Bestimmung der Fallgeschwindigkeit

„It’s the end of the world as we know it
and I feel fine.”

R.E.M.

Großer Gott, was war das eine furchtbare Wahlnacht im November. Der Kandidat, von dem alle sich seit Monaten gefragt hatten, wie er überhaupt Kandidat für irgendwas werden konnte außer womöglich für Werbung für Zahnpasta oder Selbstbräuner, ging auf die Bühne, um seinen überwältigenden Wahlsieg gebührend zu feiern. Ausgerechnet dieser Typ, dem die meisten Kommentatoren jegliche Eignung für sein Amt abgesprochen hatten, stand als Sieger auf dem Treppchen des Präsidentenrennens.
Er hatte nicht gewonnen, weil er das bessere Programm hatte. Sein Sieg war vor allem auch Folge von sehr schwachem und wenig überzeugendem Auftreten seines Gegenspielers. Im Angebot des Gewinners befanden sich eigentlich nur Platitüden ohne Inhalt, reine Schlagworte. Irgendwas mit den Russen war gerne dabei. Und natürlich immer wieder dieses Gerede von Amerika als großer Nation, die unbedingt wieder ihrem Auftrag gerecht werden müsse, die freie Welt zu führen. Ob die freie Welt das will oder nicht, war dabei völlig egal. Und wohin genau man die führen solle, die freie Welt, das ließ der Kandidat auch offen und widersprach sich bei dieser Frage gerne selbst. Nach dem, was er so von sich gab, notfalls auch in den Abgrund.

Ein grinsender Schwachmat mit platten Sprüchen und eher mäßigem politischem Hintergrund hatte die Wahl gewonnen. Die Medien weltweit überschlugen sich vor Entsetzen. Wie hatte das nur passieren können? Dieser Mann sollte Amerika regieren? Und diese Frisur!
Niemand wußte, was sich daraus ergeben sollte. Auf keinen Fall etwas Gutes, denn der Kerl hatte einfach nichts drauf. Weder intelligent noch gebildet, im Grunde ein Typ vom Lande, der seine eigene Ignoranz gegenüber so ziemlich allem wie eine Monstranz vor sich her trug. Außerdem auch noch siebzig Jahre alt, nicht gerade ein junger und dynamischer Verwalter des einflußreichsten politischen Amtes des Planeten.
Ja, dieser 20. Januar 1980, an dem ein Mann namens Ronald Reagan seinen Amtseid ablegte auf den Stufen des Kapitols, war kein guter Tag für die weitere Entwicklung der Zivilisation.

Da sage noch einer, Geschichte wiederholt sich nicht. Wie bereits schon mehrfach festgestellt innerhalb dieser Blogzeilen: Doch, tut sie.
Ein Kreis ist ein nahezu perfektes Symbol für die Gesamtheit der menschlichen Historie. Oder eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, die Welt umgibt und sie somit zusammenhält.

Menschen sind gefangen in Narrativen. In Geschichten, die sie sich darüber erzählen, wie die Welt beschaffen ist. Wobei sie in Wahrheit sehr oft Geschichten darüber erzählen, wie die Welt beschaffen sein sollte, was einen Unterschied ausmacht.
Das ist die Art und Weise, wie Mensch die Welt begreift. Ihr Sinn verleiht, den sie oft im flüchtigen Hinsehen nicht zu haben scheint. Im Grunde genommen besteht menschliche Zivilisation aus Geschichten.
Das Narrativ von Fortschritt und Innovation hatte ich bereits ausführlich erwähnt. Dieses realitätsresistente Beharren auf der Überzeugung, daß irgendein sogenannter Fortschritt erstens ewig ist und zweitens immer Ergebnisse hervorbringt – und natürlich hervorbringen wird – die ausschließlich zu einer Verbesserung unserer Lebensumstände führen.
Unsere Eigenart, immer wieder von „Technologie” zu reden, obwohl wir doch so etwas gar nicht besitzen. Wir sind Bewohner der Technosphäre. Wir sind Einwohner von Mythopolis. Kein technologisch wirklich nützliches Dingsbums steht ohne ein Fundament aus anderen Dingen einfach so im Raum herum. Überall greifen Dinge ineinander, wie Zahnräder einer großen Maschine.
Ein Mann namens Lewis Mumford hat einmal ein Buch darüber geschrieben. Es heißt Mythos der Maschine. Das, was ich die Technosphäre getauft habe, und das, wovon diese wiederum nur ein Teil ist, nämlich unsere industrielle Zivilisation, hat Mumford in seinem Buch die Megamaschine genannt.

Diese Megamaschine verteilt nicht nur Güter, Dienstleistungen und Finanzkapital rund um den Planeten. Sie verteilt auch – nicht immer freiwillig – Information und Ideen zusammen mit dem Warenfluß. Sie verteilt besonders Ideen und Auffassungen darüber, wie die Welt denn so sein sollte, also das, was ich Narrative nenne. Manchmal beruhen diese Dinge auf Fakten, dann sind sie tatsächlich Information und beschreiben die Welt tatsächlich so, wie sie ist.
Oft sind es aber Ideen, Meinungen oder ähnliches. Dann sind sie Teil des Narrativs, also der Erzählung darüber, wie die Welt so sein sollte, und haben sehr häufig wenig mit Fakten zu tun. Ewiges Wachstum, von den Standardökonomen immer gern hochgehaltener Heiliger Gral, wäre ein solches Narrativ, ebenso wie die schon erwähnte „Technologie” oder „Innovation”.
Aber auch die Auffassung über politische Verwaltung ist ein solches Narrativ, also Dinge wie „Demokratie” oder „freie Marktwirtschaft” oder „Planwirtschaft”.
Die moderne Bezeichnung für Mumfords Megamaschine ist Globalisierung oder globaler Kapitalismus. Manche lassen das „global” einfach weg, weil sie davon ausgehen, daß Kapitalismus sowieso da vorherrschend ist, wo ihnen jemand zuhört, denn der ist ja überall, der Kapitalismus.
Ob das jetzt faktische Information ist oder auch Teil eines Narrativs, also einer Märchengeschichte für Erwachsene, ist manchmal schwer zu beurteilen. Streng wissenschaftlich halte ich es für ein Narrativ, denn ich bezweifle, das Buschmänner oder noch immer im Outback hausende Aborigines auf ihrem Walkabout unbedingt kapitalistisch geprägt sind.
Aus Sicht des kenianischen Bauern, des Londoner Derivatezockers, ganz besonders aus Sicht des CEO der kriminellen Vereinigung und selbst aus Sicht des Bloggers am Rande der Gesellschaft in seiner Bambushütte ist Kapitalismus allerdings sehr global. Demzufolge wäre die Auffassung des Kapitalismus als globales System also faktisch korrekt. Das es sich hierbei um das einzig denkbare System handelt, ist wiederum eine Meinung und als solche Teil des Narrativs. Denn begründet wird das üblicherweise damit, daß er ja noch da ist, der Kapitalismus. Nun ja, die Dinosaurier waren auch 200 Millionen Jahre lang da, ihr Aussterben hat diese Tatsache trotzdem nicht verhindern können.

