Das falsche Morgen (I)

„The future will be better tomorrow.”
Dan Quayle

Tä-TäTä TäTäTäTä-Täää-TäTää…das Weltall, unendliche Weiten.

Wir befinden uns im Jahr 2057.
Ihre Krankenkasse überwacht morgens beim Pinkeln ihren Urin und erstellt daraufhin direkt einen Ernährungsplan, weil sie am Vorabend gesoffen haben.
Ihr smartes Haus sagt ihnen, wie das Wetter ist, während sie vor dem Badezimmerspiegel stehen, dabei verdunkelt es gleichzeitig die Fenster, damit sie von der tiefstehenden Morgensonne nicht geblendet werden.
Ihre Kaffeemaschine – Entschuldigung – ihr vollvernetzter Fair-Trade-Handelsgut-Zubereiter läßt derweil dreifach entkalktes Wasser über handgestreichelte und bei Neumond geerntete Bohnen laufen und bestellt selbständig den Mechaniker, weil mit dem Mahlwerk was nicht stimmt. Oder er bestellt gleich einen neuen, noch smarteren FTHGZ, denn immerhin ist ihr eigenes Exemplar schon elf Monate alt, da gibt es natürlich längst was Besseres.

Von der Bestellung merken sie auch überhaupt nichts, jedenfalls nicht, bis ihr Kreditchip im Handgelenk sie mit einem orangenem Leuchten daran erinnert, daß sein Wert nicht mehr ganz so hoch ist, wie er vielleicht sein sollte, und sie auf der Arbeit ein automatisches Schreiben ihrer Hausbank – oder besser, ihres Bankcomputers – erhalten, in dem die ganzen Zahlen aufgelistet sind, die da so aufgelaufen sind in den letzten zehn Tagen.
Da können sie dann auch gleich die Sonderabbuchung ihrer Krankenkasse finden, wegen der schlechten Werte im Urin. Ihr Konsumindex ist trotzdem zu niedrig, die Mail erinnert sie höflich daran, daß sie ihre staatsbürgerliche Durchschnittsverschuldungsquote noch immer nicht voll ausgeschöpft haben.

Am Nachmittag holen sie dann ihre 91jährige Mutter vom Arzt ab. Die alte Dame hat sich einer Nanitenbehandlung unterzogen. Drei Tage lang sind winzigkleine Maschinen von einigen Atomen Größe durch die Blutbahn gekreist, haben die Wände sämtlicher Gefäße einem Checkup unterzogen, Schwachstellen repariert, Engpässe beseitigt, im Gehirn nach gefährlichen Ablagerungen gesucht und auch welche gefunden, woraufhin die cleveren Maschinchen mal feucht durchgewischt haben.
Die Synapsen- und Neuronendichte wurde vermessen, sämtliche Organe einem gründlichen Scan unterzogen, einige zystige Dinge in der Nähe von Leber und Nieren beseitigt und dann haben sich die Naniten nach getaner Arbeit in ihre Bestandteile aufgelöst.
Der Doktor, oder vielmehr, das Diagnoseprogramm, hat mit ihrer Mutter gerade bespochen, daß eine Altersregressionsbehandlung für ihr Herz eingeleitet werden wird, denn der Muskel muß dringend mal aufgefrischt werden.
Ansonsten befindet sich ihre Mutter in diesem Moment im inneren Zustand einer 25jährigen und somit in bester Ordnung. Und das ist wichtig, denn sie wird in vier Wochen Urlaub machen im Luna-Vergnügungspark, für den Shuttlestart zum Erdtrabanten muß sich die alte Dame in gutem Zustand befinden.

Wenn sie nach Hause kommen, war schon der Techniker da, man hat sie mit einem neuen FTHGZ beglückt, der alte hat sich aufgrund des schweren Defekts am Mahlwerk doch für seinen Ruhestand entschieden.
Ihr Haus hat dem Techniker Zugang gewährt, nachdem dieser sich per Retinascan ausgewiesen hat, außerdem haben die internen Sensoren natürlich alles aufgezeichnet, sie können das im Videoarchiv jederzeit nachsehen.

Willkommen in der Welt von übermorgen. Schon heute vorbestellbar.

