Die geheimen Folterdrohnen der Demokratie

Seit einer Woche ist der Zerfall des Demokratischen, der zumindest einen kleinen Teil unserer Gesellschaft beschäftigt und besorgt, in eine völlig neue Phase eingetreten. Die Erbsenpistole der Demokratie, das Spiegel-Magazin, kommt mit einem groß angelegten Enthüllungsartikel daher, in dem es um die Killerdrohnen der USA geht.

Tatsächlich sind die Vorwürfe, daß die alltäglichen Todesaktionen in Pakistan oder Afghanistan von Deutschland aus gesteuert werden, eigentlich nicht neu.
Schon in der vorletzten Sendung der ,,Anstalt” im Staatsfernsehen, II. Kanal, war deutlich ein Herr von Wagner zu sehen, der ganz klar zum Ausdruck bringt, was man von so einem Vorgehen halten sollte. Das kann man sich HIER anschauen.

Ich möchte diese Fernsehsendung an dieser Stelle einmal ausdrücklich loben. Wenn das deutsche Staatsfernsehen überhaupt irgendeinen Existenzgrund hat, dann ist es diese Sendung. Beim Spiegel stehen die dort erwähnten Tatsachen dann auch weiter unten, etwas verschämt aufgeführt. Vermutlich, um den Anschein von ,,Qualitätsjournalismus” zu bewahren.

,,Berlin allerdings behauptete stets, man habe keine Kenntnis über die Aktivitäten der Amerikaner.”

So ist es da zu lesen.
Dieser Satz ist völlig richtig und es hat auch einen Grund, warum die beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung keine Kenntnis über derartige Aktivitäten hat. Das liegt schlicht und einfach daran, daß sie die Amerikaner gar nicht erst gefragt hat. Wer nicht fragt, bleibt nicht nur dumm, er kann auch besonders dumme Dementis herausbringen.

All diese Vorwürfe existieren bereits seit 2013 und sind eigentlich längst offenes Geheimnis. Schon damals hatte ein Drohenpilot zugegeben, daß die Flüge nach Pakistan und in andere Weltgegenden ohne die Basis Ramstein nicht möglich seien.
Das hat der Mann übrigens auch dieser Tage noch einmal bestätigt und die Drohnenflüge die ,,wohl feigste Art der Kriegsführung” genannt. Da hört er von mir keinen Widerspruch.

Statt sich aber vielleicht mal mit ihrem eigenen eklatanten Versagen zu beschäftigen, schmückt sich die Erbsenpistole der Demokratie jetzt mit den Lorbeeren, man habe ja in Zusammenarbeit mit The Intercept dank neuer Dokumente endlich konkrete Hinweise.
Hier offenbart sich ein Grundproblem unserer Zeit. In unserer politischen Kaste ebenso wie in unseren Medien. Denn eigentlich wäre es Aufgabe der Medien gewesen, hier entsprechend nachzuhaken.
Es gibt übrigens auch konkrete Hinweise darauf, daß unser bundesdeutscher Lieblingsalliierter, die USA, ein Folterstaat sind. Der Hinweis liegt darin, daß die USA das in in ihrem neulich erschienen Bericht schlicht selbst zugegeben haben.
Die Reaktion der Regierungsschergen war recht eindeutig. Frau Merkel sagte dazu wörtlich:

,,Ich bin erschüttert vom Ausmaß des Skandals.” *

Ich merke hierzu an, daß Frau Merkel eindeutig nicht erschüttert über die Folter war, nur über das Ausmaß.
Auch der von manchen schon gerüchtete Nachfolger unseres Bundespfarrers Gauck, der Herr Steinmeier, äußerte sich zum Folterskandal und bescheinigte den Amerikanern, sie seien ja auf einem ,,guten Weg der Aufklärung”.
Heißt übersetzt aus dem Politischen: Alles halb so wild, immerhin haben die es ja zugegeben. Da sehen wir dann mal drüber weg. Klar, wir sind ja die Guten, nicht wahr?

Deutschland ist mit einem Folterstaat verbündet. Da wir die Guten sind, ignorieren wir das.

Ich stelle mir vor, ein derartiger Bericht wäre über China, Rußland oder Nordkorea veröffentlicht worden. Allein die schaumgeifernden Kommentare in Artikeln der ZEIT oder der Hetzpresse des Springer-Verlages hätten Seiten gefüllt!
Aber wir sind ja die Guten. Wir foltern nicht, wir benutzen ,,erweiterte Befragungstechniken”. Die direkte Übersetzung aus dem Englischen für ,,enhanced interrogation”. Dummerweise auch ein Ausdruck, der aus GeStaPo-Zeiten im Dritten Reich stammt, den die Amerikaner da benutzen. Herzlichen Glückwunsch.

In der Bundespressekonferenz erklärte Regierungssprecher Seibert, daß Folter durch nichts zu rechtfertigen sei. Aber ärgerlicherweise erhebt der Generalbundesanwalt auch keine Klage gegen die USA bzw. die an der Folter Beteiligten.