Die Megamaschine ist nicht gerade fabrikneu. Identifiziert man sie mit Kapitalismus, dann ginge ihre Entstehung bis weit vor die Zeitrechnung zurück, als der erste persische Teppichhändler auf dem phönizischen Markt mit einer Handvoll Münzen Purpur einkaufte, statt mehrere Kamelkarawanen mit Silberbarren, Seide und Teppichen mit sich zu führen. Als Bezahlung. Zusätzlich zu den ein oder zwei Säckchen Edelsteinen, fürs Kleingeld.
Nimmt man den modernen Kapitalismus, dann wäre die Maschine etwa 250 Jahre alt, wenn man „modern” etwa mit Adam Smith beginnen lassen möchte.
Identifiziert man die Megamaschine mit einer Abstraktion wie „Globalisierung”, dann wäre sie etwa 500 Jahre alt. Denn mit der Entdeckung des amerikanischen Doppelkontinents begann das Zeitalter der Kolonialisierung, fortan sollte Europa für einige Jahrhunderte die Geschichte der Welt prägen.

Damals war es wie heute: Sehr wenige Menschen wurden sehr reich. Für andere bedeutete der Kontakt mit der Megamaschine Ausbeutung, Versklavung, Genozid, Plünderung von unersetzlichen Ressourcen und Zerstörung ihrer kulturellen Umgebung.
Die Grundlagen eines transnationalen Handels entstanden im 16. Jahrhundert aufwärts. Dazu entwickelte sich ein Finanzsystem, das ebenfalls über die Grenzen von Nationen hinweg funktionierte. Natürlich war so etwas wie Republik Venedig oder Mailand keine Nation im Sinne der heutigen Nationalstaaten. Diese Idee stammt aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Spanien oder England oder auch Portugal und die Niederlande waren allerdings durchaus bereits Nationen im modernen Sinne.
Sie alle stellten Infrastruktur zur Verfügung, beispielsweise Häfen und Schiffe, garantierten Eigentumsrechte – wenn auch meistens nur für die eigenen Piraten und Gauner – und verteidigten ihren Handel.

Egal, wann die Megamaschine genau zu ticken begann: Sie ist alt. Der TÜV ist längst abgelaufen.

Markt und Wirtschaft waren also niemals getrennte Dinge oder gar entgegengesetzte Kräfte, wie oft von heutigen Standardökonomen behauptet wird. Republikaner in den USA oder FDPLer und AfDler in Deutschland halten staatliche Eingriffe an sich ja immer für völlig sozialistisch, also schädlich. Außer es geht darum, die Banken zu retten. Staaten und die Wirtschaft an sich haben eine lange gemeinsame Entwicklung hinter sich, sie sind geprägt von gegenseitiger Abhängigkeit und sind ebenfalls Teil der größeren Struktur, die der Historiker Mumford die Megamaschine getauft hat.

Aber egal, wo genau man ansetzen möchte oder welchen Aspekt des Ganzen man jetzt beleuchtet, die Maschine ist eindeutig in die Jahre gekommen.
Diese Maschine gerät rund um uns herum mehr und mehr ins Stottern. Konnte man bisher dieses klappernde, schleifende oder klingelnde Geräusch noch übertönen, wird es in den letzten Monaten – eigentlich schon den letzten fünfzehn Jahren – erheblich lauter und ist nicht mehr so recht ignorierbar.

Für mich persönlich ergibt sich hier etwa der Unterschied zwischen dem Autofahrer, dessen Opel Corsa asthmatisch schnaufend an mir vorbeizieht und unter dessen Motorhaube ein gruseliges Rasseln und Pfeifen ertönt, welches befürchten läßt, daß sich das gesamte Getriebe beim nächsten Schaltvorgang als einziger durcheinanderwirbelnder Klumpatsch durch das Blech hindurch auf der Straße verteilen wird, und mir, der – ebenfalls manchmal asthmatisch schnaufend, aber glücklicherweise ohne dieses gruselige Rasseln – auf dem Radweg nebendran sein Gefährt muskelbetrieben Richtung Innenstadt treibt.
Der Autofahrer will das Geräusch gar nicht hören und deswegen hört er es auch nicht. Er weiß sehr wohl um das bereits etwas zurückliegende Datum seiner HU und ist eventuell gedanklich auch gerade damit beschäftigt, sich vom Rasseln und Schleifen nicht allzusehr vom Telefonieren ablenken zu lassen.
Aber auf keinen Fall kann es sich hierbei um etwas Ernsthaftes handeln, denn das Fahrzeug wird gebraucht. Für welchen Zweck auch immer, denn eigentlich stehen Autos 95 Prozent ihrer Lebenszeit dumm in der Gegend rum.
Und im Gegensatz zu Pferden kann man sie weder streicheln, noch vermehren sie sich wenigstens aus Langeweile zwischendurch selbst. Auch wenn man diesen Eindruck durchaus haben könnte. Aber eigentlich können diese Dinger nichts. Und während sie dann dumm rumstehen, kosten sie auch noch Geld. Für Steuern, Versicherung und die nächste HU, sofern die denn nicht das Todesurteil für Fahrzeug und auch Fahrer bedeutet, denn bei so manchem Mitbürger scheint der einzige Lebenszweck darin zu bestehen, das fossile Gefährt weiterhin füttern zu können.
Vielleicht, um damit zu einem Gebäude zu fahren, in dem Menschen dann Geld dafür bezahlen, auf einem Fahrrad in die Pedale zu trampeln, das sich gar nicht bewegt. Nicht nur Autos sind komisch. Menschen sind es auch.