Sie entspannen sich ein Stündchen beim Joggen in ihrer Wohnung, wobei die HoloBrille ihnen die Umgebung des Neuen Central Park in NY generiert, dabei floaten sie durch das globale Datennetz und bestellen sich bei einem chinesischen Öko-Anbieter was von diesem phantastischen Tee, den sie neulich schon unbedingt mal probieren wollten.
Man sagt heute „floaten”, denn das altertümliche Wort „surfen” ist schon längst als im wahrsten Sinne zu oberflächlich zu den Akten gelegt worden – was auch altmodisch ist, denn niemand benutzt heute noch Aktenablagen.
Nein, in das Weltnetz taucht man ein, vollständig. Die Neurotranzeptoren sorgen dafür, daß man keinen Avatar mehr benutzt, man ist sein eigener Avatar.

Der Tee wird dann auch direkt zum Ende ihres Laufs geliefert, die Schwebedrohne legt das Päckchen unaufdringlich im hauseigenen Schleusenzugang ab.
Ihr Konsumindex wird daraufhin vom zentralen Finanzrechner erhöht, so muß das sein.
Gerade, als sie die Simulation verlassen wollen, erscheint ein etwas gestreng wirkender Regierungsavatar neben ihnen und erinnert sie daran, daß heute Wahlsonntag ist und sie ihre staatsbürgerlichen Pflichten noch nicht erfüllt haben.
Etwas schuldbewußt schließen sie ihr Training ab und weisen sich dann über ihre Hausschnittstelle beim Zentralrechner der Stadt aus. Kurzer Check ihres Stimmusters, ein kleiner Retinascan und schon können sie problemlos einer von drei Parteien ihre Stimme geben, eine Sache von Minuten.
Während sie dann bei sinkender Sonne auf dem Vibrationssessel liegen und den Tee schlürfen, den der neue FTHGZ gebrüht hat, lassen sie sich holophonisch mit ihrer Tochter verbinden.

Die ist Ökosystem-Restaurateurin und gerade unterwegs in der brasilianischen Amazonas-Savanne, außerdem hat sie heute Geburtstag, sie wird 19.
Das Gespräch wird sofort zur Konferenzschaltung erweitert, denn auch ihre Ex-Frau ist dabei, ihrer Tochter zu gratulieren.
Ihr Bild ist leicht grieselig, aber das ist vollkommen normal, denn bei Übertragungen aus den orbitalen Energiestationen gibt es unvermeidlich immer eine geringe Signalverzögerung und Interferenzen durch den Transferstrahl. Immerhin befindet sich die Station, auf der ihre Ex als Hochenergieingenieurin arbeitet, in einem geostationärem Orbit und somit gute 36.000 Kilometer entfernt. Licht ist eben nur begrenzt schnell.

Als sie das Gespräch beenden, können sie einen Seufzer nicht unterdrücken. Wie die Zeit vergeht, ist ihr Gedanke, denn ihre Tochter hat sehr begeistert von dem anderen Doktoranden im Team gesprochen, einem Nigerianer.
Aber ihr eigener Geburtstag – ihr 42 – ist tatsächlich erst ein paar Wochen her, eigentlich eine unglaubliche Sache. Aus Kindern werden eben Leute, wie man so sagt.
Wobei ihnen einfällt, daß sie sich eigentlich zu einer Nanitenuntersuchung anmelden könnten, denn ab jetzt ist ein Checkup im Abstand von fünf Jahren Bestandteil ihrer Kassenleistungen. Tatsächlich hat sie der Avatar der Gesundheitsbehörde erst gestern daran erinnert, aber da waren sie zu beschäftigt damit, betrunken zu sein.

Nun ja, morgen ist auch noch ein Tag. Die Zukunft wird sicherlich noch einige davon bereithalten.

Abspann. Unsere Kamera zoomt zurück in die jetzt gerade aktuelle Gegenwart. Griechenland ist immer noch pleite, Frau Merkel noch Bundeskanzlerin und wir schreiben das Jahr AD 2015.

