einziger maßgeblicher Politiker hat sich danach für die Unterlagen interessiert. Niemand wollte den schwer bewachten, fensterlosen Raum betreten, ohne Smartphone, Stift und Papier, um sich den Inhalt der etwa 3.000 Seiten eng mit  Wirtschafts- und Juristenenglisch bedruckten Seiten einmal anzusehen. Das ist das Ausmaß, in dem deutsche Spitzenpolitiker sich für Angelegenheiten interessieren, die 82 Millionen Menschen auf jahrzehnte hinaus betreffen.
Was stand die ganze Zeit auf der CDU-Webseite?
„TTIP ist gut für Deutschland”. Weil – so die messerscharfe Begründung, TTIP gut ist für Deutschland. Das habe ich nicht erfunden. Das stand da wirklich. Vermutlich steht es im Archiv noch immer. Im Moment steht vermutlich ganz oben, warum die nächste Große Koalition gut ist für Deutschland. Und ich ahne die Begründung.

Ich habe bisher Null Personen getroffen, die noch einer Großen Koalition etwas Positives abgewinnen könnten. Und ich habe dreimal nachgezählt.
Noch nie war die Meinung bei einem politischen Thema in meinem näheren und weiteren Umfeld derartig einheitlich.
Weder die ehemalige SPD noch die CxU oder die anderen bieten mit ihrem Personal einen Anreiz, überhaupt wen zu wählen. Vom falschen Zukunftskonzept mal zu schweigen. Wachstum, Wachstum, Wachstum. Dieses ganze Trauerspiel ist an Armseligkeit nicht mehr zu überbieten. Wäre es nicht so widerwärtig, man könnte es amüsant finden.

Ich habe früher bei dem dummen Spruch „Wer hat uns verraten…” nur gequält gelächelt. Inzwischen stimme ich da lauthals mit ein.
Die SPD verrät sogar sich selbst. Immer, ständig, dauernd und zuverlässig. Man muß nur Sachen wie „staatspolitische Verantwortung” zitieren.
Schon macht sich diese Partei in jede Hose, die man ihr hinhält, um mal Dieter Hildebrandt zu zitieren.
Die Süddeutsche und Heribert Prantl, ein von mir auch sehr verehrter Kommentator, haben vor einigen Tagen sogar in süffisanter Arroganz klargestellt, wie Herr Schulz die Große Koalition noch retten kann.
Also die, die es noch gar nicht gibt. Schulz, so Prantl, müsse eben nur sein Versprechen einhalten und einem Kabinett Merkel IV nicht angehören.
Seltsamerweise hallen plötzlich Sätze wie „Mit mir wird es keine Maut geben” oder „Euro-Bonds nur über meine Leiche” oder „Deutsche Atomkraftwerke sind die sichersten der Welt” durch meinen Kopf. Das war kurz vor der Abschaltung. Der Atomkraftwerke, nicht meines Kopfes.
Durch dieselbe Kanzlerin, die jetzt endlich wiedergewählt werden möchte, damit keiner merkt, wie nackt die CxU eigentlich da steht, personell und inhaltlich.
Dieselbe Kanzlerin, die die Laufzeit der deutschen AKWe bis Ultimo verlängert hatte, kaum daß sie mit der FDP regierte. Es gab zwar schon einen Vertrag aus rot-grünen Zeiten, aber warum sich daran halten?

Es kann also auch niemand behaupten, er hätte nichts gewußt, wenn es zu einer weiteren Großen Koalition kommen sollte.
Was die CxU da aufstellt, sind nicht mal mehr Fettnäpfchen. Es sind Eimer voll mit bayerischer Gülle. Aber man könnte Warnhütchen, Blinklichter und Sirenen drumherum aufstellen – die SPD würde trotzdem mit beiden Beinen voraus reinspringen. Man muß nur ein paar Schlüsselworte benutzen.

Gefangen in falschen Narrativen hält sich die CSU für politisch wichtig, die CDU für politisch unüberwindbar und die SPD für politisch klug.
In Wahrheit gefährden diese Leute die Demokratie durch Machtstarrsinn.

Es liegt mir fern, Herrn Schulz die alleinige Schuld am derzeitigen Totaldebakel zu geben. Immerhin hat ihm keiner gesagt, welche Partei er da eigentlich übernimmt vor einem Jahr. Er hat wohl gedacht, es sei die SPD.
Aber dieser Mann stellt sich hin und sagt zu seinen Parteigenossen aktuell, daß man im Falle von Neuwahlen mit dem Ergebnis der Sondierung als Programm in einen Wahlkampf ziehen müsse. Und das, so Schulz, sei ja wohl absurd. Vom drohenden Stimmverlust ganz zu schweigen.
Ich wiederhole es kurz: Das so als unfaßbarer sozialdemokratischer Sieg gefeierte heilige Sondierungspapier, das dieser Mann selber mitverhandelt hat, wäre also als Wahlprogramm absurd.
Mal abgesehen davon, daß ich keinerlei logischen Zwang erkennen kann, dieses Wortgestammel zwingend als Wahlprogramm mitnehmen zu wollen. Ich würde das ganz im Gegenteil nicht tun wollen, wäre ich Chef der SPD. Zum Glück ist mein Karma aber nicht derartig mies, daß ich diesen Job ausüben müßte. Wenigstens ist damit klar, daß der Typ, der aussieht wie Martin Schulz, in Wahrheit einer von den Reptiloiden sein muß.