Ich hingegen, der Typ außerhalb des Autos, komme absolut nicht drumherum, das Geräusch wahrzunehmen und mir in etwa das zu denken, was manchem Mediziner durch den Kopf geht, wenn er die die letzten Bilder von Patient X anschaut.
Man denke dabei an ausgedehnte Schatten auf dem Lungengewebe oder diesen Knubbel im Kopf, der fast so groß ist wie das restliche Gehirn, bei deren Anblick die innere Stimme des Heilers anerkennend durch die Zähne pfeift und dann sagt: „Meine Fresse, wie konnte der Typ eigentlich bis jetzt überleben?”
Dieser typisch wissende und unheilverkündende Ausdruck auf dem Gesicht des Assistenten von Gerichtsmediziner Quincy, dem Kerl namens Sam, der sieben Sekunden vorher von seinem Herrchen rausgeschickt wurde, um eine äußerst komplizierte Analyse durchzuführen, die in den siebziger Jahren entweder noch völlig unmöglich gewesen wäre oder Wochen gedauert hätte, und der jetzt seinem Chef die erschütternden Ergebnisse präsentiert.
Es gibt sicherlich ein Äquivalent dafür in den modernen Ablegern wie Medical Detectives oder so etwas, den pathologischen Supernerd am Computercluster vielleicht, aber ich bin seit einiger Zeit bereits kein Verfolger des Fernsehprogramms mehr.

Ich komme schon deswegen nicht drumherum, das besagte Geräusch wahrzunehmen, weil der verdammte Motor bei seiner spektakulären Selbstzerlegung womöglich auch mich erwischen könnte, falls der Moment seines Ablebens einen ungünstigen zeitlichen Zusammenhang mit dem Überholvorgang aufweisen sollte. Ich bin also in meiner Lage quasi darauf angewiesen, die Signale der Maschine nicht auf Teufel komm raus zu ignorieren.
Das ist der generelle Unterschied zwischen den Menschen, die Teil der Maschine sind und Bloggern in ihrer Bambushütte am Rande der Gesellschaft. Am Rande der Gesellschaft mag ich noch immer Teil der Maschine sein, aber ich bin mir darüber wenigstens im Klaren. Außerdem verschafft einem diese Randposition eine äußerst interessante Perspektive auf das Gewimmel des Wahnsinns, das wir so Alltag nennen.

Die Lebenswirklichkeit eines miesen Hedgefond-Zockers in London oder die des CEO einer kriminellen Vereinigung wie Goldman Sachs unterscheidet sich natürlich sehr deutlich von der eines Bauern in Kenia, eines Polizisten im Irak oder von meiner. Ich mag in einer Bambushütte leben, aber die Wahrscheinlichkeit, daß der Bambus Importware aus China ist, ist relativ hoch.
Der Londoner Derivate-Zocker haut sich massiv überteuerten Kaffee aus Pappbechern in die Rübe, der aus Kenia stammt. Das Holz für die Pappbecher kommt womöglich aus kanadischen Wäldern und der Konzern, der den Kaffee verteilt, sitzt in den USA und zahlt in Großbritannien noch weniger Steuern auf seine Einnahmen als der CEO von Goldman Sachs oder der Derivatezocker, der womöglich für Goldman arbeitet. Sowohl der Transport des Kaffees als auch meine Heizung werden womöglich mit Hilfe fossiler Brennstoffe ermöglicht, die durch eine Pipeline geflossen sind, die wiederum der unterbezahlte irakische Polizist bewacht, als Vertreter eines Staates, der eigentlich schon gar nicht mehr existiert.

So manche Wirtschaft ist zusammengebrochen in der Vergangenheit. Eigentlich alle, wenn man es genau nimmt. Wenig ist heute noch von der Wirtschaft eines babylonischen oder persischen Reichs zu finden.
Erstaunlicherweise wird aber trotzdem immer wieder von Experten jeglicher Art der Gedanke abgelehnt, daß derartige Dinge mit unserer Wirtschaft passieren könnten. Oder das Nationen verschwinden können oder sich auflösen. Immer hört man in solchen Zusammenhängen die Behauptung, daß eben heute alles anders ist. Bei uns ist Kernkraft sicher. Solche Dinge passieren bei uns nicht. Die Ägypter und Maya waren halt doof. Und hey – wir haben Technologie!

Bild 1: Manchmal gibt es Momente im Leben Kassandras, in denen sie selbst professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müßte. Aber meistens antworten psychologische Experten dann mit Dingen wie „Das ist alles nur Einbildung”. Vermutlich ist das für Psychologen ein ganz normales Verhalten.
Zeichnung prophetisch erstellt von Heiko Sakurai

Der Mythos des Fortschritts macht es uns unmöglich, in der Vergangenheit nachzuschauen, um herauszufinden, wie denn die Zukunft so werden könnte. Zumindest macht er uns unwillig, derartige Absurditäten in Betracht zu ziehen und ganz besonders die Menschen, die in unserer Gesellschaft gerne Anspruch auf die Führungsrollen erheben und diese ausüben. Meistens besteht die Qualifikation dieser Leute in wenig mehr als einem Diplom in irgendwelchen obskuren Dingen und der Tatsache, daß sie in ihrer Karriere beständig durch konformes Verhalten nach oben gereicht worden sind, sei es in einer Partei oder einem Konzern.
Manche von ihnen haben Konzerne gegründet und hatten das Glück, genug Dumme zu finden, mit denen sie irgendwie Geld verdienen konnten.
Wobei es heute bereits genügt, in Aussicht zu stellen, daß ein mit viel Glitzer bestreutes Geschäftsmodell eventuell irgendwann einmal Geld abwerfen könnte, weshalb derartige Konzepte auch Einhörner genannt werden im Börsenjargon.
Das hindert aber manche Leute nicht daran, mit entsprechenden Börsengängen in zweistelliger Milliardenhöhe selber unfaßbar reich zu werden und sich danach bei den Magratheanern einen eigenen Planeten bestellen zu können.
Die wertvollsten Unternehmen dieses Planeten sind Apple, Google, Facebook, Microsoft, Amazon und zwischendrin ein paar Banken wie JP Morgan oder Erdölriesen wie Exxon Mobil.
Virtuelles Geld und fossile Brennstoffe. Dazu Firmen, bei denen ich mir immer vorstelle, was sie denn wert sind, wenn mal drei Tage der Strom ausfallen sollte in unserer grandiosen Zivilisation. Oder allgemein weniger und weniger Energie vorhanden ist im Laufe der Jahre. Abwegige Spekulation natürlich, ich weiß.