So oder so ähnlich wie gerade beschrieben spielt sich die Zukunft in unseren Köpfen ab. Gepflegt von irgendwelchen Menschen, die von Wachstum der Wirtschaft als Allheilmittel für…nun ja, alles halt…sprechen und von Dokumentationen, in denen immer wieder gezeigt wird, wie doof Menschen doch vor fünfhundert Jahren waren und wie total geil unser Wissen heutzutage so ist.
Ja, unglaublich, da haben die doch glatt vor einem halben Jahrtausend geglaubt, die Sonne kreise um die Erde!
Außerdem haben die geglaubt, die Erde sei flach. Oder die Welt sei von einem Gott geschaffen worden, so am Dienstag vor 6000 Jahren, vielleicht aber auch am Donnerstag.

Doch halten wir einen Moment inne, bevor wir mit dem Mittelfinger auf unsere idiotischen Vorfahren deuten, die ja von nichts eine Ahnung hatten.

Wir sind heute sehr viel klüger als noch vor 500 Jahren. Tatsächlich?

Evangelikale Christen in den USA und anderswo, ebenso wie viele, viele Anhänger des Islam oder anderer Religionen glauben auch heute noch, daß die Erde und alles, was so als Leben darauf herumkreucht, von einem Gott geschaffen wurde.
Da werden sämtliche Erkenntnisse der Geologie, der Geophysik und anderer Fächer aus ein bis zwei Jahrhunderten Forschung einfach mal in geradezu grenzenloser Ignoranz vom Tisch gewischt, während irgendwelche aufgeregten Menschen mit einem „heiligen Buch” rumfuchteln.

Gut, bei den Christen stellt sich da allein schon die Frage, welche Übersetzung des Heiligen Buches es denn jetzt sein darf zur Untermauerung des eigenen kleingeistigen Weltbildes.
Aber trotzdem ist man sich da generell einig: Die Erde ist nicht etwa aus einer Zusammenballung von Materie über ein paar Milliarden Jahre hinweg entstanden, sie wurde erschaffen. In sechs Tagen.
Ich halte das ja für knapp kalkuliert, da habe ich mit Handwerkern aber ganz andere Erfahrungen gemacht. Ganz listige Religionstypen sagen dann auch mal gerne, das mit den sechs Tagen müsse man ja metaphorisch verstehen, was wissen Menschen schon über die Tageslänge eines Gottes?

Aber die Erde bleibt auch bei diesen Typen ein eher handwerkliches Produkt. Denn das mit der Anwesenheit Gottes und der Erschaffung der Erde, das kann natürlich keine Metapher sein, das ist selbstverständlich die einzig wahre Wahrheit.
Nun ja, solange mir niemand den Garantiestempel der Magratheaner zeigt, glaube ich nicht an solche Dinge.

Unsere Vorfahren übrigens auch nicht, wie sich bei näherem Hinsehen recht deutlich nachweisen läßt.

Schon ein Mann wie Eratosthenes von Kyrene führte bereits eine Berechnung durch, um den Umfang der Erde zu bestimmen.
Dieser Herr war Grieche – es war schwierig, im Mittelmeerraum des 3. Jahrhunderts vdZ keinem Griechen zu begegnen – und ein echtes Multitalent, denn neben der Mathematik war er  tätig auf den Gebieten der Geographie und Astronomie, er war Historiker, Philologe, Dichter und natürlich Philosoph, wie es sich für einen antiken Griechen ja ohnehin standardmäßig gehört.
Zudem war Eratosthenes Leiter der Bibliothek von Alexandria.
In diesem Falle ist das Alexandria gemeint, gelegen an der Nordküste Afrikas im heutigen Ägypten. Muß man dazusagen, denn insgesamt hat der eifrige Makedone bei seinen Eroberungen im 4. Jahrhundert vdZ mehrere Dutzend Städte mit diesem Namen auf antiken Landkarten hinterlassen. Viele mit einem Namenszusatz, viele aber auch nicht.
Das ist so ein bißchen wie Paris (Texas), Berlin (New Hampshire) oder Rom (New York). Da werden spätere Historiker auch sicherlich ihre Freude dran haben.

Insgesamt war Eratosthenes also exakt der Mann, den ich persönlich mal auf ein nettes Gespräch bei einem guten Tee einladen würde. Oder den ich dringend mal interviewen wollte, gäbe es die Möglichkeit des Zeitreisens. Gut, ich müßte mein quasi nicht vorhandenes antikes Griechisch aufpolieren, aber in einer Zukunft mit Zeitreisen sollten Sprachen doch keine Probleme bereiten, oder?