Schade eigentlich, denn genau dazu wäre Deutschland nach der UN-Folterkonvention verpflichtet. Die sieht nämlich exakt vor, daß solche Straftaten weltweit verfolgt werden müssen.
Da gibt es also keinerlei Abwägung im Parlament, beim Generalbundesanwalt oder bei Frau Merkel und Herrn Steinmeier. Eine irgendwie geartete Prüfung durch ach so wichtige Unterausschüsse oder einen weisungsgebundenen Generalbundesanwalt ist hier vollkommen unerheblich. Wir sind als Nation zur möglichst breiten und direkten Verfolgung derartiger Straftaten verpflichtet, Ende der Durchsage.

Mit dieser Ansicht stehe ich nicht allein da: Ein ehemaliger Richter am BGH, Wolfgang Neskovic, hat dazu auch eine recht klare Ansicht.
Auch die UN fordern die Bestrafung von Folter-Verantwortlichen, das wären dann also Leute wie Donald Rumsfeld, Dick Cheney und auch der ehemalige Präsident George W. Bush.
Obwohl ich den ja persönlich für relativ wenig verantwortlich halte. Wer über die Intelligenz eines Roggenbrots nichts hinauskommt, sollte halt nicht für ein nationales Präsidentenamt wählbar sein.

Statt aber vehement darauf hinzuwirken, daß Deutschland internationale Verpflichtungen befolgt, tut die Bundesregierung alles, um genau das zu verhindern.
Die Opposition war nämlich dafür, den Folterbericht der CIA mal komplett anzufordern, denn von den 6.700 Seiten, die dieses Ding wohl hat, sind ganze 500 veröffentlicht worden. Auch diese teilgeschwärzt, natürlich.
Man kann ja die Namen ehrenwerter CIA-Offiziere und ihrer Auftraggeber nicht einfach an die Öffentlichkeit bringen, das würde ja Persönlichkeitsrechte verletzen.
Die Bunderegierung lehnte den Antrag der Opposition mit ihrer erdrückenden Parlamentsmehrheit dann einfach mal ab.

Ich halte das für besonders widerwärtig, weil ein gewisser Herr Steinmeier im Kabinett Schröder Kanzleramtsminister war, also der Mann, der ja für die Verbindung zwischen Regierung und Geheimdiensten in Deutschland sorgen soll. Aber natürlich hat Herr Steinmeier von nichts gewußt in Sachen Folter. Ebensowenig wie von Überführungsflügen der CIA nach Guantanamo. Oder von heutigen Drohnenflügen.

Warum dieser Mann aber dann Kanzleramtsminister war, wenn er doch seinen Job nicht gemacht hat, verstehe ich nich ganz. Wenn er aber doch was gewußt hat, dann hat er gelogen.
In beiden Fällen ist es mir unerklärlich, warum so jemand ein parlamentarisches Mandat hat und auch noch Außenminister ist. Immerhin vertritt so ein Mann uns irgendwo alle, wenn er im Ausland rumfällt. Ich möchte von solchen Leuten nicht vertreten werden. Ich möchte auch nicht, daß solche Typen womöglich mal Bundespräsident werden.

Fakt ist, in den amerikanischen Medien wurde tatsächlich die Strafverfolgung der Verantwortlichen gefordert, direkt nach Veröffentlichung des Berichts.
In den deutschen Medien tauchte drei Tage nach dem Folterbericht bereits wieder der böse Russe auf den Titelseiten auf. Fachgerecht abgelichtete Panzerfotos aus der Ukraine wurden gezeigt. Folter in den USA? War da was?

Gerechterweise muß man sagen, daß auch in den USA das Thema schnell wieder in der Versenkung verschwand. Aber das ist keine Entschuldigung für das vollständige Versagen deutscher Medien seit Bekanntwerden des NSA-PRISM-Programms, ein Versagen, das sich im geradezu widerwärtigen Propagandagetrommel seit Beginn der Ukraine-Krise im vergangenen Jahr ins Unerträgliche gesteigert hat.
Und dafür feiern sich deutsche Medien auch noch als Qualitätsjournalismus. Da wird mir persönlich schon wieder schlecht.

Die gesellschaftliche Aufgabe des Journalismus lautet: Sei unbequem!

Statt der Beute hinterherzujagen, Fragen zu stellen, unangenehm zu sein, den Herrschenden auf die Nerven zu gehen, Salz in Wunden zu streuen und allgemein dem journalistischen Auftrag zu folgen, der da lautet:
,,Tauche deine Feder in das Blut der Mächtigen, um der Gesellschaft ins Gewissen zu schreiben”
haben wir in Deutschland eine zahme Presse aus Journalistenschafen, die friedlich blökend über ihre Wiese schweifen und das Gras wiederkäuen, das die Hand der Wirtschaft oder der Politik ihnen darreicht.

Ich nenne das absichtlich nicht ,,Gleichschaltung” wie andere das vielleicht tun würden. Denn dieser Ausdruck bedeutet, daß eine Medienlandschaft von oben durch massive politische Drohungen in eine Richtung gebürstet wird. Russische Medien sind gleichgeschaltet.
Bei deutschen Medien ist das nicht einmal mehr erforderlich, was noch wesentlich schlimmer ist. Die Ursachen hierfür liegen tief, ich werde das mal an anderer Stelle analysieren, denke ich.