Je mehr scheinbaren Erfolg der sinnlose Versuch einer „grünen Ökonomie”, angetrieben mit regenerativen Energien, für sich verbuchen kann, je mehr die Windmühlen und Solaranlagen den Niedergang unserer Zivilisation hinauszögern, desto mieser entwickelt sich die Nachfrage nach Öl oder anderem fossilen Zeug. Was also geschieht mit diesen Energieriesen?
Der CEO von Exxon, Rex Tillerson, verläßt das Unternehmen in einem Moment, in dem es immer mehr Schulden aufhäuft, so wie die ganze Branche es tut, denn Fracking ist teuer, immer noch. Als neuer US-Außenminister kann er demnächst mit Putin über diese Probleme reden, der dürfte die nämlich kennen.
Die Profite der Ölriesen sind dahingeschmolzen wie Inlandeis auf Grönland, bis es keine mehr gab. Exxon Mobil ist ein Unternehmen am Rande der Pleite. In Deutschland versuchen die ehemaligen Beherrscher der Energieszene verzweifelt, ihre teure Verantwortung für den nuklearen Strom auf den Steuerzahler abzuschieben und begründen das damit, daß sie ja gar kein Geld hätten, um diese Dinge alle zu bezahlen. Wie immer werden erst die Gewinne gemacht, die Verluste anschließend sozialisiert.
Globalisierte Ausbeutung muß nicht von Einzelpersonen gegen andere Einzelpersonen erfolgen. In unsererem Jahrhundert sind es Konzerne, die Gesellschaften ausbeuten. Funktioniert auch.

Doch gemäß des Narrativs ist es unmöglich, daß unsere Technologie, die es gar nicht gibt, womöglich Teil unseres Untergangs ist. Selbst wenn Politiker und Standardökonomen zugeben, daß andere Zivilisationen schon den Bach runtergegangen sind, wird diese Möglichkeit für unsere in Bausch und Bogen abgelehnt. Wir sind innovativ. Diesmal ist alles anders.
Das ist stellenweise sogar eine Behauptung, die nicht ganz falsch ist. Allerdings ändert sie nichts an der Tatsache, daß wir eben denselben Gesetzen unterliegen wie andere vor uns auch schon.

Im ersten und zweiten Jahrhundert ndZ hätten die Römer allen Grund gehabt, an das ewige Bestehen ihrer Art, die Dinge zu regeln, zu glauben. Seit Jahrhunderten beherrschte der Marschtritt der Legionen die Welt – zumindest die für die Römer wichtige des Mittelmeerraums – und ein römischer Schriftsteller schrieb im ersten Jahrhundert, daß selbst der niederste Angehörige der römischen Plebs sich für wenige Kupfermünzen ein Gepränge leisten könne, das die meisten Könige Kleinasiens erblassen ließe.
Es ist mir entfallen, welcher Schriftsteller, aber da er sich auf die Kämpfe im Kolosseum bezog und dieses etwa um 80 ndZ fertiggestellt wurde, könnte es Sueton gewesen sein oder Tacitus. Vielleicht Marc Aurel, der alte Philosophenkaiser.
Jedenfalls deutete nichts darauf hin, daß das Römische Imperium im dritten Jahrhundert von 27 offiziellen Kaisern regiert werden sollte. Dabei sind die Herrscher des Gallischen Imperiums mitgezählt, die ganzen Mitkaiser, Nebenkaiser und Gegenkaiser allerdings nicht, denn damit stiege die Zahl auf über fünfzig. Alleine die Idee mehrerer Kaiser oder eines Gallien, das unabhängig sein soll, wäre einem Tacitus völlig absurd erschienen.

Trotz all dieses Durcheinanders brauchte Rom noch mehrere Jahrhunderte, bis es dann schließlich endgültig historisch den Löffel abgab. Erst wurde alles wiedervereinigt, dann ganz offiziell aufgeteilt, dann von immer mehr Barbaren erobert, dann geplündert und schließlich war irgendwann Feierabend.
In Byzanz, oder besser, im Byzantinischen Reich, ging die Geschichte noch eine ganze Weile weiter. Aber auch hier schrumpfte das Reich und dehnte sich dann wieder aus, auf einer Landkarte im Zeitraffer sieht Byzanz aus wie eine Amöbe beim Mittagessen.
Gute Kaiser folgten schlechten, fähige den unfähigen und oft auch umgedreht. Irgendein Papst trat Kreuzzüge los, es gab verheerende militärische Niederlagen für Byzanz – auch so eine Konstante, die sich durch den Untergang großer Zivilisationen zieht. Auf einen ersten und zweiten Kreuzzug folgte irgendwann auch ein vierter und dessen Beteiligte plünderten dann 1204 ndZ die Stadt Konstantinopel, weil die Republik Venedig da noch eine Rechnung offen hatte und es eben ging.
Dieses Ereignis schubste das östliche Restimperium endgültig in den Abgrund, aber bis zum offiziellen Feierabend dauerte es noch einmal ein Vierteljahrtausend, denn der kam erst 1453, als Mehmed II. die verdammte Stadt mit ihren verdammten Mauern endlich erobern konnte und aus der Hauptkirche der christlichen Mystiker, der Hagia Sophia, erst mal direkt eine Moschee machte.
Danach herrschte endlich Ruhe und die Stadt blühte in wenigen Jahrzehnten wieder zu neuer Größe auf. Die Stadt ist auch heute noch da. Ebenso wie die Stadt Rom. Nur ihre Imperien sind im Staub der Geschichte versackt.

Im Jahre 1989 feierten zwei deutsche Staaten ihren vierzigsten Geburtstag. Etwas später war einer davon offiziell von der Landkarte Europas verschwunden. Ein Ereignis, mit dem keiner so recht gerechnet hatte. Niemand war davon überraschter als die Politiker, die die Konkursmasse des anderen deutschen Staates plötzlich übernehmen sollten.
Trotzdem hätte keine Sau auch nur andeutungsweise damit gerechnet, daß ein Mann namens Gorbatschow im Dezember 1991 die Auflösung der Sowjetunion verkünden würde, wirksam zum 1. Januar 1992, bitte unterschreiben sie unten rechts, wir bitten von Trauerbekundungen am Grab abzusehen.
Das größte und mächtigste Imperium des Planeten hatte sich sang- und klanglos aufgelöst. Weder Technologie noch Militär konnten das sowjetische Imperium retten. Auch das britische Empire war zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte, auch wenn manche Briten das bis heute nicht einsehen wollen.
So wie viele Russen übrigens auch. Jedenfalls diejenigen, die die Kollapsjahre nach der Sowjetunion überstanden haben und sich nicht mit aus Maschinenöl gebrannten Vodka die Leber weggeätzt haben.

Das Zivilisationen untergehen, ist längst erwiesen. Aber wie genau geht das eigentlich vor sich? Wie schnell fallen Zivilisationen?