Auf jeden Fall führte der Grieche Eratosthenes damals ein Experiment durch, bei dem es darum ging, die Sonnenhöhe über dem Horizont zur Mittagszeit an zwei Orten zu messen, von denen einer weiter südlich liegt als der andere. In diesem Fall war der südliche Ort Syrene, im modernen Ägypten ist das Assuan.
Daraus ergibt sich dann nämlich ein Winkel und den kann man hochrechnen auf den Umfang einer Kugel.
Was gleich mehrere Dinge beweist: Eratosthenes bzw. seine Assistenten müssen gewußt haben, wie weit Alexandria auf einer Nord-Süd-Ache vom anderen Ort der Messung entfernt ist. Also konnte man das damals bereits messen.
Dem alten Griechen war auch völlig klar, daß die Erde nicht flach ist, sondern eine Kugel, denn sonst kommt man nicht darauf, den Umfang von etwas zu berechnen.
Und er muß gewußt haben, wie man das ganze Zeug berechnet, wozu in diesem Falle natürlich der Wert Pi nötig ist, die gute alte Kreiszahl.

Man lege diese Aufgabe mal dem Durchschnittsdeutschen in der Fußgängerzone von…sagen wir…Frankfurt am Main vor. Da sitzen ja die ganzen Finanzjongleure, die müßten sich ja mit Zahlen auskennen.
Das Ergebnis dürfte als youtube-Video sicherlich äußerst interessant sein.

Eratosthenes kam übrigens damals auf einen Erdumfang von etwa 250.000 Stadien. Damit ist nicht die Sportstätte gemeint, sondern das damals benutzte Längenmaß.
Bedauerlicherweise gab es zur Zeit Eratosthenes’ verschiedene Längenmaße, die uns heute überliefert sind und die alle so hießen. Wir wissen aber nicht, welches dieser drei Maße der gute Eratosthenes benutzt hat.
Insgesamt kam der alte Grieche aber auf die 5000fache Entfernung zwischen Alexandria und Assuan als Erdumfang, das wären nach heutigen Maßgaben 41.750 km. Damit kommt er dem Wert von von ~40.000km am Äquator schon sehr nahe.

Falls übrigens jetzt jemand über die unterschiedlichen Längenmaße lästern möchte: Vor einigen Jahren haben hochbezahlte Ingenieursspezialisten der NASA eine Marssonde unangespitzt in den Sand des Roten Planeten gerammt, weil sie so dämlich waren, innerhalb ein- und desselben Softwareprogramms sowohl imperiale Fuß und Zoll als auch internationale Meter und Zentimeter zu benutzen.
Niemand hatte das überprüft und niemand von diesen Idioten bei der NASA scheint mal auf die Idee gekommen zu sein, internationale Maßeinheiten zu benutzen statt eines Systems, das in etwa so fortschrittlich und brauchbar ist wie mittelalterliche Ellen und Handspannen.

Auch die Erkenntnis, daß die Erde sich um die Sonne dreht, war in besagtem Mittelalter  vor fünfhundert Jahren keine mehr, die irgendwelche Bauern auf dem Feld jetzt veranlaßt hätte, vor Ehrfurcht ob dieser Offenbarung auf die Knie zu sinken.
Ein Grieche namens Aristarchos von Samos kam nämlich bereits im 4. Jahrhundert vdZ darauf, daß eben dies wohl der Fall sein müßte, also quasi der Lauf der Welt. Ja, die waren ein cleveres Völkchen damals, diese Griechen. Hätte es damals schon Nobelpreise gegeben, die hätten regelmäßig abgeräumt.

„Aristarch aber hat ein Buch verfasst, das aus bestimmten Hypothesen besteht, und das, aus diesen Annahmen folgernd, zeigt, dass das Universum um ein Vielfaches größer ist als das ‚Universum‘, welches ich eben erwähnte. Seine Thesen sind, daß die Fixsterne und die Sonne unbeweglich sind, daß die Erde sich um die Sonne auf der Umfangslinie eines Kreises bewegt, wobei sich die Sonne in der Mitte dieser Umlaufbahn befindet, und daß die Sphäre der Fixsterne, deren Mitte diese Sonne ist und innerhalb derer sich die Erde bewegt, eine so große Ausdehnung besitzt, daß der Abstand von der Erde zu dieser Sphäre dem Abstand dieser Sphäre zu ihrem Mittelpunkt gleichkommt.” – Archimedes, aus der sogenannten „Sandrechnung”