Dieser Irrsinn muß aufhören. Ich habe nicht die geringste Lust, dieses Land weitere vier Jahre dem bleiernen Stillstand einer Angela Merkel auszusetzen, nur damit Herr Gabriel weiter einen Posten bekleiden kann. Oder eben Frau Merkel.
Die ehemalige SPD ist klar in der Situation, in der Parteipolitik über allem steht. Das hat Herr Schulz durchaus richtig erkannt und auch gesagt. Nur hat er dann den Fehler gemacht, sich vom Präsidenten und den Medien wieder an den Verhandlungstisch reden und schreiben zu lassen.
Sollte es noch eine Große Koalition des Steigbügelhaltens geben und ich weitere vier Jahre so abgrundtief denkbefreite Gestalten wie Herrn Dobrindt oder Söder ertragen müssen, die jeglichen demokratischen Verständnisses unverdächtig sind, ist der Untergang der SPD besiegelt. Ich habe keinerlei Zweifel daran, welche rechtsreaktionäre Truppe die entstehende Lücke füllen wird. Es sei denn, die CSU tritt in vier Jahren endlich bundesweit an, dann haben wir gleich zwei davon.
Denn die einzige SAM, die ein Wähler dann noch auf das realitätsferne Raumschiff Berlin in seiner antidemokratischen und arroganten Selbstzufriedenheit abschießen kann, heißt AfD.
Ich habe mich so lange gefragt, wie Hitler gewählt werden konnte. Jetzt weiß ich es. Man muß ein Volk nur lange genug frustrieren, dann wählt es geistig stabile Genies in jedes Amt, das zu vergeben ist.

Ich will nicht, daß an Sondierungsergebnissen festgehalten wird. Schon gar nicht, wenn Politiker der CxU das verlangen. Denn es gibt gar keine.
Das laut Andrea Nahles angeblich so hartnäckig verteidigte Rentenniveau von 48 Prozent bis 2025 stand schon vorher fest.
Die Bürgerversicherung wird mit keinem Wort erwähnt. Ging halt nicht.
Eine Abschaffung endloser Befristungen im Arbeitsleben wird nicht erwähnt.
Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes wird nicht erwähnt. Wobei die Verhandler der SPD den von 42 auf 45 Prozent anheben wollten. Für Verdiener ab 60.000 Euro. Eine reine Augenwischerei. Eiertanz fürs Volk.
Für solche Leute braucht man keinen Spitzensteuersatz. Den braucht man für Leute ab einer halben Million Euro aufwärts pro Jahr und Kapitalgewinnen. Natürlich laufen diese Leistungsträger dann alle weg, denn das Kapital ist ja ein scheues Reh.
Doch warum sollte das schlecht sein für das Land? Das Kapital kann man einfangen. Die Leute können dann ja trotzdem gehen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich nicht will, daß an diesen Sondierungsergebnissen festgehalten wird.

„Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind.”

Diesen Absatz. Denn er spuckt dem Sinn des Grundgesetzes in Artikel 38 ebenso ins Gesicht wie dem Prinzip der Demokratie.
Demokratie wurde von Leuten erfunden, die sich in einem Amphitheater hingestellt haben, umgeben von der auf sie herabschauenden Menge, und in offenen Diskussionen die Zuschauer und auch ihre Gegner mit der Qualität und dem Inhalt ihrer Argumente überzeugen mußten, um die Debatte zu gewinnen.
Alleine aus diesem Absatz spricht eine derartige Verachtung demokratischer Prinzipien, daß es mir die Sprache verschlägt.
Demokratie ist, wenn wir alle Diskussionen für vier Jahre mal eben wegwischen. Das kann ja wohl nicht euer Ernst sein!
Seid meiner tiefsten Verachtung versichert, ihr Koalitionäre, wenn das durchkommen sollte. Mit solchen Leuten koaliert man nicht, verehrte Reste der SPD.
Solche Leute läßt man im Regen stehen wie die undemokratischen Deppen, die sie sind. Egal, was die Medien schreiben oder was der Präsident sagt.
Soll Herr Steinmeier Frau Merkel dem Bundestag vorschlagen laut Art. 63 I GG – dann sehen wir, was weiter passiert. Das ist nämlich zufällig seine Aufgabe laut Verfassung.

Niemand stellt die richtige Frage. Die korrekte Frage lautet: Warum sollte die schwer angeschlagene ehemalige SPD der CDU und ihrer Kanzlerin, zu der diese Partei personell keinerlei Alternative hat, jetzt noch einmal für vier Jahre den Allerwertesten bedeckt halten?
Warum sollte die Zukunft des Landes dafür geopfert werden, daß wieder vier Jahre lang ein geistig stabiles Genie wie Dobrindt was von „linker Agenda” fantasieren kann und niemand aus der Menge medialer Jubelperser ruft, daß die Kaiserin recht nackt wirkt?

Wäre die SPD eine Krankheit, sie wäre Borderline-Syndrom mit akuter Todessehnsucht. Wenn dieser armselige Rest einer Partei sich in selbsthassender Erniedrigung jetzt noch einmal in eine Große Koalition begibt, ist es das Ende. Drittstärkste Partei hinter der AfD 2021. Vielleicht.
Und dieselben Medien, die die Partei jetzt da reingeschrieben haben, werden dann Krokodilstränen vergießen und die Hände in Unschuld waschen.
Verehrte Reste der SPD: Koaliert und sterbt, denn dann habt ihr es reichlich verdient.
Oder macht morgen einmal in eurem verpfuschten politischem Leben etwas richtig und laßt es sein mit dem ewigen Rumkoalieren. Wer zu viele große Koalitionen hinnimmt, kommt als Land zu kurz.

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