Ich hatte schon einmal andeutungsweise erwähnt, daß es für eine Gesellschaft psychologische Folgen geben muß, wenn diese sich massiv verändert. Wobei Veränderung eben auch oft in Untergang mündet und dann eine Zivilisation durch eine andere ersetzt werden kann. Ich glaube, das war letzte Woche.
Selbst bei einem recht flüchtigen Blick wird also klar, daß Staaten sehr wohl verschwinden können.
Wirtschaften können untergehen, große politische Verbände sich auflösen, manchmal über Nacht. Nicht immer brauchen sie dafür mehrere Jahrhunderte.
Die Dynamik des Prozesses liegt mehr irgendwo zwischen rheumatischer Schildkröte und Speedy Gonzalez.

Es ergibt sich die interessante Frage, wie hoch eigentlich die Fallgeschwindigkeit einer Zivilisation ist, wenn sie stürzt.
In klarer mathematischer Ausdrucksweise würde ich einmal folgende Hypothese aufstellen: Je schräger das Brett, desto schneller das Ssst, desto eher der Bumms.
Anders gesagt: Je komplexer ein System ist, desto schneller kann es zu einem völligen Versagen kommen.
Nicht etwa, weil das gesamte System gleichzeitig versagt. Es genügt, wenn eine kritische Komponente sich falsch verhält. Sie muß dabei nicht einmal versagen, also ihre Funktion völlig einstellen.
Es genügt, wenn sie die ihr zugewiesene Bandbreite an Parametern verläßt, sei es nach oben oder nach unten. Passiert das, wird sich diese Störung innerhalb des Systems fortpflanzen und dabei verstärken. Es entsteht quasi eine Art Resonanzreaktion.
Letztendlich erreicht diese Resonanz entweder eine Amplitude oder eine Frequenz, die das gesamte System binnen kurzer Zeit zum Erliegen bringt, um im Bild zu bleiben. Versagt die entsprechende Komponente, entsteht dasselbe Phänomen, nur eben schneller und mit massiveren Folgen.

Wenn der pH-Wert unseres Blutes von seiner Parameterbandbreite nur minimal abweicht, sei es nach oben oder unten, sind die Folgen für den menschlichen Besitzer des Blutes extrem unangenehm und können sehr wohl einen völligen Existenzausfall zur Folge haben.
Eine als unbeachtlich definierte Leckage an einem Dichtungsring kann dazu führen, daß ein Raumfahrzeug samt Besatzung explodiert.
Eine Speicheradresse, die nicht existiert und von einem Binärsystem trotzdem angesprungen wird, weil es sich eine digitale Erkältung zugezogen hat, kann zum Zusammenbruch der Luftraumkontrolle führen. Zum Ausfall eines Stromnetzes mitten im Winter.

Keine Zivilisation war jemals komplexer als unsere aktuelle. Auch die bereits globalisierte Version Anfang des 20. Jahrhunderts nicht.
Denn die damalige Variante der Globalisierung, quasi das ältere Modell der Megamaschine, war wesentlich weniger abhängig von fossilen Brennstoffen für alle möglichen Zwecke. Sie war auch bei weitem nicht so abhängig von elektrischer Energie.
Kaum ein Haushalt in den USA im Jahre 1917, der 1.000 Meilen von New York und Chicago entfernt war, hatte einen Stromanschluß. Pferde auf den Feldern statt Traktoren. Irgendwo mochten ölbefeuerte Kriegsschiffe ihre Bahn über den Ozean ziehen und auch kohlebefeuerte Dampfschiffe Waren über den Atlantik bringen. Aber was man brauchte, wurde meist noch immer vor Ort produziert. Aus Rohstoffen, die ebenfalls vor Ort produziert wurden. Niemand wäre auf die Idee gekommen, das Auffüllen seines Lebensmittellagers von der Reisernte in Indien abhängig zu machen oder der Produktion irgendeiner Fabrik in China.

Je komplexer etwas ist, desto weitreichender sind die Folgen, wenn ein wichtiger, tief im System verankerter Faktor versagt. In einem neuralen System wird die Aktivität eingestellt, mit endgültigen Folgen für den Besitzer desselben.
In einem Computernetzwerk entsteht ein Kaskadenversagen. In einem Zivilisationssystem kommt die Megamaschine zum Stillstand. Und ihre eben noch schwungvoll bewegten Zahnräder verteilen sich in einem einzigen Durcheinander in der Gegend wie das gequälte Getriebe des altersschwachen fossilen Fahrzeugs, das an mir vorbeifährt. Was dann oft mit weiteren Kollateralschäden verbunden ist.
Je komplexer also ein System ist, desto unflexibler und empfindlicher wird es erstaunlicherweise auch. Seine Fähigkeit, eine versagende Komponente zu umgehen oder zu ersetzen, läßt immer mehr nach oder verschwindet ganz. Die Effizienz, von der Standardökonomen immer reden, bedeutet in Wahrheit, daß die Widerstandskraft unserer Zivilisation immer mehr nachläßt.
Es mag theoretisch effizient sein, alles Getreide in einer Gegend der Erde anzubauen. Aber was ist, wenn man es von da nicht mehr weg bekommt? Oder wenn sich alle Halme eine tödliche Pest einfangen? Dumme Sache.

Zunehmende Komplexität bedeutet also nachlassende Widerstandsfähigkeit bei gleichzeitiger Erhöhung der Anfälligkeit. Eine Kombination, die, diplomatisch ausgedrückt, äußerst ungünstig erscheint.
Fügt man nun noch den Faktor hinzu, daß eine Gesellschaft auf stärker sichtbare Probleme immer mit einer Zunahme der Komplexität reagiert, wird die Gleichung allmählich bereits gruselig (Joseph Tainter, Collapse of complex societies).
Wenn man jetzt noch in die Überlegungen mit einbezieht, daß auch hier das Gesetz des abnehmenden Ertrags wirkt, also irgendwann eine weitere Schicht Komplexität der Gesellschaft nichts mehr nützt, sondern ihr sogar aktiv schadet, möchte man die mathematische Formulierung schon gar nicht mehr sehen müssen.

Bild 2: Außerhalb von Politik und Wirtschaft haben Menschen schon durchaus begriffen, wohin die Reise so gehen wird. Nur wird es dadurch nicht unbedingt angenehmer, dem Affenhaus der Politik zuschauen zu müssen. Leichter wird es ohnehin nicht.
Zeichnung mit spitzer Feder von Thomas Plaßmann

Auch hierfür sind Beispiele vorhanden. Es ergibt keinen Sinn, in ein Rentensystem immer mehr Geld hineinzuwerfen und immer mehr gesetzliche Regelungen zu treffen, um Menschen dazu zu animieren, doch bitte mehr Kinder zu kriegen. Adenauer soll ja gesagt haben: „Kinder kriegense immer.”
Ist nur blöd, wenn diese Prämisse eben nicht mehr stimmt. Dann könnte man auf die Idee kommen, diese Prämisse zu modifizieren und zu sagen: „Kinder kriegense oder auch nicht.”
Um sich danach hinzusetzen und ein System zu erdenken, in dem der sogenannte „demographische Faktor” eben keine Rolle mehr spielt. Man kann natürlich auch mehr Gesetze erlassen und weiter reformieren, damit sich nichts verändert und sich anschließend wundern, daß die Realität von der Tätigkeit der Politik recht unbeeindruckt erscheint.
In leichtem Anflug von Zynismus müßte ich nicht lange raten, welche Lösung die Politik in Deutschland denn wählen würde. Oder in den USA. Oder sonst wo. Warum sollte man was anders machen, das schon vorher ein dutzend Mal nicht geklappt hat?