Dieses Zitat stammt also wieder von einem anderen Griechen, der einem aber bestimmt schon mal über den Weg gelaufen ist: Archimedes wäre der Hellene, der sich nicht wundern würde, daß Metallschiffe schwimmen, würde man ihn in unsere Zeit versetzen.
Dummerweise war Archimedes aber auch Anhänger des geozentrischen Weltbildes, das bereits von wiederum anderen Griechen, wie Eudoxos von Knidos, vertreten worden war. Ja, diese Griechen hatten nun mal das Monopol auf solche Sachen damals, dafür kann ich nichts.
Und dieses Weltbild behauptete eben, daß die Erde der Mittelpunkt des Universums sei und sich alles andere um sie herum bewegen müsse, was ja für ein Zentrum irgendwie logisch ist.

Seine Gegner warfen Aristarchos damals vor, daß sich nach seiner Vorstellung eigentlich der Sternenhimmel im Laufe eines Jahres verändern müsse, während die Erde um die Sonne kreise. Aristarchos erklärte diese nicht stattfindende Veränderung damit, daß die sichtbaren Sterne eben so weit von der Erde entfernt seien, daß man diese Verschiebung nicht sehen könne.
Das wiederum widersprach zu allem Übel auch noch allen Vorstellungen von der Größe des Universums in seiner Zeit und deshalb vertrat Archimedes weiterhin deutlich das Weltbild der Konkurrenz. Und da Archimedes ja so etwas wie der Stephen Hawking seiner Zeit war, wurde Aristarchos auch nicht zum Sieger in diesem Streit gekrönt.

Unterlegene Theorien im Wissenschaftsstreit. Schon vor 2500 Jahren zu finden.

Tja, selbst ein Profi wie Archimedes kann sich durchaus mal irren.
Aristarch hatte nämlich vollkommen recht mit seiner Annahme, daß man die Bewegung des Sternenhimmels mit bloßem Auge nicht wahrnehmen kann, weil die Sterne viel zu weit entfernt sind. Wir nennen das heute in der Astronomie Parallaxe und die wurde erst 1883 entdeckt bzw. nachgewiesen.

Trotzdem waren diese all diese Erkenntnisse zur Zeit eines Kopernikus, der dann letztlich die Katze aus dem Sack ließ, eben nicht neu. Die meisten Menschen der damaligen Zeit wußten oder ahnten bereits, daß mit der geozentrischen Weltsicht wohl nicht alles so richtig war, wie andere das behaupteten.
Das von Kopernikus in seinem Todesjahr 1543 zu Nürnberg veröffentlichte De revolutionibus orbium coelestium (Über die Kreisläufe der Himmelskörper) kann wohl zu Recht zu den wichtigsten Büchern der letzten fünfhundert Jahre gezählt werden.

Aber natürlich protestierten auch wieder einige gegen diese Weiterentwicklung des Wissens, ganz besonders – wer hätte es gedacht – Vertreter aus religiösen Kreisen.
Obwohl die Kurie damals ein zunehmendes Problem mit der Festlegung des Osterdatums hatte, was wiederum mit dem unzureichenden Kalender und der Bestimmung der Jahreslänge zusammenhängt, war man von dieser doch recht durchgreifenden Veränderung des alten Weltbildes nicht sonderlich begeistert. Dabei hatte Kopernikus sogar die Umlaufbahnen der Planeten sorgfältig durchgerechnet.

Es folgt als erster Planet Saturn, der in dreißig Jahren seinen Umlauf vollendet. Hierauf Jupiter mit seinem zwölfjährigen Umlauf. Dann Mars, der in zwei Jahren seine Bahn durchläuft. Den vierten Platz in der Reihe nimmt der jährliche Kreislauf ein, in dem, wie wir gesagt haben, die Erde mit der Mondbahn als Enzykel enthalten ist. An fünfter Stelle kreist Venus in neun Monaten. Die sechste Stelle schließlich nimmt Merkur ein, der in einem Zeitraum von achtzig Tagen seinen Umlauf vollendet. In der Mitte von allen aber hat die Sonne ihren Sitz.“

– Band I, Kapitel X aus „De revolutionibus”

Diese Werte – 80 Tage Umlauf für Merkur, 12 Jahre für Jupiter, 30 für Saturn –  sind von der modernen Astronomie allesamt geprüft und bestätigt worden.
Kopernikus beherrschte seine Mathematik einwandfrei.
Witzigerweise hatte Kopernikus sein Werk dem damaligen Papst gewidmet, Paul III.