Auch der Spionagewahnsinn hat ja dieser Tage einen neuen Höhepunkt erreicht, nachdem sich herausgestellt hat, daß der BND wohl kein Problem damit hatte, dem feindlichen Dienst der NSA Informationen zu verschaffen, die durchaus geeignet sind, gegen Deutschland und/oder Europa eingesetzt zu werden.
Ja, die NSA ist ein feindlicher Dienst, denn wie wir uns ja schon mehrfach haben belehren lassen müssen, haben Staaten eben keine Freunde, sondern nur Interessen.

Ich bin mal sehr gespannt, wie lange es dauert, bis nach Drohnenmorden und Folterstaat USA auch dieses Thema mit Vehemenz unter den Teppich gekehrt werden wird. Die Bundesregierung hatte jedenfalls ihrer Pressemitteilung auf der Bundespressekonferenz nichts hinzuzufügen (ab 10:00).
Diese Pressemitteilung vom Vortag, die im Video erwähnt wird, bestand übrigens aus der lakonischen Erklärung, man habe – Achtung! –

,,…technische und organisatorische Defizite beim BND identifiziert.”

Das muß man sich mal reinpfeifen!
Ein Geheimdienst, der gegen die Interessen seines eigenen Landes handelt, begeht das, was man früher Hochverrat genannt hätte. Ich nenne das immer noch so.
Zur Verteidigung des BND muß angeführt werden, daß dieser wohl schon 2008 darauf hingewiesen hat, daß hier unsaubere Dinge ablaufen. Aber das Bundeskanzleramt hat sich dafür nicht interessiert, schließlich sind die USA ja unsere Freunde. Wobei – wie war das doch gleich mit Ländern und Freunden?

Das Bundeskanzleramt war übrigens zum fraglichen Zeitpunkt von Thomas de Mezière (CDU) besetzt. Der ist heute Innenminister und möchte gerne, daß wir alle vorratsdatengespeichert werden.
Das geschieht natürlich nur zu unserer Sicherheit. Wie könnte man solchen Leuten nicht vertrauen?

Aber ich bin mir recht sicher, daß wieder kein einziges Medium des Qualitätsjournalismus, von ZEIT über SPIEGEL und FAZ bis hin zur Süddeutschen, der WAZ oder anderen auch nur ein einziges Mal die Frage stellen wird, die sich mir in Anbetracht dieser Zustände seit längerer Zeit geradezu aufdrängt:
Die Frage nach der Legitimität unserer Regierung.

Das Verhalten der Bundesregierung ist zunehmend antidemokratisch und somit staatsgefährdend.

Frau Merkel schwebt über allem und ist sakrosankt. Die größte Volksverarscherin der Geschichte ist von unseren Medien noch kein einziges Mal zum Rücktritt aufgefordert worden für ihre politischen Vollkatastrophen der letzten Zeit.
Dabei bleiben Griechenland, Europolitik und andere Kleinigkeiten wie TTIP an dieser Stelle von mir glatt unerwähnt. Einen Steinbrück hätte man schon für wesentlich weniger geschlachtet.

Der zunehmende Mangel an Demokratieverständnis bei deutschen Parlamentariern wird immer offensichtlicher. Der eklatante Mangel an politischer Kritik in unseren Mainstream-Medien leider auch.

Aber vielleicht sollten wir ja nicht immer das Schlimmste annehmen. Das hat auch Präsident Obama gesagt, der einzige Folterknecht mit Friedensnobelpreis, als er im Februar auf Stipvisite in Deutschland war. Wir Deutschen sollten den USA mal ein wenig Vertrauensvorschuß entgegenbringen.
Warum wir das tun sollten, konnte Mr President wohl nicht recht begründen, immerhin hat uns die Amtszeit dieses Mannes einen recht guten Eindruck davon verschafft, wie eine dritte und vierte Legislaturperiode von George II. aus Texas ausgesehen hätten. Aber auch in dem Fall hielt man sich an die goldene Presseregel, gar nicht erst nachzufragen.

In der Welt, in der ich lebe, muß man sich Vertrauen verdienen. Und einen Vorschuß bekommt nur, wer sich nicht schon als schlechter Schuldner präsentiert hat. Das ist weder bei den USA noch bei der Bundesregierung der Fall.
Solange diese Menschen und ihre elitären Trägerzirkel an der Macht sind, wird es keine demokratische Zukunft geben. In den USA nicht, in Europa nicht und hier in Deutschland erst recht nicht.

Denn auch Demokratie kommt nur zu denen, die sich ihrer als würdig erweisen.

 

*Ich setze an dieser Stelle ausdrücklich keinen Link, aber mit den entsprechenden Suchbegriffen [Merkel Ich bin erschüttert vom Ausmaß des Skandals] findet man das bei Google. Einer der ersten Links geht aber zur Springerpresse und die verlinke ich nicht.

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