Auch wenn es in einem Gesundheitssystem Probleme gibt, sucht man nicht etwa nach Systemfehlern. Das wäre ja vermessen. Nein, man führt beispielsweise eine Praxisgebühr ein und danach über zehn, zwanzig Jahre noch ein paar Jahrhundertreformen durch, um dann festzustellen, daß die schwachsinnige Gebühr ja mehr kostet als sie einbringt. Während der ganzen Zeit wettert man natürlich gegen eine Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland, während man einer Partei angehört, die die gesetzlichen Krankenkassen gerne abschaffen möchte.
Dabei gäbe es selbst dann noch eine Zwei-Klassen-Medizin, nämlich diejenigen, die sich den Arztbesuch noch leisten können und alle anderen. Man blicke in die USA.
Dann schafft man die Praxisgebühr wieder ab und erwartet, dafür vom Wähler frenetisch als Wohltäter gefeiert zu werden.
Man könnte auch erst das Rentensystem bis auf die Grundmauern schleifen, denn wir müssen da unbedingt sparen, wegen des demographischen Faktors. Anschließend spachtelt man mit einem unzureichenden Mindestlohn drüber, nachdem ein Dutzend Studien seltsamerweise zu dem Ergebnis kommen, daß viele Arbeitnehmer in den nächsten dreißig Jahren als Rentner arm sein werden.
Dann beschwert man sich lautstark, weil der Wähler einen für diesen Mindestlohn, den man selber notwendig gemacht hat, nicht als Retter des kleinen Mannes ins Kanzleramt wählen möchte.
Gerade in der Politik wird die völlige Unfähigkeit und Unwilligkeit zu vernetztem Denken immer wieder schön offenbart. Überall findet sich der typische Denkansatz untergehender Zivilisationen: Systeme versagen niemals. Es muß an was anderem liegen. Kinder kriegense immer.

Die Fallgeschwindigkeit einer Zivilisation läßt sich nicht exakt bestimmen. Aber je komplexer und größer sie ist, desto steiler dürfte die Kurve auf der fallenden Seite werden. Zumindest ist das meine Hypothese.
Nun ja – größer als der globalisierte Kapitalismus, als Mumfords Megamaschine, kann eine Zivilisation auf diesem Planeten nicht werden, denke ich.
Von den Menschen, die überhaupt in solche Richtungen denken, gehen viele derzeit davon aus, daß ein Niedergang überhaupt nicht erfolgen wird. Wir müssen eben das System umbauen. Grüne Technologie wird uns retten.
Andere gehen davon aus, daß ein Niedergang erfolgen wird, aber wir es mit einer Kurve zu tun haben, die rechts vom Scheitelpunkt genau so verläuft wie links davon, daß also Aufstieg und Abstieg symmetrisch sind. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Man steigt immer schneller von einem Berg wieder ab, als man heraufgeklettert ist.

Alles alte Kamellen. Schnee von gestern. Unserer Zivilisation kann so was nicht passieren. Ich bezweifle diese Behauptungen ganz eindeutig. Ich habe dafür sogar Gründe.

Aber natürlich ist heutzutage alles anders.
In Mexiko sind zum 1. Januar des Jahres die Spritpreise um 20 Prozent angehoben worden, was zu massiven Protesten geführt hat. Menschen sind tot, Geschäfte geplündert und die Unternehmen rufen nach der Armee.
Die Benzinpreise sind dabei nur der berühmte Tropfen im sprichwörtlichen Faß in einem Land, dessen Ölquellen ihren Förderhöhepunkt bereits seit geraumer Zeit überschritten haben, dessen Währung deutlich verfällt, dessen Politiker sich in massiver Korruption suhlen und das die längste Grenze eines Schwellenlandes zu einem Industriestaat hat, die es auf unserem Planeten gibt.
Denn die Mexikaner hatten schon einmal das Problem, daß sie sich selber das Maismehl für Tortillas nicht mehr leisten konnten. Das war um 2007, einem Zeitpunkt, an dem die Ölpreise deutlich zu steigen begannen.
Was wiederum zu vermehrtem Anbau von Mais führte – für „Biosprit”, nicht zur Ernährung. In einem gewissen Nachbarland führte dieser Anstieg der Preise etwas später zu dem, was man dann „Immobilienkrise” taufte und was uns heute noch begleitet, inzwischen mehrfach umgetauft.
Die Mexikaner wissen also genau, wenn der Spritpreis steigt, wird bald auch alles andere deutlich teurer werden. Denn damit wird auch für alle Firmen alles teurer, was sie transportieren. Diese Kosten gehen natürlich an die Endkunden weiter.

In einem Land wie Venezuela ist man schon deutlich weiter auf dem Sturz nach unten. Nachdem die Ölpreise gefallen waren, leerte sich die Staatskasse zunehmend. Und ein Mann namens Chavez war zwar klug genug, sich die Ölmilliarden nicht ausschließlich in die eigene Tasche zu wirtschaften, sondern auch etwas für Land und Leute zu tun. Doch Schulen und Straßen und Kanalisation sind zwar wichtig, aber nicht entscheidend wichtig für ein Land, das gute 80 Prozent seiner Nahrung importieren muß. Da hätte man besser an anderer Stelle für Änderungen gesorgt.
Es hilft auch nichts, wenn man die wichtigste Banknote des Landes für ungültig erklärt, bevor die neuen Scheine da sind. Die wiederum möchte die Regierung ausgeben, um über die galoppierende Inflation im Land hinwegzutäuschen.
Während in Europa der 500-Euro-Schein abgeschafft wird, mit fadenscheinigen Begründungen, sollen die Venezolaner demnächst als kleinsten Schein einen 500er benutzen.
Gedruckt wird das neue Geld allerdings im Ausland und aus völlig unerfindlichen Gründen haben die entsprechenden Druckereien da wohl auf Vorkasse bestanden. Der aktuelle Präsident Maduro spricht natürlich von „Sabotage”.