Die Arbeit von Kopernikus wurde dann etwas später, so ab 1600 ndZ, von einem Mann namens Johannes Kepler weiter ausgearbeitet. In diesem Jahr erschien auch das Buch eines englischen Arztes namens William Gilbert, der sich über den – ebenfalls noch recht unerforschten – Magnetismus und seine Eigenarten ausließ. Gilbert betrachtete auch die Erde als einen großen Magneten.
Das wiederum brachte Kepler auf den Gedanken, eine verbindende Kraft zwischen der Sonne und allen anderen Planeten zu postulieren, die er Anima motrix nannte, also etwa „den bewegenden Geist”.
Diese Annahme führte dann zu der Erkenntnis, daß die Planetenbahnen, die Kopernikus noch als strikt kreisförmig angenommen hatte, tatsächlich Ellipsen sind. Kepler formulierte im Weiteren die nach ihm benannten Bewegungsgesetze, welche die  Planetenbewegungen um die Sonne als dynamisches System beschreiben.
Er beobachtete und beschrieb in seinem Werk „De Stella Nova” die Supernova von 1604 im Sternbild Ophiuchus (Schlangenträger), die letzte beobachtete Supernova innerhalb unserer Galaxis.

Dieses Ereignis dürfte den damaligen Kirchenherren auch wenig gefallen haben, denn noch immer wurde das heliozentrische Weltbild als Rechenhilfe für Ostern betrachtet und nicht als wissenschaftliche Tatsache. Argumentiert wurde damit, daß das Gewölbe der Fixsterne eben unveränderlich sei – wie bereits erwähnt, ist die Parallaxenbewegung der Sterne mit bloßem Auge ja nicht zu erkennen.

Supernova 1604

Überreste der Supernova SN 1604
Dreifachbild aus Infrarot, Röntgen- und optischen Wellenlängen
Spitzer Space Telescope, Chandra X-Ray Observatory

Diese Auffassung der Unveränderlichkeit war es, die vom Auftauchen der Supernova eindeutig widerlegt wurde und deshalb in der damaligen Zeit für regen Gesprächsstoff sorgte.

2 Comments

  1. Ein “Stadium” entspricht nach obiger Ausführung mit 167 m doch tatsächlich ungefähr der größten Ausdehnung einer 400-m-Kampfbahn, womit Sportstätte so falsch nicht ist. 🙂

    Was ich komisch finde ist daß das selbst auf das Sonnensystem bezogen nur annähernd richtige heliozentrische Weltbild mit feststehender Sonne noch heute so “simpel” gelehrt wird obwohl schon seit Newton widerlegt bzw. weiterentwickelt. Man müßte heute eigentlich von einem baryzentrischen Weltbild sprechen. Die Sonne taumelt in ca. 11 Jahren mehrere Mio km um das Baryzentrum des Sonnensystems, hauptsächlich von Jupiter und Saturn bewegt, befindet sich meistens außerhalb des Baryzentrums und wird dabei regelrecht durchgewalkt. Die Sonnenfleckenzyklen gehen wahrscheinlich darauf zurück. Meiner Meinung nach keine Sache die so einfach zu “vernachlässigen” ist.

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    1. Na jaaaaa…aber bei der Größe unseres Zentralsterns sind diese Taumelbewegungen relativ marginal. “Heliozentrisch” heißt ja nur, daß alle anderen Objekte um die Sonne kreisen. Was völlig korrekt ist. Außerdem müssen wir den Alien-Astronomen auf XpprT!23Zeta die Möglichkeit geben, dank dieser Taumelbewegungen herauszufinden, daß diese Sonne hier in diesem völlig aus der Mode gekommenen Spiralarm der Galaxis Planeten besitzt.
      Das ist nur fair. Dieselbe Methode benutzen unsere Astronomen ja auch 😀

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