In Saudi-Arabien hingegen importieren sie vermutlich 100 Prozent aller Lebensmittel. Ich kann mit nämlich nicht vorstellen, daß in der Wüste außer Sandflöhen etwas wächst. Allerdings kann sich dieses Land noch problemlos erlauben, seine Rechnungen zu bezahlen. Noch.
Am Beispiel Mexikos kann man aber sehr wohl erkennen, was dieser Region bevorstehen könnte, wenn das Öl entweder zu billig bleibt, um Investitionen zu fördern, oder zu teuer wird, um die Preise durch massive Subventionen moderat zu halten. Im ersten Fall bricht der Staatshaushalt irgendwann weg, was zu Kürzungen führt und zu Unruhen – das gab es bereits in Saudi-Arabien.
Im zweiten Fall hat der Staat zwar Einnahmen und kann weiter subventionieren, muß aber auch mehr berappen für seine Nahrungsimporte. Was wiederum woanders zu Unruhen führen kann, nämlich bei den Verlieren des malthusianischen Bieterwettbewerbs.
Insgesamt will selbst Saudi-Arabien sich vom Öl verabschieden. Mittelfristig, wie es heißt. Was in mir die Frage aufkommen läßt, wie das denn funktionieren sollte und wie viel Öl denn noch da sein kann, wenn es schon so weit ist. Vermutlich wüßte der ehemalige CEO von Exxon das auch gerne, dann wüßte er nämlich, wann seine alte Firma den Bach runtergehen wird.

Der Sturz unserer Zivilisation hat bereits begonnen. In schwächeren Ländern verläuft er schneller als in den stärkeren, er wird schneller offensichtlich. Er nimmt unterschiedliche Formen an. Die einen protestieren gegen zu teure Nahrungsmittel, andere verlieren ihr Haus, weil ganz urplötzlich und völlig unerwartet die Immobilienpreise zu fallen beginnen. Die einen demonstrieren gleich noch für mehr Demokratie, im Erfinderland Griechenland wird diese auf Anordnung von oben abgeschafft, weil das sonst den permanenten Geldfluß an Zombiebanken behindern könnte.
Einzelne Nationen haben ihre individuelle Sturzhöhe und ihren individuellen Widerstandswert, ihre eigene Resilienz. Aber insgesamt reagieren Gruppen von Menschen auf ähnliche Rahmenbedingungen gleich und somit auch Nationen. Denn die bestehen aus Gruppen von Menschen. Nichts ist heute anders.
Die Bestimmung der Fallgeschwindigkeit wird für unsere Gesamtzivilisation keinen genauen Wert ergeben. Schließlich arbeiten Nationen auch noch zusammen oder sind voneinander abhängig, nicht unbedingt in dieser Gewichtung.

Doch in meinen Ohren kann ich das Rauschen des Fallwindes bereits deutlich hören. Es ist wie dieses Geräusch aus dem Auto, das an mir vorbeifährt. Das asthmatische Rasseln der Megamaschine.

 

 

Das Beitragsbild ist eine Street Art von Blu

9 Comments

    1. Dankeschön. Das freut mich, denn genau das ist der Sinn und Zweck des Ganzen. Wenn es einen Sinn gibt, ich bin mir da manchmal nicht wirklich sicher 😉

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  1. virtuelle Milliarden.. ja.. ganz ehrlich? Ich kapiere es einfach nicht. Ich begreife nicht, wo diese aufgeblähten Zahlen auf dem virtuellen Papier herkommen, ich finde sie ziemlich inflationär und frage mich, wie ein ‘Unternehmen’, dessen einziger ‘Besitz’ in zigtausenden von ‘Kunden’daten besteht, einen ‘Wert’ haben kann, der auch noch gehandelt wird. Und steigt. Vor allem Kundendaten, auf deren Grundlage Werbung gemacht wird für eben diese Leute. Ähm. Ja. Und? Welchen ‘Wert’ hat das? Genauso wenig, wie ich begreife, auf welcher Berechnunngsgrundlage die Boni für diverse Vorstandsvorsitzende beredchnet werden.. Eine Bonus, sprich Zusatzzahlung, die ausreichen würde, um 3 Menschen 70 Jahre lange von der Wiege (fast) bis zur Bahre mit 3000 € jeden Monat zu versorgen. Für eine einzige Person? Wtf? Bin ich wirklich zu dämlich oder gibt es da nichts zu begreifen? Oder ist die einzige Grundlage die: weil sie es können? *Kopfschüttel* und dann preist man die Erhöhung des Kindergeldes um 10 € Im Monat mit den Worten an: um Familien in die Lage zu versetzen, keine Zusatzzahlungen mehr zu benötigen. Irgendwo – irgendwie irgendwann haben sich da die Verhältnisse ziemlich schräg verschoben, mal sehen, wie lange das Gebilde so noch steht.. ich glaub, der Schiefe Turm von Pisa steht im Vergleich dazu wie ‘ne Eins…

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    1. Bin ich wirklich zu dämlich oder gibt es da nichts zu begreifen?

      Die Antworten lauten ‘Nein’ und ‘Nein’.

      “Weil sie es können” ist schon mal keins chlechter Ansatz.
      Ruft man sich jetzt in den Hinterkopf, daß unsere grandiose Wirtschaftstheorie sich dem Dogma des Ewigen Wachstums verschrieben hat, kommt etwas Licht in die Sache. Denn nur ewiger – und stetig steigender – Kinsum könnte dies ermöglichen. Zumindest in den Köpfen von Ökonomen und Marketing-Fuzzis. Urplötzlich haben virtuelle Daten einen Wert. Der wird natürlich künstlich hochgejubelt, aber irgendwer muß ja ganz oben ganz reich werden. Mit Wahrheit kommt man da nicht weit.

      Irgendwo – irgendwie irgendwann haben sich da die Verhältnisse ziemlich schräg verschoben, mal sehen, wie lange das Gebilde so noch steht.. ich glaub, der Schiefe Turm von Pisa steht im Vergleich dazu wie ’ne Eins…

      Yep. DAs “irgendwann” kann man etwa auf den BEginn der 70er, spätestens 80er Jahre legen. Ab da wird es gruselig.

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  2. Ich lese Kassandras Meinung so gerne weil sie in die gleiche Richtung geht wie die meine ohne deckungsgleich zu sein. Ich erkläre mir dies aus der komplett anderen Perspektive, die wir haben.
    Schließlich bin ich als königlich Belgischer Ministerialbeamter ganz zweifellos ein Teil des Systems und auch noch relativ mittendrin (auch wenn ich im Verkehrministerium nicht gerade an den Schalthebeln der harten Macht sitze) stehe ich mitnichten an der Periferie wie der Autor.

    Aus meiner Perspektive sehe ich, dass sehr viele Leute gerade innerhalb des Apparats spüren und wissen, dass das Auto gerade am verrecken ist, aber man zieht vielfach die falschen Schlüsse. Wir hatten letzte Woche den Neujahrsempfang des Ministeriums (eine der wenigen ‘Vergünstigungen’ die man noch nicht einkassiert hat – vermutlich weil es eine der Fotogelegenheiten ist wo sich der Herr Minister mal so richtig ‘produzieren’ kann). Man kommt während eines solchen Empfangs wenn man so ‘unter sich’ ist herrlich mit den Kollegen ins Gespräch… und ich muss sagen dass ich Erschrocken bin von den Dingen die ich zu hören bekommen habe.

    Ich bin Belgier – ich habe keinen besonderen Hang zum Alarmismus und deutscher Angstneurose. Die Sätze erinnerten mich an die letzten Tage von Weimar. Meine Kollegen begegnen der ‘Polititik’ mit der gleichen Geringschätzung wie die Politik dem Beamtenapparat. Man sieht den Sinn von Opposition die nichts anderes kann als blöde Fragen im Parlement zu stellen die man durch eine einfache Zeitungsleküre selbst beantworten könnte.
    Man erkennt den Sinn auch nicht mehr in der Mehrheit. Weder die Leute im Ministerkabinett noch die Leute in der Parlamentarischen Mehrheit verwertbare Arbeit leisten, denn in Fachfragen bleibt die echte Arbeit doch bei uns hängen. Die Politiker heimsen das Lob für Gutes ein und schieben uns die Verantwortung zu wenn etwas verbockt wurde. Ein großteil des Beamtenapparats hat mit der parlamentarischen Demokratie abgeschlossen.

    Mit anderen Worten. Das Getriebe denkt es geht auch ohne (oder mit einem anderen Motor.
    Während das Parlament (Motor) denkt dass statt eines 6-Gang-Getriebes doch auch ein 3-Gang es auch tut. Der Motor dachte in der Vergangenheit übrigens auch an den Rändern (Polizei, Militär, Verwaltung) sparen zu können bis der Wagen eckig lief.

    Und was sagen die Passagiere? Die beschweren sich vor allem über die Unterhaltskosten des Autos. Vermutlich weil gerade die Passagiere auf den besten Plätzen mit den dicksten Brieftaschen in den 90gern beschlossen haben das Auto verecken zu lassen um später alleine Taxi fahren zu können.

    Das Problem ist m.E. dass niemand mehr das Auto als ganzes sieht sondern jedes Teil seine eigene Lösung hat.
    Das erinnert mich ein Wenig an den Konflikt zwischen den Parlementen und König Ludwig dem XVI von Frankreich. Dieser konflikt zwischen den zwei Seiten des Ancien Régimes der im kurzfristigen Triumf der Parlemente mündete vernichtete letztendlich das gesamte Régime und machte den Weg frei für den Terror.

    Wer würde heutzutage aufstehen die alte Ordnung zu verteidigen? Polizei, Militär, Bemtenschaft? So vernachlässigt wie sie sich fühlen vermutlich nicht.
    Die überalterten Parteien? Die Kirchen?!

    Die neue Volksbewegungen auf Facebook etwa. Man verhindert einen Putsch nicht mit verdammten Faceboolikes!

    Der Bau ist ziemlich mürbe. Es ist ein Glück und ein kleines Wunder, dass noch kein Trump, Orban, Erdogan,… aufgetaucht ist um das morsche Haus zum Einsturz zu bringen.

    Ich fürchte, dass es finster aussieht.

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    1. Aus meiner Perspektive sehe ich, dass sehr viele Leute gerade innerhalb des Apparats spüren und wissen, dass das Auto gerade am verrecken ist, aber man zieht vielfach die falschen Schlüsse.

      Das ist nicht anders als das, was ich so sehe.

      Meine Kollegen begegnen der ‚Polititik‘ mit der gleichen Geringschätzung wie die Politik dem Beamtenapparat

      Stimmt. Ein typisches Symptm in untergehenden Gesellschaften. Allerdings ändert auch der Beamtenapparat nichts. Man wurtstelt weiter vor sich hin. Hat man ja schon immer so gemacht.

      Und was sagen die Passagiere? Die beschweren sich vor allem über die Unterhaltskosten des Autos. Vermutlich weil gerade die Passagiere auf den besten Plätzen mit den dicksten Brieftaschen in den 90gern beschlossen haben das Auto verecken zu lassen um später alleine Taxi fahren zu können.

      …allerdings erst, nmachdem alle Taxifahrer nach Bulgarien ausgelagert worden sind 😀

      Das erinnert mich ein Wenig an den Konflikt zwischen den Parlementen und König Ludwig dem XVI von Frankreich. Dieser konflikt zwischen den zwei Seiten des Ancien Régimes der im kurzfristigen Triumf der Parlemente mündete vernichtete letztendlich das gesamte Régime und machte den Weg frei für den Terror.

      Das paßt als Beschreibung der Situation ebenso gut wie Weimarer Zeiten. Exakt an dem Punkt sind wir.

      Wer würde heutzutage aufstehen die alte Ordnung zu verteidigen?

      Die entscheidende Frage ist am Ende immer: Warum sollte das jemand tun?

      Ich fürchte, dass es finster aussieht.

      Etwa wie in in einer Tropfsteinhöhle.

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  3. Überläufer aus den königlichen Ministerien. Wird langsam voll in der Bambushütte.
    Wo der Herr gerade hier ist: wird eigentlich der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor in Belgien diskutiert? Und wenn ja; wie sieht die geballte Fachkompetenz die Frage?

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  4. Schön geschrieben übrigens.
    Das wir uns in einer “Zwischenzeit” befinden, lese, und höre ich überall immer wieder. Ist ja nun Schnurz ob “Zwischenzeit” oder “Sturz”, jedenfalls passiert gerade etwas. Ich befürchte spätere Historiker werden es den Kollaps der Massengesellschaft nennen.
    Für nähere Informationen, Rat und Unterstützung wenden wir uns an die Prepper:
    http://www.prepper-gemeinschaft.de

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    1. Ich befürchte spätere Historiker werden es den Kollaps der Massengesellschaft nennen.

      Oder auch “Das Ende der Idioten”. Falls es später noch Historiker gibt. Manchmal – in sehr dunklen Momenten – habe ich da meine Zweifel.

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